Freitag, 28. September 2018

Christliche Islamtheologie als dialogischer Zugang zu wechselseitigem Verstehen

Anja Middelbeck-Varwick: 
Cum Aestimatione
Konturen einer christlichen Islamtheologie

Münster: Aschendorff 2017, 387 S. 
--- ISBN 978-3-402-13169-5 --- 
„Mit Wertschätzung“
gegenüber dem Islam konzipiert
Anja Middelbeck-Varwick in ihrer 
vorliegenden Habilitationsschrift eine christliche Islamtheologie, die eine konfrontative Grundhaltung durch eine dialogische ersetzen möchte. Diese Bereitschaft und Fähigkeit zum
Dialog zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass sie nicht mehr allein nach universalen Heils-, Wahrheits- und Geltungsansprüchen fragt, sondern, bedingt durch veränderte Verständigungsinteressen, ein wechselseitiges Verstehen befördern möchte (50). 

Nur über eine solche Hermeneutik des wechselseitigen Verstehens kann zu einer positiven Haltung der Differenz gefunden werden, die es erlaubt auch Differenzen in zentralen Glaubensfragen, so beispielswiese die „Jesulogie des Koran“ (149f.) oder die christliche Beurteilung Mohammads, zu behandeln (210). Somit kann gerade die Anerkennung der Differenz als Zeichen der Hochachtung gegenüber dem Dialogpartner gedeutet werden (46).
Ihren Ausgang und ihr Fundament findet diese dialogische Haltung
im Neuaufbruch des II. 
Vaticanums, insbesondere in der „Magna Charta der christlich-muslimischen Beziehungen“, der Erklärung Nostra Aetate (28). Interessant in Bezug auf eine christliche Islamtheologie ist hier die Erkenntnis, dass das Konzil neben sehr wertschätzenden Aussagen über den Islam die beiden größten „offenbarungstheologischen Klippen“ umschiffte: so finden sich weder Aussagen zur Offenbarungsschrift noch zum Propheten Muhammad. Middelbeck-Varwick deutet dieses Schweigen als bewusst inkludierte Leerstelle, die einerseits Raum für weitere Verständigung lässt, andererseits aber, insbesondere beim heutigen Stand der christlich-muslimischen Beziehungen, pointiertere theologische Positionen erfordert (21f.). 


Vor diesem Hintergrund sind die konsequente Betonung des mutualen Inklusivismus bzw. der erkenntnistheoretischen Prämisse, dass Verstehen einerseits stets bedeutet, das zu Verstehende in ein eigenes Vorverständnis zu integrieren (53) und andererseits die Begegnung mit der anderen Religion den eigenen Glauben nie ohne Spuren des Fremden hinterlässt (45) interessante systematische Aspekte des Bandes, da sie einen möglichen Weg für eine derartige weitere Verständigung und Pointierung aufzeigen.
Konkrete Ansatzmöglichkeiten einer solchen weitergehenden Verständigung sieht die Autorin beispielsweise in der christlichen und muslimischen Anthropologie und Ethik. In beiden Religionen wird der Mensch als auf Gott hingeordnet verstanden, weswegen wahres Menschsein-Können anthropologisch in der Anerkenntnis dieser Verwiesenheit auf Gott begründet ist (229f.). 

Die ethische Konsequenz hieraus ist sowohl im Islam wie im Christentum eine Lebensgestaltung, die sich weniger in der Beurteilung konkreter Einzelhandlungen erschöpft, sondern vielmehr darin, den Menschen auf die Gemeinschaft mit Gott auszurichten (358). 
Neben weiteren systematischen Anregungen bietet „Cum Aestimatione“ außerdem detaillierte Studien zu theologischen Einzelfragen und zeigt in der Kombination beider lohnenswerte Felder für die Weiterarbeit an einer christlichen Islamtheologie auf.
Bernhard Kohl / Toronto
Zuerst erschienen in academia.edu

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen