Thörner, Katja: William James' Konzept
eines vernünftigen Glaubens auf der Basis religiöser Erfahrung.
Münchener philosophische Studien, NF Bd. 29.
Stuttgart: Kohlhammer 2011, 240 S., Register
zugleich Diss. 2009/2010
an der Hochschule für Philosophie,
Philosophische Fakultät SJ, München
--- ISBN 978-3-17-021718-8 ---
eines vernünftigen Glaubens auf der Basis religiöser Erfahrung.
Münchener philosophische Studien, NF Bd. 29.
Stuttgart: Kohlhammer 2011, 240 S., Register
zugleich Diss. 2009/2010
an der Hochschule für Philosophie,
Philosophische Fakultät SJ, München
--- ISBN 978-3-17-021718-8 ---
Ausführliche Besprechung
Die hier
vorliegende Dissertation bezieht sich schwerpunktmäßig auf einen
philosophischen Bestseller aus dem Anfang des 20. Jahrhunderts: „The Varieties
of Religious Experience“ sowie „The Principles of Psychology“ von William James
(1842-1910), der mit seinen philosophischen Vorlesungen insbesondere ein junges
Publikum begeisterte. Hintergrund dieser Begeisterung dürfte die Tendenz in
James‘ Denken gewesen sein, den Dogmatismus in die Grenzen zu verweisen. Das gilt
sowohl für den Theismus wie für einen überbordenden Rationalismus. Denn dieser amerikanische
Psychologe und Philosoph hat sich dadurch einen Namen gemacht, dass er seine
rationalistisch angelegte Welterklärung weder monistisch noch dualistisch
aufbaute, sondern einen metaphysischen Pluralismus favorisierte und mit
religiöser Erfahrung verband. Das wäre dann ein erweiterter Vernunftbegriff,
der mit Überlegungen einhergeht, dass die Welt kein Uni-versum, sondern ein
Multi-versum ist, in dem das Individuum einen entsprechenden Platz findet.
Die Autorin,
Leiterin der Forschergruppe „Religion in bioethischen Diskursen“ an der Ludwig-Maximilians-Universität
München, möchte nun zeigen, „dass James‘ Entscheidung, die Religion von der
Ebene subjektiver Erfahrungen religiöser Individuen her zu betrachten, nicht
als Plädoyer für die Privatheit der Religion zu verstehen ist“. Sie hebt
vielmehr hervor, „dass in James‘ Verständnis des Menschen als einem sich selbst
überschreitenden Individuum ein zentraler Schlüssel für das religionsphilosophische
wie das metaphysische Denken von James liegt“ (S. 17). Sein Interesse zeigt
sich darin, aus metaphysischen Vorgaben und der Pluralität der Erfahrungen die
Realität eines personalen Gottes in Betracht zu ziehen. Damit erweitert er
einen eingegrenzten Vernunftbegriff so, dass religiöses Leben und entsprechende
Überzeugungen des Glaubens sich auch rationalen Nachfragen stellen müssen, ohne
religiöse Erfahrungen auszublenden.
In fünf
Schritten versucht Katja Thörner nun, die durchaus divergierenden Elemente
„vernünftiger Glaube“ und „religiöse Erfahrung“ so miteinander in Verbindung zu
bringen, dass zum einen ethisch-existentielle Aspekte in den Vordergrund kommen
und sich Glaube sowohl „vernünftig“ wie vom Willen her beschreiben lässt. Sie
untersucht darum besonders ausführlich James‘ empirische Grundlagen des Glaubens,
und zwar im Blick auf das Selbst und das Ich. Schließlich zeigt sie an der
Kritik, die James gegen den (verderbten) Intellektualismus vorbringt, dass der
Weg zu einem endlichen Gottesverständnis in ein pluralistisches Universum gehört.
