Roger Lenaers:
Jesus von Nazareth,
ein Mensch wie wir?
Jesus von Nazareth,
ein Mensch wie wir?
Kleve: Edition Anderswo
2015, 156 S.
--- ISBN 978-3-935861-38-0
2015, 156 S.
--- ISBN 978-3-935861-38-0
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- Roger Lenaers (wikipedia)
Ausführliche Beschreibung
Der flämische, bei Innsbruck lebende Philosoph, Theologe, Altphilologe und
Jesuit (1925-2021) hat in seiner unkonventionellen und kirchenkritischen
Denkart vieles veröffentlicht. Einige Bücher von ihm sind auch auf Deutsch
erschienen. Seine Auftritte und Publikationen haben bei manchen eher dogmatisch
orientierten Kirchenchristen Protest und auch bei der katholischen Hierarchie
erhebliches Stirnrunzeln hervorgebracht. Es geht diesem Jesuiten nämlich darum,
die Säkularisierung ernst zu nehmen, das heißt auch, von einem Gottesbild
Abschied zu nehmen, das immer noch meint, Gott irgendwie im Himmel verorten zu
können. Im Buch „Der Traum des Königs
Nebukadnezar“ (2005) geht es darum, aus dem Gegensatz zwischen
Naturwissenschaft und religiösem Glauben herauszukommen.
„In Gott leben ohne
Gott“ (2011) spitzt er diese Tendenz noch zu. Gott ist kein außerkosmischer Gesetzgeber,
sondern wird als grundlegende Liebe („Urliebe“) erfahren, die sich im eigenen ethischen
Verhalten auswirkt.
In ähnliche Richtung weist „Gläubiger
Abschied von der Religion“ (2012). Dort macht Lenaers deutlich, dass er als
Theologe traditionelle Gottesbilder bewusst hinter sich lässt. Diese Art von
Gottlosigkeit (im Sinne Dietrich Bonhoeffers) führt aber dazu, den eigenen
„a-theistischen“ Glauben zu intensivieren.
Vgl. die Rezensionen:
- Der Traum des Königs Nebukadnezar
oder das Ende der mittelalterlichen Kirche (2005) - In Gott leben ohne Gott (2011)
Mit seinem neuesten Buch bedenkt Lenaers dieses „Gottesbild“ im Sinne eines
göttlich-menschlichen Liebesverhältnisses, wie es in der Lebensgeschichte Jesu
zu Ausdruck kommt. Er greift dazu folgende „Stationen“ auf: Geboren von einer
Jungfrau, gelitten und gekreuzigt unter Pontius Pilatus, am Kreuz hingerichtet und
begraben, am dritten Tag vom Tod auferstanden. Dies alles ist geprägt von
mythologischem Denken. Im Sinne einer „modernen“ Interpretation der alten Texte
versteht er Jesus darum nicht als vom Himmel herabgekommenen Gottessohn. Er
möchte aber auch nicht von einer mystischen Freundschaft reden, die über den
Tod hinausgeht.
Mit seinen Rückgriffen auf die umfangreiche Leben-Jesu-Forschung erinnert
der Autor an Albert Schweitzers berühmtes Buch von 1906/1913. Ihn schätzt der
Jesuit wegen dessen Zurückhaltung über das, was man historisch über Jesus
aussagen kann. Insgesamt wirkt bei Lenaers sehr deutlich das
Entmythologisierungsprogramm Rudolf Bultmanns nach, verbunden mit einer
„existentialen Interpretation“, die Jesus als besondere Persönlichkeit hervorhebt,
um ihn auch für den heutigen Menschen „attraktiv“ zu machen..
(Vgl.: Rudolf Bultmann -Die Entmythologisierung der neutestamentliche Verkündigung
als Aufgabe [Vortrag 1941], zuerst in: Kergma und Mythos [KuM], Bd. 1 / 1948, S. 15–48).
als Aufgabe [Vortrag 1941], zuerst in: Kergma und Mythos [KuM], Bd. 1 / 1948, S. 15–48).
