Wilfried Oertel: Wie einen wärmenden Mantel.
Zukunftsfähiger Dialog statt Abgrenzung in der interreligiösen Begegnung.
Veröffentlichungen des Islamischen Wissenschafts- und Bildungsinstituts, Band 11.
Nordhausen: Bautz 2011, 172 S., Abb. --- ISBN 978-3-88309-100-6
Veröffentlichungen des Islamischen Wissenschafts- und Bildungsinstituts, Band 11.
Nordhausen: Bautz 2011, 172 S., Abb. --- ISBN 978-3-88309-100-6
Wilfried Oertel,
evangelischer Pfarrer und seit Jahren im interreligiösen Dialog engagiert, hat
hier eine Art Zwischenbilanz gezogen. Seine Vision ist die Einheit der
Religionen in Vielfalt. Das Zusammenleben zwischen Menschen verschiedener
Religionen ist dafür der Prüfstein. Aus diesem Grunde hatte er im Rahmen des
deutschlandweiten Projekts der katholischen, evangelischen, orthodoxen Kirchen
sowie jüdischer und muslimischer Organisationen "Weißt du, wer ich bin?"1 mitgearbeitet. Er entwickelte
interreligiöse Begegnungsprojekte an zwei Schulen der sauerländischen Kleinstadt
Meschede. Diese wurden von der islamischen und christlichen Seite getragen. Das
erste Modell „Offene Türen machen reich“
stand unter dem Stichwort der Gastfreundschaft und Entdeckungen in Synagoge,
Kirche und Moschee, verbunden mit grundlegenden Fragen des Glaubens. Das zweite
Modell nahm bei den Begegnungen die Gotteshäuser des Andern in Augenschein „Mein Gotteshaus – Dein Gotteshaus“,
wiederum verbunden mit konkreten Besichtigungen und Gesprächen vor Ort. Immer
gab es abschließend Reflexionen im Sinne einer „Integration durch Begegnung.“
Die
vorlaufende Praxis interreligiöser Begegnung besonders aus dem Schulalltag
heraus hat Wilfried Oertel bewogen, die theologische Basis seines Handelns zu
prüfen und diese an den offiziellen Äußerungen kirchlicher Gremien zu spiegeln.
Die Bibel selbst gibt genügend multireligiöse Anregungen. Das zeigen
Geschichten wie die Flucht des Mose nach Midian, die Flucht des Propheten Jona
und seine Predigt gegen die Stadt Ninive, Jesajas Botschaft von der Erkenntnis
für alle, Jesu Heilung der Tochter einer Kanaaniterin, die Begegnung von Petrus
mit dem römischen Hauptmann Kornelius und schließlich in der Theologie des
Paulus ein Gottesverständnis, das Unterschiede aufhebt.
Was
biblisch ermutigend ist, schien kirchlich auch neue Begegnungsmöglichkeiten zu
eröffnen. In diese Hoffnungszeichen fließen bei Oertel Erfahrungen aus der
westfälischen und rheinischen Kirche ein. Der Titel des Buches, ein Zitat aus
den Tagebüchern von Max Frisch, wurde in der Hauptvorlage der Evangelischen
Kirche von Westfalen 1992 „In einem Boot“ gewissermaßen als Dialogempfehlung
ausgegeben. Gerade auf der mittleren Ebene zwischen Gemeinde und Kirchenleitung
hat sich über die Jahre hinweg ein Netz von dialogoffenen Beauftragten des
christlich-islamischen Dialogs entwickelt, das zu einer Reihe von Grenzen überschreitenden
Äußerungen und Stellungnahmen führte. Auf der „höheren“ Ebene der Evangelischen
Kirche in Deutschland (wirkte sich die Dialogarbeit in den Landeskirchen allerdings
nur bedingt aus. Hervorzuheben sind immerhin die Handreichungen: „Zusammenleben
mit Muslimen in Deutschland“ (2000), allerdings bereits weniger ermutigend „Klarheit
und gute Nachbarschaft“ (2006). Auffällig ist, dass es auf den Brief der 138 international
bekannten muslimischen Theologen mit „A Common Word“ (2007) bis heute keine
offizielle Stellungnahme der EKD gibt.2
Den
vorgestellten Handreichungen wird je länger je mehr eine beunruhigende
Rückwärtstendenz bescheinigt: „Es lässt sich also festhalten, dass den
erstarkenden islamistischen Tendenzen … eine Tendenz des Rückzugs auf
traditionelle theologische Positionen auf der Leitungsebene der EKD entspricht
und die konservativen Stimmen die theologische Konzeption im Dialog bestimmen.
Aus anfänglichen Grenzgängern sind Grenzwächter geworden“ (S. 89). Dabei ist zu
berücksichtigen, dass das, was für den christlich-islamischen Dialog gilt, auch
die jüdische Seite besonders in der Christologie und in der Mission mit
betrifft. In manchen – auch offiziell-kirchlich-theologischen Äußerungen bis in
die Gegenwart – zeigt sich jedoch noch immer der eher verklausulierte Vorwurf
der Ablehnung Jesu als Messias und des kompliziert anzusehenden Christuszeugnisses
gegenüber den Juden. Allein die Evangelische Kirche im Rheinland hat den
Gedanken der Judenmission konsequent ad
acta gelegt. Oertel bezieht sich dazu auf den rheinischen Synodalbeschluss
von 1980 und das daraus abgeleitete Weiterdenken im Verhältnis von Christen und
Juden im Jahre 2009.
Dialog
ja, aber bitte nicht auf der Ebene der Gleich-Wertigkeit der Religionen. Die
kirchlichen Abgrenzungsmechanismen führt Oertel letztlich an der Trinitätslehre
vor. In den neutestamentlichen Aussagen lassen sich zwar triadische Aussagen
entdecken, aber keine Trinität. Vielmehr spielt die heilsgeschichtliche
Bedeutung Jesu die zentrale Rolle. Die Verbindung der Christologie mit der
Trinität und deren Dogmatisierungen sind das Ergebnis eines kirchlichen Rezeptionsprozesses,
für die die Synoden von Nicäa (325) und Konstantinopel (381) als
Orientierungsmarken stehen.
Wilfried
Oertel „rahmt“ seine hoffnungsvollen praktischen und seine dogmatisch
kritischen Überlegungen mit künstlerischen Impulsen ein – im Sinne von
Visionen. Sie stammen von der israelischen Künstlerin Tova Heilprin mit der Skulptur „One“ und dem zukunftsträchtigen
Ausblick auf Kirche und Minarett in Chania (Kreta). Das im Bild erkennbare
Baugerüst am Minarett wird zum Symbol und zur Hoffnung für Baufortschritte im
christlich-islamischen Dialog trotz aller Störmanöver aus dogmatisch
abgesicherten Trutzburgen beider Religionen. Oertels Buch schlägt dazu eine
klärende Schneise.
Reinhard Kirste
Reinhard Kirste
Anmerkungen
1) Das von der
Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) koordinierte Projekt ist
inzwischen ausgelaufen. Die meisten Materialien sind jedoch weiter erhältlich: http://www.oekumene-ack.de/Meldung.49.0.html?&no_cache=1&tx_ttnews[tt_news]=418&tx_ttnews[backPid]=7
– eine Dokumentationsstelle der EKD – in: EZW-Texte 202 (2009): http://www.ekd.de/ezw/Publikationen_1935.php
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