Bei aller Personalität Gottes wird allerdings nicht nur eine pluralistische
Weltanschauung bei James sichtbar, sondern zugleich ein pluralistischer
Pantheismus, der allerdings unterschiedlich und durchaus begrenzt in
Erscheinung tritt. Katja Thörner hebt dazu als Erstes die ethisch-existentielle
Dimension des religiösen Glaubens heraus, der eine vernünftige theistische
Rechtfertigung braucht, um in „Faith“ eine Verbindung zwischen Wissenschaft und
religiösem Glauben willentlich herzustellen. Ferner gewinnt die „Konstruktion“
einer empirischen Grundlage des Glaubens ein erhebliches Gewicht. Dies
geschieht im Kontext von „stream of thought“ und einem empirischen, sozialen
und spirituellen Selbst – im Gegenüber zu einem konsequenten Idealismus. Dies
erlaubt ein personales Selbst auszubilden ohne substantiellen Seelenbegriff,
aber mit supranaturalistischer Weltanschauung. Im nächsten Schritt wird die Religion
der „Einmalgeborenen“ („once born“ = „healthy mindedness“) gegenüber den durch
Konversion hervortretenden „Zweimalgeborenen“ („twice born“) aufgebaut (S.
153f). Letztere führen einen Selbstwandel herbei, ohne allerdings die Übel der
Welt beseitigen zu können.
Hier würde
wirklich interessieren, ob es eine religionsphilosophische Verbindung nach
Indien und in die griechische Mythologie gibt: Auf der ideologischen Ebene
zählen nämlich nur die drei ersten „Varnas/Kasten“ zu den „Zweimalgeborenen“,
weil diese Menschen besondere Qualitäten im Blick auf das Weltgeschehen haben. Ähnliches
gilt übrigens auch von Dionysos, der als Wiedergeburt des Zeus-Sohnes Zagreos
angesehen und mit der Lebenskraft des Weinstocks in Verbindung gebracht wird.
Schließlich
erfahren die LeserInnen in der Kontinuität des James’schen Erfahrungsbegriffs,
wie sich das Absolute zugunsten eines endlichen durchaus personalen Gottes in
einem pluralistischen Universum manifestiert und sich so eine pluralistische
Weltanschauung positionieren lässt.
Sehr
geschickt hat Katja Thörner m.E. die ins Auge fallenden „Ungereimtheiten“ und
„widerstreitenden Optionen“ des James‘schen Konzepts aufgenommen, um
schließlich die Sache auf den Punkt zu bringen: „Die Annahme der Realität
Gottes und damit verbunden die Annahme einer theistisch verfassten Wirklichkeit
im Ganzen ist vielmehr als eine konsequente Anwendung des radikalen Empirismus
zu sehen, der das Phänomen der religiösen Erfahrung (im engeren Sinne der
Umkehr sowie im weiteren Sinne einer fortwährenden Wechselwirkung mit dem
Göttlichen im Gebet) als Erfahrung begreift, in der sich ein neuer Bereich der
Wirklichkeit eröffnet.
Für James ist es rational gerechtfertigt, sich einen helfenden Gott zu wünschen, aber es ist im Wesentlichen die Erfahrung, die Grund für die Annahme seiner Realität liefert“ (S. 221).
Für James ist es rational gerechtfertigt, sich einen helfenden Gott zu wünschen, aber es ist im Wesentlichen die Erfahrung, die Grund für die Annahme seiner Realität liefert“ (S. 221).
Was dieses
Buch für die Theologie und auch für den interreligiösen Dialog so anregend
macht, ist neben religionspsychologischen und religionsphilosophischen
Querverbindungen das von Thörner herausgehobene pluralistische Weltverständnis
von James und seine Kritik am Absoluten/„Absoluten Geist“. Dies erfordert eine
Auseinandersetzung mit den Fragen:
Inwiefern ist die Kraft des Universums wirklich
personaler Natur (vgl. S. 218)?
Und: Könnte sich Personalität gerade angesichts der Komplexität des Universums doch nur als eine relative Hilfskonstruktion herausstellen?
Und: Könnte sich Personalität gerade angesichts der Komplexität des Universums doch nur als eine relative Hilfskonstruktion herausstellen?
Vgl. auch
Klaus Müller: Gott jenseits von Gott. Plädoyer für einen kritischen Panentheismus
Hg. Fana Schiefen. Münster: Aschendorff 2021, 560 S.
Klaus Müller: Gott jenseits von Gott. Plädoyer für einen kritischen Panentheismus
Hg. Fana Schiefen. Münster: Aschendorff 2021, 560 S.
Reinhard Kirste
Rz-Thörner-James, 28.07.12
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