Holger Sonnabend: Götterwelten.
Die Religionen der Antike.
Darmstadt: Theiss (WBG)
2014, 192 S., Abb., Zeittafel
--- ISBN 978-3-8062-2635-5 ---
Kurzrezension: hier
Ausführliche Beschreibung
Die Religionen der Antike.
Darmstadt: Theiss (WBG)
2014, 192 S., Abb., Zeittafel
--- ISBN 978-3-8062-2635-5 ---
Kurzrezension: hier
Ausführliche Beschreibung
Der
Althistoriker Holger Sonnabend ist als Gesamtleiter der Ausstellung „Imperium
der Götter“ (Nov. 2013 bis Mai 2014) in Karlsruhe und als Herausgeber des dazu
gehörigen opulenten Ausstellungskatalogs in das Blickfeld einer größeren Öffentlichkeit
getreten (1).
Mit seinem neuen Buch bringt er eine Art Fortsetzung und geht mehr erzählend den einflussreichsten religiösen Traditionen der Antike nach. Bis auf Judentum und Christentum haben diese „alten“ Religionen letztlich nicht überlebt, aber ihre Wirkungen sind bis heute zu spüren.
Ich würde allerdings die bis heute existierende Zarathustra-Religion mit ihrem einflussreichen dualistischen Denkgebäude dazu zählen. Die Zoroastrier haben immerhin weltweit etwa 120.000 Anhänger.
Mit seinem neuen Buch bringt er eine Art Fortsetzung und geht mehr erzählend den einflussreichsten religiösen Traditionen der Antike nach. Bis auf Judentum und Christentum haben diese „alten“ Religionen letztlich nicht überlebt, aber ihre Wirkungen sind bis heute zu spüren.
Ich würde allerdings die bis heute existierende Zarathustra-Religion mit ihrem einflussreichen dualistischen Denkgebäude dazu zählen. Die Zoroastrier haben immerhin weltweit etwa 120.000 Anhänger.
Sonnabends gut zu lesende Darstellung ermöglicht auch einen vergleichenden Blick, der durch teilweise
sehr bekannte Abbildungen -– sowie Karten verdeutlicht wird. Dadurch offenbaren
sich erstaunliche Affinitäten und Gemeinsamkeiten zwischen Ägyptern, Griechen,
Römern und den alten mesopotamischen Götterkulten. Sehr praktisch sind die immer
wieder eingestreuten Info-Kästen, die vertiefendes Material liefern. Dennoch
gibt es bei aller Vielfalt m.E. ein übergreifendes Gesamtthema, das sich in
diesem Kontext zeigt, nämlich die Suche des Menschen nach Erlösung angesichts
des Übergangs vom Leben zum Tod.
Holger
Sonnabend beginnt mit der Religion der
Griechen. Er zeigt, wie sich die Götterwelt im Süden Europas entwickelte
und die hierarchische Gesellschaft faktisch abbildete. Aber die Religiosität veränderte
sich erheblich in der späteren Zeit, dem Hellenismus. Das führt sogar zu einer
Art Entmythologisierung, wie sich in der Auseinandersetzung mit der Philosophie
bis hin zu Epikur ablesen lässt. Die Urteile des Aurtors – nicht nur bei den
Griechen – fallen meist recht eindeutig aus, z.B.: „Religion ohne Tiefgang“ bei
den klassischen Göttern (S. 21) und „mit Tiefgang“ bei den Mysterienkulten (S.
22).
Dann springt
der Autor zurück, und zwar in die Geschichte
des Judentums mit seinem in der späteren Zeit elitär erscheinenden
Monotheismus. Er benennt die einzelnen Epochen, die er nach dem derzeitigen
Forschungsstand zum Alten Testament, vorstellt, und zwar von den Stammvätern
Abraham, Isaak und Jakob bis zur Diaspora nach der Zerstörung des Tempels im Jahre
70 n.Chr.
Bei der Religion der Ägypter lockt den Autor
offensichtlich die Herausarbeitung typischer Merkmale wie der Jenseitsglaube
und der damit verbundene umfassende Totenkult der altägyptischen Religion. Aber
er geht auch der Phase um Echnaton mit dem ersten Durchbruch des Monotheismus
intensiver nach und thematisiert damit etwas ausführlicher die gesamte Amarnazeit
des 14./13. Jhs. v. Chr., natürlich mit Erwähnung der berühmten Nofretete.
Zeitlich
noch weiter zurück geht es bei den religiösen
Traditionen der Sumerer und Babylonier.
Es ist nicht ganz leicht, die Grundzüge angesichts des vielgestaltigen
Götterpantheons im Zweistromland knapp zu systematisieren. So spitzt sich Sonnabends
Bericht darum auf Ischtar und Marduk zu. Im damit zusammenhängenden
Königs-Priestertum hebt der Autor die Verbindung von religiöser, politischer
und wirtschaftlicher Macht der Tempelhierarchien hervor. Natürlich hätte man in
diesem Kontext auch gern noch etwas über Hethiter und Akkader und doch mehr
über und die religiös-gesellschaftlichen Unterschiede zwischen Alt-Babyloniern
und Neubabyloniern erfahren. Dass babylonische Mythen die biblische Tradition
beeinflusst haben, ist in diesem Zusammenhang ein wichtiges, die Religionen
übergreifendes Element.
