Ludger Kühnhardt /Tilman Mayer (Hg.):
Bonner Enzyklopädie der Globalität. Band 1 und 2.
Wiesbaden: Springer 2017, 1627 S.
99,99 Euro., eBook 79,99 Euro, ISBN 978-3-658-13819-6
Inhaltsverzeichnis und Leseprobe: hier
Bonner Enzyklopädie der Globalität. Band 1 und 2.
Wiesbaden: Springer 2017, 1627 S.
99,99 Euro., eBook 79,99 Euro, ISBN 978-3-658-13819-6
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Die Bonner Enzyklopädie der Globalität wird herausgegeben von Ludger Kühnhardt, Professor für Politische Wissenschaft und Direktor am Zentrum für Europäische Integrationsforschung (ZEI) der Universität Bonn, und Tilman Mayer, Professor für Politische Theorie, Ideen- und Zeitgeschichte der Universität Bonn, in Zusammenarbeit mit Stephan Conermann, Markus Gabriel, Xuewu Gu, Marion Gymnich, Wolfram Hogrebe, Wolfram Kinzig, Wolfgang Kubin, Volker Ladenthin und Günther Schulz.
Auf die Fragen - Wie die Globalität die Welt und die Welt die Globalität verändert - versuchen die Autoren in 132 interdisziplinären Beiträgen eine Antwort zu finden. Es sind 110 Professorinnen und Professoren aus den Geistes- und Kulturwissenschaften der Universität Bonn. Zum 1627 Seiten umfassenden Werk der Herausgeber bemerkt der Bonner Rektor Prof. Dr. Michael Hoch: „Das Werk ist ein riesiger Fundus zu ganz unterschiedlichen Aspekten der Globalität“:
Angesichts weltweiter Diskurse zur Globalität wird exemplarisch nach den Konsequenzen des global turn für den seit der Aufklärung erhobenen Anspruch Europas auf geistes- und kulturwissenschaftliche Deutungshoheit gefragt. Bezogen auf die geistes- und kulturwissenschaftliche Perspektive lautet die Kernfrage der Enzyklopädie: Wie verändert Globalität Europa und wie verändert Europa die Globalität?"
Das Buch ist in folgende Kapitel gegliedert:
- Globalität verstehen
- Die Entwicklung des Menschen: Fragen der Freiheit und der Bildung (S. 95 ff)
- Die Kommunikation des Menschen mit anderen:
Fragen der Sprachlichkeit und der Interaktion (S. 345 ff) - Die technisch-instrumentelle Aneignung der Welt:
Fragen des Eigentums und der Arbeit (S. 573 ff.) - Die ästhetisch-praktische Aneignung
der Welt:
Fragen der Kunst und der Kultur (S. 825 ff) - Die öffentliche Ordnung des Menschen: Fragen der Politik und des Rechts (S. 1063 ff)
- Die
moralische Ordnung und das Problem der Endlichkeit des Menschen:
Fragen der Ethik und der Religion (S. 1305 ff) - Globalität gestalten (S. 1527ff)
Das Thema Globalisierung bringen
Menschen üblicherweise mit Wirtschaft, weltweiter Kommunikation und
Technisierung in Verbindung. Doch das „Zusammenwachsen“ der Welt hat auch eine
geisteswissenschaftliche Dimension, und die Herausgeber wollen darin einen grundlegenden Beitrag zur
Neuvermessung geistes- und kulturwissenschaftlicher Begriffe im Zeitalter der
Globalität leisten. Dabei geht es um
Fragen der Freiheit und der Bildung, der Sprachlichkeit und der Interaktion mit
Anderen, des Eigentums und der Arbeit, der Kunst und der Kultur, der Politik
und des Rechts sowie der Ethik und der Religion.
