Der KORAN.
Vollständig und neu übersetzt von
Ahmad Milad Karimi.
Mit einer Einführung
herausgegeben
von Bernhard Uhde
Freiburg
u.a.: Herder 2009, 576 S. ------------------------ ISBN -978-3-451-30292-3 ---
Friedrich Rückert hatte im 19. Jahrhundert mit seiner teilweisen Koranübersetzung ein
lange nicht genügend beachtetes Signal zum Verstehen des Korans gegeben: Es
handelt sich um ein poetisches Buch, das die Schönheit nicht nur der Sprache,
sondern auch die Schönheit Gottes ahnen lässt. Rückert hatte darum seine
Übersetzung, (die natürlich auch Fehler birgt) in Rhythmen umgesetzt, die dem
deutschen Leser diese Poesie nahe bringen konnten. So entdeckten nicht nur
Goethe, sondern viele Dichter des beginnenden 19. Jahrhunderts verdeutlichten die dichterische
Kraft des Orients in ihren eigenen Dichtungen.
Den Islamwissenschaftler, Philosophen und Dichter, den ursprünglich
aus Afghanistan kommenden Ahmad Milad Karimi (geb. 1979), reizte die schwierige Aufgabe, den Koran, diesen
geoffenbarten Schatz, in seiner poetischen Kraft erneut ans Tageslicht zu bringen.
Er fand dazu als Kooperationspartner den katholischen Theologen und
Religionswissenschaftler Bernhard Uhde. Dieser hat diese
Neuübersetzung aus dem Arabischen wissenschaftlich begleitet und dazu auch eine
orientierende Einführung geschrieben. Was also zwischen dem Dichter und
Wissenschaftler theologisch und poetisch geschah, kann sich durchaus sehen
lassen, auch wenn der Rezensent nicht den Text im Original überprüfen kann. Allerdings
darf man die Verlagswerbung etwas hinterfragen, denn dort ist von einer
wortgetreuen Übersetzung die Rede. Gewiss ist sie dem arabischen Original nahe,
wie Arabisch-Kenner bestätigen, jedoch gibt es einige dunkle Stellen im Koran,
mit denen Übersetzer und Kommentatoren teilweise recht unterschiedlich
umgegangen sind. Wer darüber hinaus die Problematik von Übersetzungen gerade
aus dem semitischen Sprachraum betrifft, kennt den Unterschied zur Struktur der
meisten europäischen Sprachen. Wie dem auch sei: Jede Übersetzung ist letztlich
nur eine Annäherung an den zur Verfügung stehenden Offenbarungstext. Solche Annäherungen
ermutigen umso mehr, wenn sie sich von spiritueller Sprachkraft tragen lassen.
Nun
hat diese Übersetzung bereits durch die gemeinsame Arbeit von Übersetzer und
Herausgeber dialogische Qualität. Karimi macht darüber hinaus deutlich, dass
sich die Sprachgewalt und Sprachschönheit des arabischen Originals im Deutschen
nachvollziehen lässt. Hier liegen die Stärke und zugleich die Schwäche dieser
Übersetzung. Dies sei an einem kleinen Beispiel erläutert.
In Sure 2, 256–257 heißt es, dass es in der Religion keinen Zwang geben soll.
Karimi übersetzt:
In Sure 2, 256–257 heißt es, dass es in der Religion keinen Zwang geben soll.
Karimi übersetzt:
Und es gibt keinen
Zwang in der Religion. Geschieden zeigt sich das Richtige vom Irrtum. Wer nun
die Götzen leugnet und an Gott glaubt, der verfügt über die festeste Handhabe,
die gewiss nicht zerbricht. Und Gott ist der unübertrefflich Hörende, der
Wissende. Gott ist der Beistand derjenigen, die glauben. Er führt sie aus der
Finsternis zum Licht. Die aber leugnen, deren Beistände sind die Götzen. Sie
führen aus dem Licht in die Finsternis. Sie sind die Gefährten des Feuers,
darin werden sie ewig weilen.
