Montag, 1. Juli 2019

Reinhold Bernhardt: Inter-Religio - Das Christentum und inter-religiöse Beziehungen


Reinhold Bernhardt:
Inter-Religio.
Das Christentum in Beziehung zu anderen Religionen.


Beiträge zu einer Theologie der Religionen, Band 16 
Zürich: TVZ 2019, 466 S., Namensregister
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ISBN 978-3-290-18212-0 ---
--- InterReligiöseBibliothek (IRB):
     Buch des Monats Juli 2019
--- Resümee / Bilanz >>>
--- English summary at the end of the review
--- Résumé français au bout di compte rendu
Angesichts der vielen Debatten um die oft problematischen Beziehungen von Menschen verschiedener Glaubensweisen geht es dem Basler Systematiker Reinhold Bernhardt um eine Orientierung und zugleich um eine Herausarbeitung von Zielen, die für die Zukunft tragfähig sein könnten. Wichtig sind ihm dabei im 1. Teil (= Kap. 1) einerseits die theologisch-theoretischen Beziehungsbestimmungen und andererseits die ethisch-praktische Beziehungsgestaltung (S. 9f). Beinahe klassisch zu nennen sind die theologischen Beziehungsbestimmungen: Exklusivismus, Inklusivismus, Pluralismus, die jedoch ihre eindeutigen Schwächen haben (s.S. 326–330). Ohne sich hier schon auf die damit zusammenhängende Debatte einzulassen, systematisiert Bernhardt seine Darstellung im Kontext von Kulturverständnissen, deren Tragfähigkeit im Zusammenhang von „Interreligiosität“, „Multireligiosität“ und „Transreligiosität“ geprüft werden muss.
Von daher kann er im 2. Teil (= Kap. 2) im Horizont der „Interreligiosität“ den Veränderungen nachgehen, wie in der Kultur-, Religions- und Kirchengeschichte des Abendlandes besonders seit der Aufklärung „markante Paradigmenwechsel“ (S. 11) stattgefunden haben. Diese Paradigmen gilt es nun, im 3. Teil (und zwar die Kapitel 3-7) zu beschreiben, und zwar im Blick auf die Beziehungen des Christentum zu den nicht-christlichen Religionen. Dies ist eine umfassende Aufgabe, der sich der Autor stärker exemplarisch unterzieht. Neben den Paradigmenwechseln im Blick auf  Judentum, Islam und Buddhismus geht es dann um die Darstellung notwendiger Zusammenhänge.
Teil 1 - Kap. 1: Im Rahmen eines umfassenden Kulturbegriffs, der fragwürdige Harmonisierungen hinter sich lässt, will Bernhardt eine interkulturelle Hermeneutik herausarbeiten. Hier hilft ihm weniger der Analogiegedanke Raimon Panikkars, obwohl sich mit ihm Gemeinsamkeiten und Verschiedenheiten gut verdeutlichen lassen. Allerdings kann nicht vom verstehenden Subjekt abgesehen werden. So bietet sich als geeignetere Orientierung besonders Paul Ricœur an. Dieser betont, dass die Erscheinungsform einer anderen Kultur erst in den eigenen Verstehenshorizont über-setzt, transformiert werden muss (S. 46f).

In Teil 2 - Kap. 2 geht es Bernhardt zuerst um die Klärung von Begrifflichkeiten: So werden die Bedeutungsfelder von Religion im Kontext von Religionen und Kultur sowohl funktional wie inhaltlich durchleuchetet, um sie dann gewissermaßen multireligiös, interreligiös und transreligiös zu spiegeln. Die Begrifflichkeit verdeutlicht Bernhardt jeweils an einzelnen Beispielen, wie etwa die Transreligiosität an Henri Le Saux (S. 135f). „Transreligiöse Identitätsformen sind zweifellos synkretistisch, doch das bedeutet nicht, dass sie auch relativistisch wären“ (S. 145). Normativität für das eigene Glauben und das eigene Verhalten orientiert sich dann an den Vorgaben mehrerer religiöser Quellen und „siedelt“ im Überschneidungsbereich der unterschiedlichen Traditionen. Hier dient Paul Knitter mit seinem Befreiungsverständnis als weiteres Beispiel (aaO).

Kap. 3 geht dann den Paradigmenwechseln nach, die das Abendland durchlaufen hat:
  • im Blick auf das Judentum zwischen Antisemitismus und Philosemitismus. Das betrifft gerade die Debatten und Stellungnahmen nach dem 2. Weltkrieg.
  • im Kontext der Wahrnehmungen des Islam, politisch und religiös. Bernhardt zeigt das besonders auffällig in der Spannung zwischen der Haltung Goethes (1749–1832) und des Orientalisten
    Ernest Renan (1823–1892). 
    Der Autor verfolgt dann diese auch Konflikt geladene Linie bis bis hin zu Stellungnahmen der EKD (S. 169–175). 
  • Auch zum Buddhismus haben christliche Theologie und Kirche erhebliche Veränderungen durchgemacht. 
    Im Horizont weltweiten Dialogs spielt hier das Weltparlament der Religionen eine Art Leitmotiv-Rolle, ebenfalls der Dalai Lama. Theologisch haben bereits Paul Tillich und in der Folge Michael von Brück, Perry Schmidt-Leukel und Paul Knitter erhebliche Denkveränderungen vorgenommen.