Globalisierung ist vor allem
als ökonomische Prozess durch Technik ermöglicht und beschleunigt. Doch
„der Ansatz dieses Werkes setzt andere Akzente als die Sichtweise der
Wirtschafts- und Finanzwissenschaften“ (Einleitung, S. 2). Denn die
Globalisierung der Finanzmärkte findet zunehmend ohne Geldhäuser statt: Seit
der Finanzkrise ziehen sich Banken mit
ihrem Kreditgeschäft auf ihre Heimatmärkte zurück (McKinsey 2017). Die grenzüberschreitenden Kapitalflüsse gingen seit 2007 weltweit bis 2016 von 12,4 Billionen auf 4,3 Billionen
US-Dollar zurück: Die in der Eurozone vor der Krise exzessiv angeschwollenen Volumina an
Krediten zwischen Banken sowie Schuldverschreibungen wurden abgebaut. Auch Deutschland hat die ausländischen Vermögenswerte bei den größten Banken von 1,9 Milliarden auf
800 Millionen Dollar mehr als halbiert. Anders sieht die globale Entwicklung
bei Investitionen in Aktien und Anleihen aus. Hier sind die Anteile
ausländischer Investitionen weltweit laut der Studie nach einem
zwischenzeitlichen Einbruch wieder auf das Niveau von 2007 zurückgekehrt. So sei der
Anteil von Direktinvestitionen und Eigenkapital-Strömen an den
grenzüberschreitenden Finanzflüssen unterdessen von 36 auf 69 Prozent stark
gestiegen: Die globalen Finanzmärkte bleiben also eng verwoben. Für eine
Pluralität der Ansätze (S. 3) Um die Welt im Sinne einer Pluralität von Ansätzen zu verstehen (S. 3), zu interpretieren und
zu gestalten, fehlen die angesehenen
Bonner Ökonomen als Autoren !
Als Beispiel kann die plurale Ökonomik dienen:
http://www.zeit.de/wirtschaft/2017-08/wirtschaftswissenschaften-universitaet-ausbildung-erneuerung/komplettansicht.
Als Beispiel kann die plurale Ökonomik dienen:
http://www.zeit.de/wirtschaft/2017-08/wirtschaftswissenschaften-universitaet-ausbildung-erneuerung/komplettansicht.
Es sei daran erinnert: Global ist mehr als billig und
ruinös. Den Zusammenhang zwischen protestantischer Arbeitsethik und der
Entwicklung der (globalen) kapitalistischen Industriegesellschaft hat
insbesondere Max Weber in Die protestantische Ethik und der Geist des
Kapitalismus (1905) herausgearbeitet.
Braucht der Mensch der
westlichen Moderne keine höhere
Instanzen mehr, auf die er hofft, denen er sich ausliefert und die seine
Weltsicht bestimmen? Religion und Spiritualität ist in China durch Globalisierung
wieder sehr verbreitet. Weder Parteisystem noch Wirtschaftsboom bieten den
Menschen offenbar genügend Orientierung (vgl. Ian Johnson: The Souls of China,
2017).
Die Bedeutung der Religion kommt angesichts der Tradition zu kurz. So steht auch kein Theologe in der Enzyklopädie als Autor. Aber: seit 1818 gibt es die eine evangelische und eine katholische Fakultät an der Universität Bonn. Deren thematische Schwerpunkte liegen in den Bereichen „Texte der Theologie“, „Historische Theologie“, „Theorie der Theologie“, „Theologie im Dialog mit den Humanwissenschaften“ und „Ökumenische Theologie“ (vgl. http://wikivisually.com/lang-de/wiki/Landwirtschaftliche_Hochschule_Bonn-Poppelsdorf#Evangelisch-Theologische_Fakult.C3.A4t
Die Bedeutung der Religion kommt angesichts der Tradition zu kurz. So steht auch kein Theologe in der Enzyklopädie als Autor. Aber: seit 1818 gibt es die eine evangelische und eine katholische Fakultät an der Universität Bonn. Deren thematische Schwerpunkte liegen in den Bereichen „Texte der Theologie“, „Historische Theologie“, „Theorie der Theologie“, „Theologie im Dialog mit den Humanwissenschaften“ und „Ökumenische Theologie“ (vgl. http://wikivisually.com/lang-de/wiki/Landwirtschaftliche_Hochschule_Bonn-Poppelsdorf#Evangelisch-Theologische_Fakult.C3.A4t
Die Bonner Enzyklopädie der Globalität bietet gute Denkanstöße und
Begriffsbestimmungen durch Kontinuität und Wandel im Zeichen der
Globalität universell bedeutsam bleiben. Es ist ein lesenswertes Geburtstagsgeschenk zum 200jährigen Bestehen der Universität Bonn, die 1818 als eine Reformuniversität gegründet wurde. Fünf Jahrzehnte gingen
von Bonn gewichtige Impulse für die Entwicklung einer demokratischen
politischen Kultur in Deutschland aus. Heute ist Bonn als UNO-Stadt bemüht,
deutsche und europäische Erfahrungen mit der Welt zu teilen.