Viel
„trockener“ klingt die Übersetzung von Muhammad
Asad: Die Botschaft des Koran. Übersetzung und Kommentar. Aus dem Englischen
übertragen von Ahmad von Denffer und Yusuf Kuhn. Düsseldorf: Patmos 2009 --- Rezension: hier
Es soll keinen Zwang
geben in Sachen des Glaubens. Deutlich unterschieden geworden ist nun der
rechte Weg von (dem Weg des) Irrtum; wer darum die Mächte des Übels verwirft
und an Gott glaubt, hat fürwahr eine höchst unfehlbare Stütze ergriffen, die
niemals nachgibt; denn Gott ist allhörend, allwissend. Gott ist nahe denen, die
Glauben haben, nimmt sie heraus aus tiefer Finsternis ins Licht – während nahe denen,
die drauf aus sind, die Wahrheit zu leugnen, die Mächte des Übels sind, die aus
dem Licht entfernen in tiefe Finsternis, es sind für sie, die für das Feuer
bestimmt sind, darin zu verbleiben.
Ich
habe einer Reihe von gläubigen Muslimen diese Ausgabe vorgelegt, und sie sind
an einzelnen Stellen von ihren Arabisch-Kenntnissen her und aufgrund ihrer
guten Beherrschung der deutschen Sprache dem Textduktus nachgegangen. Alle
haben fast durchweg gelobt, dass ihnen der poetische Schwung gefällt, sie haben
aber gleichzeitig bemängelt, dass sich der Text durch die veränderten
Satzstellungen und teilweise ungewöhnlichen Wortschöpfungen, wieder schwieriger
lesen lässt. Daraus hat sich recht einhellig folgende Meinung gebildet: Diese
Übersetzung braucht nicht nur dringend ein Sachregister, sondern auch einen
Koran-Kommentar zum Gesamtverständnis der einzelnen Suren bis hin zu den
einzelnen Versen!
Die
äußere Gestaltung dieser Koranausgabe versucht, islamischer Ästhetik durch die
Ornamentik ebenfalls nachzukommen. Sie wirkt auf den ersten Blick auch sehr
schön. Nur wenn man in diesem Koran genauer einzelne Stellen nachschauen will,
muss man die Surenangaben erst in der Ornamentik versteckt suchen. Das müsste
nicht sein. Insgesamt aber scheint im Reigen der auf dem Markt befindlichen Koranausgaben
hier durchaus ein poetisches Kabinettstück zustande gekommen zu sein.
Allerdings bedarf es zum besseren Verständnis der einzelnen Suren und Verse
unbedingt eines ausführlichen Korankommentars, der nicht nur Texterläuterungen
gibt, sondern auch den an manchen Stellen doch nicht immer leicht
nachvolziehbaren Sprachduktus erklärt.
In
einem Seminar für künftige ReligionslehrerInnen an der Technischen Universität
Dortmund haben wir aufgrund der hier schon erwähnten Erfahrungen einen
Surenvergleich an ausgewählten Texten vorgenommen, indem Abschnitte aus dem
Koran von Max Henning und Ahmad Milad Karimi gegenübergestellt wurden. Die
behandelten Stellen mit einem kleinen Kommentar werden darum hier ergänzend vorgestellt:
Vergleich von
Koransuren
am
Beispiel der Übersetzungen / Übertragungen von Max Henning und Ahmad Milad
Karimi
- Der Koran. Das heilige Buch im Islam. Aus dem Arabischen von Max Henning, überarbeitet und herausgegeben von Murad Wilfried Hofmann. München: Hugendubel 1999
- Der Koran. Vollständig und neu übersetzt von Ahmad Milad Karimi. Mit einer Einführung herausgegeben von Bernhard Uhde. Freiburg u.a.: Herder 2009
Vgl. dazu das Buch von Navid KERMANI:
Gott ist schön. Das ästhetische Erleben des Koran. München: C.H. Beck 1999, 546 S.
Verschiedene Rezensionen: hier
Themen
des Vergleichs:
Zwang im Glauben bzw. in der Religion, Frieden und Kampf
Zwang im Glauben bzw. in der Religion, Frieden und Kampf
Kein Zwang im Glauben:
Suren 2,256–257
Henning: 2,256: „Kein Zwang im Glauben! Klar ist nunmehr das
Rechte vom Irrtum unterschieden. Wer falsche Götter verwirft und an Allah
glaubt, der hat den festesten Halt erfasst, der nicht reißen wird. Und Allah
ist hörend und wissend.“
Henning
2,257:
Allah ist der Beschützer der Gläubigen. Er führt sie aus tiefer Finsternis zum
Licht. Die Ungläubigen aber, ihre Freunde sind bloße Götzen Diese führen sie
aus dem Licht in tiefe Finsternis. Sie sind die Bewohner des Feuers und
verweilen ewig darin.
