Paul M. Zulehner:
Mitgift. Autobigrafisches anderer Art.
Ostfildern: Patmos (Schwabenverlag)
2014, 296 S., Abb., Lebenslauf
--- ISBN 978-3-8436-0542-7 ---
Mitgift. Autobigrafisches anderer Art.
Ostfildern: Patmos (Schwabenverlag)
2014, 296 S., Abb., Lebenslauf
--- ISBN 978-3-8436-0542-7 ---
Ausführliche Besprechung
Schon der Titel dieses Buches ist ungewöhnlich – Mitgift. Es kommen sofort zwei sehr unterschiedliche Wortbedeutungen in den Sinn: die Mitgift als Brautgabe, ein besonderes Geschenk für ein gemeinsames Leben. Aber es kommt auch schnell die Assoziation bei der Worttrennung auf: Mit-Gift. Wer die theologische Laufbahn des katholischen Theologen Paul Zulehner etwas verfolgt hat, wird entdecken, dass er beides erlebt hat Gnadengeschenke, aber auch bösartige (vatikanische) Anfeindungen. Das wirft auch Schatten auf eine Kirche, die sich doch der göttlichen Wahrheit und der Frohen Botschaft des Heils verschrieben hat. Kein Wunder also, dass dieses sehr persönliche Buch des Autors keine Biografie im üblichen Sinn ist, sondern eine Art Zwischenbilanz, die zugleich erlebte Kirchengeschichte widerspiegelt.
Schon der Titel dieses Buches ist ungewöhnlich – Mitgift. Es kommen sofort zwei sehr unterschiedliche Wortbedeutungen in den Sinn: die Mitgift als Brautgabe, ein besonderes Geschenk für ein gemeinsames Leben. Aber es kommt auch schnell die Assoziation bei der Worttrennung auf: Mit-Gift. Wer die theologische Laufbahn des katholischen Theologen Paul Zulehner etwas verfolgt hat, wird entdecken, dass er beides erlebt hat Gnadengeschenke, aber auch bösartige (vatikanische) Anfeindungen. Das wirft auch Schatten auf eine Kirche, die sich doch der göttlichen Wahrheit und der Frohen Botschaft des Heils verschrieben hat. Kein Wunder also, dass dieses sehr persönliche Buch des Autors keine Biografie im üblichen Sinn ist, sondern eine Art Zwischenbilanz, die zugleich erlebte Kirchengeschichte widerspiegelt.
Den Fokus setzt
Zulehner auf Arbeit und Lieben. Er
nimmt dazu die Musik als Vergleichspunkt: Presto
des Arbeitens, Menuett des Liebens, Lento
in der Gegenwart („Wofür ich stehe und einstehe“), und die noch ausstehende
Coda, „Die Unvollendete“, deren
Abschluss der Autor sieht, wenn er dann zum eigentlichen Komponisten seines
Lebens gehen wird (S. 15). So ist auch das Buch mit dem entsprechend vierfach gegliedert.
Der „Biograf“ bezieht sich dabei in seinen Reflexionen gern auf Schriftsteller,
die ihm offensichtlich Orientierung gaben und geben: Rainer Maria Rilke, Günter Anders, Brigitte Schwaiger (S. 199–207), Dorothee
Sölle und Marie Luise Kaschnitz. Aber auch die Begegnung mit den Künstlern
gehört zu seinen wichtigen Lebensinhalten.
Insgesamt breitet der Autor spannende, heitere und nachdenklich machende
Geschichten vor den LeserInnen aus. Sie sind nicht nur ganz persönlich geprägt,
sondern eröffnen auch viele (weniger bekannte) kirchliche Hintergrundinformationen
...
Zulehner
wurde am 20.12.1939 in einem Vorort von Wien geboren. Sein „wissenschaftliches
Leben“ begann mit dem Studium der Theologie und Philosophie in Innsbruck,
Konstanz und München. Entscheidend war für seine weitere Entwicklung die
Begegnung mit Karl Rahner, zu dessen Schülern er gehörte. 1964 wurde er zum
Priester geweiht und arbeitete auch als Gemeinde-Kaplan und gleichzeitig im
Wiener Priesterseminar. 1974-1976 machte er Lehrstuhlvertretungen an den Universitäten
Bamberg und Passau. Die letztere berief ihn 1975 zum ordentlichen Professor, wo
er bis 1984 blieb. Hier begann auch seine intensive Arbeit im Bereich der Seelsorge
und der theologisch-pastoralen Beratung der Passauer Bischöfe Antonius Hofmann
und Franz X. Eder. Dies war eine beachtliche reformerische Tätigkeit – ganz im
Sinne des 2. Vatikanischen Konzils. In Passau entstanden wichtige Arbeiten und
Analysen zu kirchensoziologischen und pastoraltheologischen Themen. Seine
Schwerpunktforschungen im Bereich von Religion, Religiosität, Sinn-, Norm- und
Wertefragen (gerade auch bei Jugendlichen) führten ihn auch immer wieder für
längere Zeit ins Ausland. Der Prozess der pastoralen
Entwicklung im Bistum Passau wurde allerdings im Jahre 2003 auf höchst unrühmliche
Weise durch Bischof Wilhelm Schraml aufgekündigt (S. 132–138), der übrigens dann
auch Franz-Peter Tebarz van Elst, den späteren Bischof von Limburg, zu seinen
Beratern erkor.