So lässt Lenaers historisch gesicherte und mögliche Ereignisse sowie
legendarische und mythologische Elemente aus den Evangelien und der neutestamentlichen
Briefliteratur kritisch Revue passieren. Diese sind in der neutestamentlichen
Forschung schon lange bekannt – vielleicht noch nicht bis zu jedem
Kirchenchristen vorgedrungen. Für den säkular geprägten Zeitgenossen und viele
aufgeschlossenen Christen inzwischen ist es natürlich geradezu
selbstverständlich, den mythischen Hintergrund vieler biblischer Geschichten
auszublenden.
Das gilt besonders für die katholischerseits dogmatisierte Jungfräulichkeit
Mariens, die sich schon durch die ältesten Texte des Neuen Testaments nicht
halten lässt. Das gilt weiter für Jesu Wunder und die Geschichten um seine Auferstehung
– in der Spannung von Erscheinungen und leerem Grab. Die symbolische Ebene des
Johannes-Evangeliums erleichtert ihm, die Botschaft Jesu genauer zu hören. Das
führt bei ihm allerdings dazu, die historischen Zusammenhänge gerade in der
johanneischen Leidensgeschichte Jesu nicht genügend zu beachten. Noch
zugespitzter formuliert Lenaers sein Resümee der Wundergeschichten: „Ausgedachte
Erzählungen“ (S.87). Das erscheint mir als eine zu starke Rationalisierung der
tatsächlichen Wirkungen des Wanderpredigers Jesus. Spannender ist darum Lenaers
„Abschied“ von Sühne- und Versöhnungsvorstellungen, wie sie Kirche und
Theologie Jahrhunderte lang propagiert haben. Sie haben damit dem Christentum
ein Bild vermittelt, das im Kontext von Blut und Strafe „Gottes alles
hervorbringende Liebe“ (S. 97) nicht mehr zur Sprache bringt. Was schließlich
die Auferstehung Jesu betrifft, da hatte längst Rudolf Bultmann eine auf das Heute
bezogene Interpretation ins Spiel gebracht: „Jesus ist ins Kerygma (sc. in dei Verkündigung von Jesus)
auferstanden".
(Vgl.: Das Verhältnis der urchristlichen Christusbotschaft
zum historischen Jesus. Heidelberg 1960).
zum historischen Jesus. Heidelberg 1960).
Lenaers bietet im Grunde eine Variante dieser Auslegung: Die Erscheinungen
Jesu gegenüber seinen Jüngern sind keine Halluzinationen, sondern schaffen bei
den Nachfolgern eine neue Wirklichkeit: „Jesus lebt schöpferisch (weiter) trotz
seines Todes am Kreuz (S. 135). Auferstehung bedeutet dann „Einswerden mit der
Urliebe [sc. Gottes], und so erstehen auch wir mit ihm zum endgültigen Leben“
(S. 145). Diese Formulierung hat durchaus mystischen Klang. Gegenüber dem
inneren Erfahrungsschatz der Mystiker, der „Gottesfreunde“, wie sie sich
teilweise im Mittelalter nannten, bleibt Lenaers jedoch erstaunlicherweise
skeptisch.
So lautet seine Bilanz: „ … Jesus
hat eine Vollendung erreicht, und gehört dadurch nicht mehr zum Niveau des
Unvollendeten, zu dem wir gehören … Wir können seiner (sc. Jesu) gedenken, wie
in der Eucharistie, ihn bewundern, ihn verehren, ihn lieben, und er kann uns
inspirieren, und anziehen, uns zu seiner Nachfolge bewegen“ (S. 151). Ob man
das wohl „göttlich“ nennen kann? Der Jesuit zieht sich auf Andeutungen zurück:
Jesus ist „nicht nur ein Mensch wie wir“ (S. 152). Mit diesem auch auf jede
Absolutheit verzichtende Reden sieht er sich auf der Linie des 2. Vatikanischen
Konzils, das der Exklusivität des Christentums gegenüber anderen Glaubensweisen
eine klare Absage erteilt hat, aber dennoch – Jesus ist „ohnegleichen“ (S.
153). Es verwundert etwas, dass Lenaers hier bei aller interreligiösen
Offenheit nicht weiter und tiefer fragt, und zwar im Blick auf göttliches
Sichtbarwerden in anderen Menschen. So liegt vor uns ein gut zu lesendes Buch,
das daran erinnert, welche erstaunliche neue Glaubenszugänge die exegetische Jesus-Forschung
seit der Aufklärung erbracht hat.
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