Freitag, 3. Februar 2012

Islam im Unterricht - Mein Islambuch 3


Bülent Ucar (Hg.) –
erarbeitet von Sultan Baysal-Polat, Serap Erkan, Evelin Lubig-Fohsel, Gül Solgun-Kaps, Seher Uguz
mit Beratung von Thorsten Knauth und Stephan Leimgruber:
 
  • Mein Islambuch. Grundschule 3. Berlin: Oldenbourg-bsv 2011, 72 S., Abb. --- ISBN 978-3-637-00554-9
  •  Mein Islambuch, Grundschule 3, Lehrermaterialien, 2011, 132 S.  ISBN 978-3-637-00658-4

Der Oldenbourg-Verlag (aus der Cornelsen-Verlagsgruppe) will mit dem Gesamtprojekt von „Mein Islambuch“ einen didaktisch adäquaten Zugang zum Islam in deutscher Sprache vermitteln und muslimische Schüler/innen sachkundig und altersgemäß einführen.
Der von dem Islamwissenschaftler der Osnabrücker Universität, Bülent Ucar – zusammen mit islamischen Religionslehrer/innen, also Unterrichtspraktikern, herausgegebene erste Band (2009) für das
1./2. Schuljahr erfüllte bereits diese Erwartungen. Hier zeigt sich eine islamische Religionspädagogik im Blick auf die Grundschule, die den Vergleich mit ähnlichen Büchern des christlichen Religionsunterrichts nicht zu scheuen braucht.

Der nun erschienene Band für das 3. Schuljahr führt die genannten Intentionen konsequent fort. Darüberhinaus hat man sich eines katholischen und eines evangelischen Religionspädagogen versichert. Stephan Leimgruber (katholisch, Universität München) und Thorsten Knauth (evangelisch, Universität Duisburg-Essen). Die beiden sind nicht nur als kompetente Fachleute, sondern auch für ihre Dialogoffenheit bekannt.

Das Buch ist in sechs Themenkapitel gegliedert. Kap. 1 ist die konsequente Fortsetzung des Vorgängerbandes, nämlich „Ich, Familie, Gemeinschaft“, nun aber unter Einbeziehung und Aktualisierungen islamischer Gemeinschaftserfahrungen und der Fragen von Versöhnung und Vertrauen. Dies wird durch Beispiele aus dem Leben des Mohammeds sowie des Propheten Yunus (= Jona) verdeutlicht. Noch intensiver wird der existentielle Bezug zum Verstehenshorizont der Kinder bei der Darstellung der Schöpfung (Kap. 2), verstärkt durch eine islamische Davidsgeschichte.
In Kap. 3 wird das schwierige Leben des Propheten Mohammed bis zu seiner Auswanderung (Hidschra) nach Medina aufgearbeitet und ein Blick auf den Propheten Musa (= Mose) vorgenommen. Der Koran als Orientierungshilfe für das Leben des Muslims (Kap. 4) wird ergänzt durch die Betonung des Vorbildcharakters des Propheten (ebenfalls in Kap. 4), in gewisser Weise durchaus eine Fortsetzung islamischen Prophetenverständnisses und der Hinführung zum Koran, wie dies bereits der 1. Grundschulband ansatzweise vorgenommen hatte. Die Kinder sollen auch Korantexte so gut wie möglich (in Übersetzung) kennenlernen. Dies wird wieder narrativ durch eine Ergänzung aus der islamischen Noah-Geschichte. Schade!
Der islamische „Klassiker“, die fünf Säulen des Islam, brauchen natürlich auch eine ausführliche aktualisierende Darlegung (Kap. 5). Auf eine Besonderheit sei jedoch verwiesen, die sich durch den gesamten 3. Grundschulband zieht, nämlich die Annäherung an die vergleichbaren jüdisch-christliche Traditionen. Hier wird darum bewusst eine Parallele von Hadsch und christlichen Jerusalempilgern gezogen, so dass didaktisch sehr geschickt wiederum islamisch-christliche Nähe hergestellt wird. Damit ist gewissermaßen das Tor zur interreligiösen Offenheit ganz geöffnet, nämlich im Entdecken unterschiedlicher Feste und Riten in Judentum, Christentum und Islam (Laubhüttenfest – Befreiung, Opferfest – Weg zur Reinheit/Weihezustand, Abrahamstypik der drei Religionen und schließlich noch ein Blick auf den Sinn der christlichen Taufe. Dass das Sohnesopfer des Abraham in allen drei Religionen eine problematische Seite für das dahinter stehende Gottesverständnis hat, wird allerdings nicht thematisiert, auch wenn die islamische Erzählung schon ein stärkere „Entschärfung“ des Menschenopfergedankens bedeutet. Auch das Lehrermaterial geht über diese Problematik hinweg.
Die Lehrermaterialien nehmen das im Buch manchmal nur kurz dargestellte Thema ausführlich und methodisch konkretisierend auf und vertiefen damit die Arbeit durch die zusätzlich bereitgestellten Materialien und die gut handhabbaren Kopiervorlagen.
Bei aller Wertschätzung des didaktischen Ansatzes und der methodischen Ausführungen würde man in einem deutschsprachigen Religionsbuch allerdings erwarten, dass von „Gott“ geredet wird. Aber überall steht für „Gott“ „Allah“. Zwar schreiben die Bearbeiter im Vorwort für Lehrer und Eltern, dass die Begriffe „Gott und Allah synonym verwendet“ werden. Denn „Allah“ ist der arabische Ausdruck für Gott, der in den monotheistischen Religionen eben derselbe ist. Unbewusst scheint sich ein Verständnis von Allah in das Buch einzuschleichen, das nun doch Unterschiede setzt?  – zum Wohlgefallen aller Abgrenzer auf christlicher und islamischer Seite.
Insgesamt aber liegt ein islamisches Grundschulbuch vor uns, das nicht nur das Verstehen des Islam für Grundschulkinder erweitert, sondern auch in seiner Dialogoffenheit zu den monotheistischen Nachbarreligionen einen wichtigen Dienst für die interreligiöse Begegnung „auf Augenhöhe“ leistet. Die vielen Gemeinsamkeiten ermutigen dazu. Das Zusammenleben von Juden, Christen und Muslimen bekommt dadurch noch eine besondere Wertschätzung. Im Blick auf eine multikulturelle demokratische Gesellschaft ist dies geradezu ein Integrationsfaktor.
Reinhard Kirste
03.02.2012

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