Angesichts der Menge der
Geschichten im Buch geht akademische Tiefe verloren, denn die Autoren denken in größeren Kontexten. Daher werden aktuell
beginnende akademischen Grenzen nicht betont: „Ein Ungeist breitet sich aus: Die
Internationalisierung der Hochschulen ist eine Erfolgsgeschichte, die das
letzte halbe Jahrhundert geprägt hat. Doch damit könnte es bald vorbei sein,
wenn diesseits und jenseits des Atlantiks der Nationalismus an Boden gewinnt ... Seit einigen Monaten mehren sich die Anzeichen: Die Internationalisierung des
Hochschulwesens ist dabei, sich grundlegend zu wandeln. Nachdem ihre Bedeutung
in den letzten fünf Jahrzehnten beständig zugenommen hat, hat sie durch die
jüngsten US-Einreisebeschränkungen für Bürger aus Ländern mit mehrheitlich
muslimischer Bevölkerung und die dadurch verursachten Unwägbarkeiten eine Zäsur
erfahren. Im Verbund mit dem Brexit, der nationalistischen Ausrichtung der
Regierungen in Polen und Ungarn und dem erstarkenden Rechtspopulismus in Europa
scheint eine Art „neuer Weltordnung“ in der Hochschul-Internationalisierung zu
entstehen.“
„Bei der Internationalisierung
der Hochschulbildung handelt es sich um eine ganze Reihe von Konzepten und
Programmen. Dazu gehört es beispielsweise, die Vorzüge der Globalisierung als
wichtigen Bestandteil der Weltwirtschaft anzuerkennen. Dazu gehört außerdem
Engagement für globale Verständigung, der Respekt für kulturelle Vielfalt und
die Offenheit für eine partnerschaftliche Zusammenarbeit von Akteuren, die
politische, kulturelle oder ökonomische Unterschiede aufweisen.“ (Philipp G. Altbach und Hans de Wit, DUZ 4-17, S. 20 ff
und Academic Staff Mobility in the Age of Trump and Brexit, DUZ 4-17, by Liudvika Leisyte and Anna-Lena Rose)
und Academic Staff Mobility in the Age of Trump and Brexit, DUZ 4-17, by Liudvika Leisyte and Anna-Lena Rose)
Ausgerechnet im 30. Jubiläumsjahr des europäischen Vorzeigeprogramms Erasmus ist die Zukunft dieses und anderer Förderprogramme in den Bereichen „Forschungskooperation“ und „Ausbau der Hochschulkapazitäten“ ungewiss oder könnte infolge der antieuropäischen Stimmung am rechten Rand des politischen Spektrums künftig von massiven Kürzungen betroffen sein: http://www.duz.de/duz-magazin/2017/04/ein-ungeist-breitet-sich-aus/426
Insgesamt gilt jedoch: Die Enzyklopädie ist allgemein für Dozierende und Studierende aller Geistes- und Kulturwissenschaften ein hilfreiches und umfangreiches Werk. Zugleich ist es für alle Interessierten ein lesenswertes Buch mit spannenden Geschichten und mit hohem Erkenntnisgewinn.
Prof. Dr.
Eckhard Freyer, Bonn-Bad Godesberg
Rz-Bonner-Enzyklopädie, 26.08.2017
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