Zulehner sieht seine Berufung 1984 auf den Lehrstuhl für Pastoraltheologie der Universität in Wien als einen Glücksfall an, weil sich hier Forschung, die Vermittlung an die Studierenden und praktische Begleitung kirchlicher Entwicklungen in Österreich sinnvoll miteinander verbinden ließen. Von 2000 bis 2007 war er auch Dekan der Katholisch-Theologischen Fakultät der dortigen Universität und wurde 2008 emeritiert. Er begleitet und berät aber weiterhin verschiedene Gremien so die oberösterreichische Forschungsgruppe „Academia Superior“, ein Think Tank für die Zukunftsforschung.
Zulehner sieht seine Berufung 1984 auf den Lehrstuhl für Pastoraltheologie der Universität in Wien als einen Glücksfall an, weil sich hier Forschung, die Vermittlung an die Studierenden und praktische Begleitung kirchlicher Entwicklungen in Österreich sinnvoll miteinander verbinden ließen. Von 2000 bis 2007 war er auch Dekan der Katholisch-Theologischen Fakultät der dortigen Universität und wurde 2008 emeritiert. Er begleitet und berät aber weiterhin verschiedene Gremien so die oberösterreichische Forschungsgruppe „Academia Superior“, ein Think Tank für die Zukunftsforschung.
Das 2.
Vatikanische Konzil dürfte „das“ Schlüsselerlebnis gewesen sein, dessen
spirituelle Aufbruchskraft der Katholischen Kirche einen Glaubwürdigkeitsschub
gab, in dem Mystik, Moral und Politik eine hoffnungsvolle Verbindung für eine
Kirche mit Zukunft eingingen. Der 3. Satz Zulehners: „Lento: Wofür ich stehe und einstehe“ ist davon intensiv geprägt. Allerdings
ist inzwischen vieles wieder in sich zusammengesunken (S. 10). Aber mit Papst
Franziskus keimt neue Hoffnung auf.
Überblickt man dieses autobiografische Mosaik, so spüren die
Lesenden, dass der als liberal und links immer wieder diskreditierte Zulehner
zu den herausragenden Theologen in der Weiterentwicklung des 2. Vatikanums
gehört. Er forderte ernsthaft grundlegende Veränderungen des Priesterberufs mit
dem Pflichtzölibat, das er an sich selbst problematisch genug erfuhr. Gerade
darum bedachte er Alternativen für eine
zukunftsorientierte Kirche, stärkte immer wieder die katholischen Frauengruppen
und hatte ein freundlich-entspanntes Verhältnis zu den Kirchenaufbrüchen von
„Wir sind Kirche“, eine Kirchenvolksbewegung, der die offizielle Amtskirche
weiterhin höchst abweisend entgegensteht. Angesichts seines kontinuierlichen, mutigen
Eintretens für eine sich reformierende Kirche hat Zulehner u.a. Kardinal Franz König
(1905-2004) als einen Vertrauten und den ehemaligen Bischof von Limburg, Franz
Kamphaus, als Freund erfahren dürfen. Besonders belastet haben ihn
offensichtlich die (verdeckten) Angriffe von Kardinal Meisner und der Fürstin
Gloria von Thurn und Taxis.
Zulehner gehört damit in die Reihe derer, die mehr für die
Glaubwürdigkeit der Kirche (nicht nur der katholischen) getan haben als jene
sog. Bewahrer und vatikanischen Bremser, die nicht an überkommenen Strukturen
rütteln wollten: „So galt es, einen Weg zu finden, auf dem Menschen, die Gott
für seine Kirche beansprucht, in letzter Einsamkeit vor Gott stehend eben die
Frage stellen: >Gott, was traust du mir zu, damit die Kirche, der du mich
hinzugefügt hast, lebendig ist und handeln kann?<“ (S. 127). Und so stellt
er bescheiden seine vorläufige Lebensbilanz als Fragment dar: „Es gehört zu den
schmerzlichen Einsichten meiner Lebensevaluierung, dass vieles ein Fragment
geblieben ist. Das betrifft das Arbeiten wie das Lieben“. Aber es tröstet ihn,
„dass gerade große Komponisten Unvollendetes hinterlassen haben“ (S. 290f). Als
einer, der gelernt hat, mit dem Mangel zu leben, geht er hoffnungsvoll dem
finalen Empfang bei Gott entgegen … Ein faszinierendes Buch!
Reinhard
Kirste
Im Horizont der Bilanzierung von Paul Zulehner - aktuelles Schlaglicht -
Zum Verstehen der deutschen Situation - im Horizont der Veränderungen in Lateinamerika
Stefan Silber: "Siguendo Alemania" (spanisch)
(Religión Digital 2023, mit Fotobeispielen - über academia.edu, abgerufen 09.08.2023):
Zum Verstehen der deutschen Situation - im Horizont der Veränderungen in Lateinamerika
Stefan Silber: "Siguendo Alemania" (spanisch)
(Religión Digital 2023, mit Fotobeispielen - über academia.edu, abgerufen 09.08.2023):
Weiter durch Deutschland: 'Wozu ist die Kirche noch da? ---
Um die religiöse Situation in Deutschland zu erörtern, äußert sich hier Stefan SILBER
Professor für Dogmatik und Fundamentaltheologie an der Universität Vechta
Er war jahrelang als Laienmissionar in Bolivien tätig
und hat sich sehr für die pastorale und theologische Lehre in Cochabamba engagiert.
Er war jahrelang als Laienmissionar in Bolivien tätig
und hat sich sehr für die pastorale und theologische Lehre in Cochabamba engagiert.
relpäd/Zulehner-Mitgift, 31.10.14, bearb. 09.08.2023
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