Freitag, 18. April 2014

Interreligiöse Begegnungen: Gebete, Lieder, Besinnungen



Johannes Lähnemann / Religionen für den Frieden Nürnberg / Religions for Peace: Spiritualität multireligiös. 
Begegnungen der Religionen in Gebeten, Besinnungen, Liedern.
Berlin: EB-Verlag 2014, 184 S. --- ISBN 978-3-86893-129-7



Ausführliche Beschreibung 
Johannes Lähnemann (geb. 1941) gehört zu den Wegbereitern interreligiöser Begegnung, besonders im Bereich einer interkulturell offenen Religionspädagogik. Er hatte viele Jahre einen religionspädagogischen Lehrstuhl für Evangelischen Theologie der Universität Erlangen-Nürnberg inne. Mit den alle 2 Jahre stattfindenden Nürnberger Foren zog er international renommierte Referenten und Fachleute sowie religiös Interessierte und Engagierte in großer Zahl an. Seit 1988 leitet er die Nürnberger Gruppe „Religionen für den Frieden“, ist Mitglied am „Runden Tisch der Religionen in Deutschland“ und Chairman der „Peace Education Standing Commission“ von „Religions for Peace“ (früher WCRP – Weltkonferenz der Religionen). Das vorliegende Buch zeigt, dass ihm neben der wissenschaftlichen Vertiefung im Blick auf das interreligiöse Lernen gerade auch die spirituell-praktische Begegnung am Herzen liegt.

Bei der Begegnung mit Menschen anderen Glaubens wird sehr schnell deutlich, dass neben der Diskussion um Glaubensinhalte gerade Erfahrungen und auch Gefühle sehr wichtig sind. Sie kommen in Meditation und Gebet besonders intensiv zum Ausdruck. Wenn sich nun auf dieser Ebene Menschen zusammentun, macht sich bei allen Unterschieden eine große Gemeinsamkeit bemerkbar. Das hat dazu geführt, dass es seit vielen Jahren interreligiöse Gebete in einer ganzen Reihe von Städten gibt – nicht nur in Deutschland. Aber Johannes Lähnemann wäre nicht der sorgsam achtende Theologe, wenn er nicht auch Sorgen und Ängste im Zusammenhang dieser Gebete aufzeigte. Sie betreffen die Angst vor Religionsvermischung, Verleugnung des jeweiligen Wahrheitsanspruchs und gegenseitiger Vereinnahmung; und schließlich geht es um den Verdacht, hier solle nur eine religiöse Schau präsentiert werden (S. 28). Thematische Konzentrierung und „das offene authentische Einbringen des eigenen Glaubenszeugnisses“ (S. 31) sind ihm besonders wichtig. Darum redet Lähnemann lieber von „Spiritualität. Multireligiös“. Vielleicht aber schwingt hier doch zu viel theologische Abgrenzungs-Vorsicht mit, denn immer wieder zeigt die Erfahrung, dass sich VertreterInnen anderer Religionen gern und ohne jeden psychologischen Druck ein Stück weit in die fremde Religion hineinnehmen lassen, oder bewusst Gebete gemeinsam aus verschiedenen Traditionen heraus formulieren. Hier entstehen neue ungewohnte und bereichernde Erfahrungen im Blick auf die eigene Religion und über diese hinaus.
Wie dem auch sei, es lässt sich an den im Buch zusammengestellten 20 Gebetsstunden durchaus ahnen, inwieweit die dort meditierten und gebeteten Texte, die symbolischen Rituale sowie die musikalischen Klänge und gesungenen Lieder auch in einer anderen Religion verinnerlicht werden können. Das gilt auch für die Themen, die Menschen aller Glaubensformen und sicher auch vielen Nicht-Glaubenden zum Teil auf der Seele brennen.
Schon in der 1. Gebetsstunde von 1989 kommt der tief menschliche Wunsch zum Ausdruck, Gräben zu überwinden und Brücken zu bauen und setzt sich fort im Zusammenhang mit der Erinnerung an das 1. Friedensgebet in Assisi 1986, die interreligiöse Arbeit im Rahmen der Organisation „Religionen für den Frieden“ sowie in praktischen Nürnberger Pilgerwegen. So tut sich insgesamt eine Vielfalt von Themen auf: Buße-Umkehr-Reinigung des Geistes, religiöse Positionen gegen den Terrorismus, Bewahrung der Schöpfung und Schutz der Erde in mehreren Variationen, Schritte zur Gerechtigkeit, Gastfreundschaft, Friedensverantwortung, Beistand für die unterdrückten Gläubigen aller Religionen, Menschenrechte, Zukunft für unsere Kinder.
Aus solchen Begegnungen heraus ist 1992 auch „Die Nürnberger Erklärung der Religionen zur Bewahrung des Lebens“ entstanden. Dort heißt es u.a.: „In der Verschiedenheit unserer Bekenntnisse wissen wir uns doch verbunden in der >Ehrfurcht vor dem Leben< (A. Schweitzer) und in der Suche nach neuer Geschwisterlichkeit. … Erkennt, dass andere religiöse und ethnische Gruppen unter euch Reichtum, nicht Verarmung bedeuten. Die Beschneidung ihrer Rechte und Entfaltungsmöglichkeiten macht euer Leben ärmer … Im Bewusstsein der ganzen Vielfalt und Schönheit der belebten und doch so bedrohten Welt wollen wir mittragen an der Verantwortung für das Leben um uns und auf der ganzen Erde“ (S. 183.184)

An diesen seit 25 Jahren praktizierten Gebetsstunden wirk(t)en VertreterInnen aller großen Religionen mit. Sie sind darum zu Markierungs-Impulsen für die interreligiöse Begegnung geworden, die zugleich auch auf das gesellschaftliche Klima einer Stadt einwirken (können).
Das Buch der Nürnberger Gebetsstunden ist sehr praktisch ausgerichtet und bietet viele Anregungen, die dort präsentierten Texte und Anregungen auch für die eigene interreligiöse Arbeit zu übernehmen. Zur Erleichterung beim Auswählen dient auch ein ausführliches Inhaltsverzeichnis, so dass man leicht die einzelnen Materialien auffinden kann. Auch die theologische Vorbesinnung des Autors ist hilfreich, auch wenn der Rezensent die Akzente noch „interreligiöser“ setzen würde. Dennoch: „Spiritualität. Multireligiös“ kann hervorragend als Vademecum für die eigene auch öffentlich zu machende interreligiöse Praxis dienen.

Reinhard Kirste

Rz-Lähnemann-multirel, 16.04.14

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