Karimi: 2,256: „Und es gibt keinen Zwang in der Religion. Geschieden zeigt sich das Richtige vom Irrtum. Wer nun die Götzen leugnet und an Gott glaubt, der verfügt über die festeste Handhabe, die gewiss nicht zerbricht. Und Gott ist der unübertrefflich Hörende, der Wissende.“
Karimi 2,257: Gott ist der Beistand derjenigen, die glauben. Er führt sie aus der Finsternis ins Licht. Die aber, die leugnen, deren Beistände sind die Götzen. Sie führen sie aus dem Licht in die Finsternis. Sie sind die Gefährten des Feuers, darin werden sie ewig weilen.
Frieden – Suren 33,41-44 und 24,55
Henning:
24,55: Verheißen
hat Allah den von euch, die glauben und das Rechte tun, dass Er sie zu
Statthaltern (Seiner Macht) auf Erden einsetzen wird, so wie Er es denen, die
vor ihnen lebten, gewährte; und dass Er ihnen und ihre Religion, so wie Er sie
für sie gut geheißen hat, befestigen will; und dass Er ihre Furcht in
Sicherheit verwandeln will.
„Sie sollen mir alleine dienen; sie sollen
mir nichts an die Seite stellen.“ Und wer danach ungläubig ist, das sind die
Missetäter.
Karimi:
33, 41–44: 41
O ihr, die ihr glaubt, gedenkt Gottes in vielem Gedenken 42 und preist ihn
morgens und abends! 43 Er ist es, der euch segnet, und Seine Engel, damit Er
euch herausführt aus den Finsternissen ins Licht. Und Er ist zu den Gläubigen
unübertrefflich barmherzig. 44 Ihr Gruß am Tag, da sie Ihn treffen, ist
„Friede!“
Karimi:
24,55: Versprochen
hat Gott unter euch denen, die glauben und verrichten gute Werke, das Er sie zu
Nachfolgern macht auf der Erde, wie jene, die Er vor ihnen zu Nachfolgern machte.
Und dass Er für sie ihre Religion befestigt, die Er für sie bejaht. Und dass Er
verwandeln will die Furcht in Sicherheit. Sie dienen Mir, stell’ nicht Anderes
neben Mich. Wer aber dann leugnet, das sind die Frevler.
Kampf – Suren 4,94 und 9,111
Henning:
4,94: O
ihr, die ihr glaubt! Wenn ihr auf Allahs Weg auszieht, dann seid umsichtig und
sagt zu keinem, der euch den Friedensgruß entbietet: „Du bist ja gar kein
Gläubiger!“ und dies in eurem Trachten nach dem Gewinn des irdischen Lebens.
Bei Allah ist (ausreichend) reiche Beute. So
verhieltet ihr euch früher, doch Allah war gnädig gegen euch. Darum sied
umsichtig. Siehe, Allah kennt euer Tun.
Henning
9,111:
Siehe, Allah hat von den Gläubigen ihr Leben und ihren Besitz mit dem Paradies
erkauft. Sie kämpfen auf Allahs Weg, töten und werden getötet. Das ist ein Ihn
bindendes Versprechen, gewährleistet in der Tora, im Evangelium und im Koran.
Und wer hält sein Versprechen getreuer als Allah? Freut euch daher des
Tauschhandels, den ihr abgeschlossen habt. Das ist die große Glückseligkeit!
Karimi
4,94: Oh
ihr, die ihr glaubt, wenn ihr einschlagt den Weg Gottes, so gebt Acht und sagt
zu keinem, der euch grüßt „Du bist kein Gläubiger!“, da ihr trachtet nach den
Gütern des diesseitigen Lebens,
doch bei Gott ist eine reiche Beute. So wart
ihr einst, dann aber hat Gott euch Güte erwiesen, darum gebt Acht! Gott ist
über das, was ihr tut, sehr wohl unterrichtet.
Karimi
9,111:
Gott erkauft von den Gläubigen ihre Seele und ihr Vermögen für den Garten. Sie
kämpfen auf dem Weg Gottes, sie töten und werden getötet. Ein Versprechen, das
Ihm obliegt, in Wahrheit in der Tora, im Evangelium und im Koran. Und wer hält
seine Abmachung ein treuer als Gott? Freut euch über den Handel, den ihr mit
Ihm abgeschlossen. Dies der Gewinn, der Gewaltige.
Reinhard
Kirste
ursprünglich im Rahmen eines Seminars an der TU-Dortmund, WS 2009/2010
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