Ausführlich
beschreibt Sonnabend die Religion der
Römer. Sie erscheint ihm epigonenhaft, weil sie eine Art Fortsetzung
„light“ der Götter Griechenlands darstellt: „Religion war für die pragmatischen
Römer eine geschäftsmäßige Angelegenheit, gemäß dem lateinischen Grundsatz
>Do ut des< - >Ich gebe, damit du gibst<“ (S. 91), und mit dem
Ziel, nicht mit den Göttern in Konflikt zu geraten. Auch hier hängen Religion
und soziale Rangfolge eng zusammen. Natürlich ist die römische Religion auch
durch andere Einflüsse der Mittelmeerwelt geprägt worden, man denke an die
Etrusker, an den beim Militär beliebten Mithraskult oder die Verehrung der
„Großen Mutter“. In diesem Kapitel ist auch Platz, näher auf die Gänse auf dem
Kapitol und die Vestalinnen, die Priesterinnen und Hüterinnen des Heiligen
Feuers, einzugehen.
In den
zeitlichen Rahmen des Römerreiches seit der Zeitenwende passt nun auch die Religion der Kelten, deren Kultur im 6.
Jh. v. Chr. beginnt und bis in das 4. Jh. n.Chr. reicht. Es ist eine
erstaunliche Kulturwanderung, die quasi im kleinasiatischen Pergamon beginnt, über
das gallische Alesia (bei Alise-Seinte-Reine, Burgund) bis auf die Britischen
Inseln reicht und irgendwie in den Druiden bis heute fortlebt. Natürlich werden
in diesem Zusammenhang die Entdeckungen am hessischen Glauberg entsprechend
gewürdigt.
Die Religion der Germanen schließt sich
inhaltlich ebenfalls gut an das Kelten-Kapitel an. Auch hier merkt man einen
Forschungsschwerpunkt von Sonnabend, der besonders auf die „crosscultural“ Ebene
von germanischen und römischen Göttern eingeht und damit die Zeit vom 2. Jh. v.
Chr. bis ins 4./5. Jh. n. Chr. Etwas genauer analysiert – mit dem Ergebnis:
„Auf jeden Fall aber teilten die Germanen ein typisches Element antiker
Religiosität: Sie glaubten an ein Pantheon von göttlichen Mächten, die
arbeitsteilig die irdischen Geschicke lenkten“ (S. 153).
Wie ist nun
hier das antike Christentum
einzuschätzen, das den Germanen mit mehr oder minderer Gewalt aufgezwungen
wurde und in mancher Symbolik weiterlebt? Sein missionarischer Charakter ist
überdeutlich und unterscheidet sich darum faktisch von den bisherigen durchaus
„kompromissbereiten“ Religionen, sofern nur den Staatgöttern einigermaßen
Respekt gezollt wurde. Der klar durchstrukturierte Durchgang Sonnabends führt
von der Geburt, dem (historischen) Leben, Sterben und Weiterwirken der
Botschaft Jesu zu einer nach den Christenverfolgungen aufsteigenden (staatlich
sanktionierten) globalen Erlösungsreligion. Sie wurde wesentlich durch Paulus
und die sog. Kirchenväter vorangetrieben. Das alles konnte jedoch das
Auseinanderbrechen der östlichen und westlichen Kirchentümer nicht aufhalten,
eine Entwicklung, die seit der Teilung des Römischen Reiches in Ostrom und
Westrom im Jahre 395 schnell voranschritt.
Bilanz:
Eine Religionsgeschichte des antiken Mittelmeerraumes
und angrenzender Gebiete bildintensiv und sachgemäß auf knapp 200 Seiten zu
beschreiben, ist faktisch unmöglich. Manches in der Darstellung Sonnabends wirkt
darum holzschnittartig verkürzt. Bestimmte Entwicklungen – wie z.B. die Gnosis –
mussten faktisch ausgeblendet werden. Insgesamt gelingt dem Autor jedoch ein farbiges Religionen-Bild unserer
Vorgänger-Religionen, wie sie sich im Mittelmeerraum, aber auch im mittleren
und nördlichen Europa entwickelt haben.
Hier ist eine
neugierig machende Lektüre für alle diejenigen gelungen entstanden, die die Brennpunkte
und Entwicklungs-Schübe antik-religiöser Glaubensformen und Traditionen auch im
Blick auf heutige Religiosität bedenken möchten.
(1) Imperium der Götter: Isis – Mithras
– Christus. Kulte und
Religionen
im Römischen Reich --- Rezension: hier
im Römischen Reich --- Rezension: hier
- Anregungen für den Unterricht: Auf dem Olymp mit Zeitreise.
Stuttgart: Klett 2010 --- Griechische Götter: hier - Jan Assmann: Echnaton und das Trauma des Monotheismus
(Welt und Umwelt der Bibel 4, 2001, S. 19-25) - Die Büste der Nefertiti (Nofretete), Gemahlin Echnatons:
--- Zu schön, um wahr zu sein ---
Le buste de Néfertiti, trop beau pour être vrai
(Isabelle Grégor, Herodote.net, 14.06.2021)Büste der Nofretete -
Neues Museum Berlin,
Ägyptische Abteilung (Wikipedia)
Echnaton/Akhenaten - Ägyptisches Museum Kairo - (wikipedia.en) |
Reinhard Kirste
Rz-Sonnabend-Götter,
24.08.14 und 16.06.2021
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