Die bekannte britische Religionswissenschaftlerin
Karen Armstrong (geb. 1944) ist 2013 mit dem renommierten Inaugural Prize For Her Contribution To Global Interfaith Understanding ausgezeichnet worden ("Parliament of the World Religions" /Parlament der Weltreligionen, 3. Juli 2013).
Karen Armstrong (geb. 1944) ist 2013 mit dem renommierten Inaugural Prize For Her Contribution To Global Interfaith Understanding ausgezeichnet worden ("Parliament of the World Religions" /Parlament der Weltreligionen, 3. Juli 2013).
Dies ist ein guter Anlass neben ihren vielen Publikationen zum einen wieder an ihr Buch "Achsenzeit" von 2006 zu erinnern. Dieses umfassende Werk kann gewissermaßen als eine entwicklungsgeschichtliche Basis für interreligiöse Begegnung angesehen werden.
Zum anderen hat sie angesichts sdieser interreligiösen Empathie die "Sache der Compassion" intensiv entwickelt:
Twelve Steps to A Compassionate Life.
Anchor; Reprint Edition 2011, 240 pp
- ISBN-10 : 0307742881 --- ISBN-13 : 978-0307742889
Inhaltsverzeichnis und Leseprobe >>> - vgl. auch:
Karen Armstrong - Dialog als Anteilnahme
Die Achsenzeit.
Vom Ursprung der Weltreligionen.
Aus dem Englischen von Michael Bayer
und Karin Schuler.
München: Siedler Verlag
2006, 624 S., Zeichnungen, 25 Karten, Glossar, Register
ISBN-10-3-88680-856-4 und-13-978-3-88680-856-4
Der Begriff der
„Achsenzeit“ ist im deutschsprachigen Raum wenig zu Hause, wenn man einmal von Karl Jaspers, Jan Assmann, Jürgen
Habermas, Hans Joas und einigen anderen absieht. Im englischsprachigen Raum
arbeiten viele u.a. auch Theologen wie John
Hick viel selbstverständlicher mit dieser „Zeitachse“, die etwa zwischen
900-200 v. Chr. angesiedelt ist und um 500 v. Chr. die religiös-kulturelle Welt
in ungeahntem Maße verwandelt hat. In dieser Phase werden die kriegerischen
Götter droben im Himmel durch die Suche nach Erleuchtung und innerer Weltenüberschreitung
abgelöst.
In der Achsenzeit mit primären und sekundären
„Durchbrüchen“, wie sie etwa Shmuel N. Eisenstadt in Anlehnung an
Karl Jaspers beschreibt, entstehen die großen Weltreligionen in Indien, China
und im Mittelmeer-Raum. Karen Armstrong (geb. 1945), die ehemalige katholische
Nonne, die in Oxford lehrt, gehört zu den renommiertesten englischen
Religionswissenschaftlerinnen, die sich mit ihren Büchern auch für die
verstehende Begegnung der Religionen einen Namen gemacht hat und dazu
religionsgeschichtlich weltweite Entwicklungen spannend nachzeichnet.
Die Feuilletons der Zeitungen tönten beim Erscheinen von
„Die Achsenzeit“ 2006 allerdings wenig begeistert: In der NZZ vom 10.02.2007
machte Hans G. Kippenberg seinem
Missmut Luft, weil er spirituelle Veränderungen weltweit innerhalb dieser
Zeitachse nicht nachvollziehen kann. Der evangelische Theologe Friedrich Wilhelm Graf unterstellt in
der FAZ vom 04.10.2006 der Autorin Unkenntnis und Naivität bei ihrer „Montage“
der verschiedenen Weltkonzeptionen. Karen Armstrong aber wagt in 10 Kapiteln unter
einem systematischen Stichwort nachzuerzählen, wie die religiös-geistigen
Revolutionen die Achsenzeit „schufen“.
1.
Mit
dem Auftauchen der Achsenvölker (ca.
1600 –900 v. Chr.) aus Zentralasien beginnt die weltweite Veränderung.
2.
Ritual (10. Jh. v. Chr.) im
Sinne des Feierns von Mythen macht die spirituelle Veränderung offenkundig.
3.
Kenosis (ca. 800-700) ist die
Zeit der großen Protagonisten und die Umwandlung
in spiritualisierte Praktiken.
in spiritualisierte Praktiken.
4.
Wissen und Erkenntnis – (ca. 700–600) bedeutet
den schmerzhaften Weg,
dargestellt von den Upanishaden bis zum Deuteronmisten
dargestellt von den Upanishaden bis zum Deuteronmisten
5.
Durch
Leiden – (ca. 600–530) führt der
schmerzhafte Weg aus der Krise, b
besonders durch: Unterscheidung (samkhya),
Mitgefühl (moksha) und Gewaltlosigkeit (ahimsa).
besonders durch: Unterscheidung (samkhya),
Mitgefühl (moksha) und Gewaltlosigkeit (ahimsa).
6.
Empathie (ca. 530-450) tritt gegen die gewalttätigen Ausbrüche in
den verschiedenen Regionen an.
7.
Universelle
Fürsorglichkeit (ca.
450–398): Die Goldene Regel und die
Überwindung von Hass und Gewalt,
u.a. durch den Buddha werden maßgebend.
8.
Alles ist eins (ca. 400-300): Es gestaltet sich ein neues Universum,
weil Mitgefühl erlernt wird.
9.
Die
Imperien (ca. 300–220) von Alexander
d. Gr. bis Ashoka: Die Welt als Schlachtfeld
nötigt zum religiösen Wandel, wie besonders die Bhagavad Gita
als letzte große Schrift der Achsenzeit betont.
10. Das Schlusskapitel Wege in die Zukunft
zeigt die wirkungsgeschichtlichen Fortsetzungen
nötigt zum religiösen Wandel, wie besonders die Bhagavad Gita
als letzte große Schrift der Achsenzeit betont.
10. Das Schlusskapitel Wege in die Zukunft
zeigt die wirkungsgeschichtlichen Fortsetzungen
dieser geistigen und religiösen
Veränderungen:
Jesus (S. 510ff) und Mohammed (S. 513ff).
Jesus (S. 510ff) und Mohammed (S. 513ff).
Wenn für manchen erstaunlich Jesus und Mohammed außerhalb
von Karen Armstrongs Zeitraster der Achsenzeit liegen, so sind sie doch
unmittelbar in die Wirkungsgeschichte dieser Phase eingebunden und verlängern
sie gewissermaßen in weitere Zeitepochen. Auch Armstrongs Kritiker können nicht
leugnen, dass sich zwischen dem neunten und dem zweiten Jahrhundert vor
Christus vom Mittelmeer bis zum Fernen Osten religiöse und philosophische
Traditionen herausbildeten, die bis heute unser Denken beeinflussen und unsere
ethischen Orientierungen weltweit steuern. In dieser Achsenzeit entwickeln sich
die großen Glaubensrichtungen: der Hinduismus reformiert sich, Jainismus und Buddhismus
entstehen, Taoismus und Konfuzianismus werden in China wirksam, in Griechenland
orientiert sich die Philosophie an der Vernunft und der Monotheismus gewinnt im
Nahen Osten beherrschende Gestalt. Indem Armstrong ausführlich auf Buddha,
Sokrates, Konfuzius und die alttestamentlichen Propheten seit dem 8.
Jahrhundert eingeht, kann sie gerade an diesen „Persönlichkeiten“ zeigen, dass diese
nicht eine absolute Wahrheit propagierten, sondern die Annäherung an die
Wahrheit im Tun realisiert sahen. So wurden schließlich Mitgefühl und Toleranz
zu den wichtigsten Tugenden gezählt. Die Achsenzeit ist also durch Revolutionen zur Gewaltlosigkeit geprägt,
die durch Demut angesichts der Transzendenz auffallen.
„Was wirklich zählte,
war nicht, was man glaubte, sondern wie man sich benahm. Religion war ein Tun,
das einen zutiefst zu ändern vermochte. … Ins Zentrum des spirituellen Lebens
rückte nun die Moral. Der einzige Weg, dem zu begegnen, was sie »Gott«,
»Nirwana« oder den »Weg« nannten, war es, ein Leben im Zeichen des Mitgefühls
zu führen. Tatsächlich war Religion Mitleid und Mitgefühl“ (S. 10–11).
Karen Armstrong
Abhandlung leistet also mehr als eine Ideengeschichte der Weltreligionen,
sondern sie plädiert engagiert, die Kraft der Ursprünge unseres Glaubens,
unserer Philosophie und Moral wieder zu entdecken. Von daher kann man durchaus
weiter fragen, ob solche Achsenzeiten erneut auftreten können. Es könnte sich
als spannend erweisen, die religiöse Weltgeschichte bis in unsere Zeit
daraufhin zu überprüfen.
Gerade weil in
Deutschland der Umgang mit der These „Achsenzeit“ immer noch ziemlich unbekannt
ist oder als wirklichkeitsfremd und historisch unsachlich abgewiesen wird, lohnt
es sich, dieses Buch wieder ins Gedächtnis zurückzurufen und die Auseinandersetzung
erneut zu motivieren.
Reinhard Kirste
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