Nicht zu übersehen ist die veränderte interreligiös-dialogische Beziehungsgestaltung (Kap. 4), die Bernhardt im Horizont der interreligiösen Gastfreundschaft behandelt. Nach einem Blick auf die Dialogvoräufer (u.a. Abaelard, Ramon Llull, Lessing), befasst sich der Autor im Einzelnen mit Hendrik Kraemer (apologetischer Dialog) gegenüber Arnold Toynbee (Vision der gemeinsamen Menschheitsfamilie), um dann Promotoren des jüdisch-christlichen Dialogs zu besprechen: Martin Buber, Ferdinand Ebner,
Franz Rosenzweig, Eugen Rosenstock-Huessy.

Der Durchgang durch die weitere Dialog-Geschichte zeigt, dass sie durch den Ökumenischen Rat der Kirchen und durch die Folgewirkungen das 2. Vatikanischen Konzils mit seinen Folgewirkungen erheblich mit beeinflusst ist.
So deutet sich bereits ein möglicher, allerdings schwieriger Weg zu einer Weiterung von der Ökumene der Konfessionen zur Ökumene der Religionen an. Darum gilt es, dialogische Kommunikationen auch bei Widerständen beizubehalten (S. 211f). Mit David Bohm stellt Bernhardt dann kritisch ein in der Praxis erprobtes prozessuales Dialogkonzept vor, das sich für eine Offenheit ausspricht, die die mitgebrachten Glaubensüberzeugungen zwischenzeitlich suspendiert. Was aber entscheidend den Dialog beeinflusst, ist die Frage nach der Wahrheit, die niemand vollständig besitzt. Damit kommt auch das jeweilige Missionsverständnis auf den Prüfstand. Zugleich muss generell Religionskritik von verschiedenen Positionen her möglich sein. Diese Dialogentwicklung wurde seit den 1960er Jahren nicht zufällig mit intensiver Kritik begleitet. Sie hat keineswegs aufgehört, und zwar im Sinne einer Angst vor Synkretismus sowie künstlichen, individualistischen, intellektuellen und elitären Begegnungsstrukturen. Mit dem Beziehungsmodell der aus der Philosophie entnommenen Verständnissen von Gastfreundshaft hofft Bernhardt dialogischen Sackgassen und Engführungen zu entkommen: „>Gastfeundschaft< ist anschlussfähig an Inhalte und Praxisformen anderer Religionstraditionen, aber auch des christlichen Glaubens. Dieses Beziehungsmodell legt sich also aus ihnen selbst heraus nahe und muss nicht von außen an sie herangetragen werden“ (S. 227f). Hier lässt sich m.E. eine gewisse Nähe zum fraktalen Dialogmodell von Perry Schmidt-Leukel nicht ganz leugnen.
Vgl. Rezension: https://buchvorstellungen.blogspot.com/2019/05/perry-schmidt-leukel-die-inneren.html

Begründungen seiner Überlegungen findet Bernhardt philosophisch bei Emmanuel Levinas, Jacques Derrida und Paul Ricœur. Auf theologischer Seite schließen sich Theo Sundermeier mit seinem Konvivenzverständnis an, aber ebenso Marianne Moyaert mit der Fokussierung auf das Gemeinsame im Fest, das religiöse Einengungen überschreitet. Methodisch lässt sich aus diesen Überlegungen heraus eine interkulturelle Dogmatik entwickeln (so Margit Eckholt). Wieder stärker auf die Praxis schauend, bescheibt Bernhardt das Verhältnis von Gastfreundschaft und Dialog schließlich so: „Während das Modell des Dialogs vor allem auf die interreligiösen Beziehungen anwendbar ist und leicht zu einer Insiderkommunikation zwischen Experten in Sachen Religion wird, ist das Modell der religiösen Gastfreundschaft auch sozioreligiös applikabel und auch an außerreligiöse Diskurse anschlussfähig“
(S. 261). Aber Vorsicht! Gasfreundschaft darf nicht heißen, dass den anderen religiösen Traditionen nur ein Gaststatus zuerkannt wird. Deshalb betont Bernhardt immer wieder das philosophische Verständnis der Gastfreundschaft: Sie „bedeutet hier primär eine grundlgende und damit dauerhafte Haltung gegenüber dem Anderen“ (S. 265).
Wie muss dann aber eine beziehungsorientierte Religionstheologie aussehen, sofern man diese überhaupt will? Diesem Problemkreis geht Bernhardt im Kapitel 5 nach. Es ist eine Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Positionen der Dialektischen Theologie mit gewissen Annäherungen an den anthropologisch ausgelegten Religionsbegriff von Karl Barth. Im Blick auf Wolfhart Pannenberg, die Konzilserklärung Nostra Aetate und recht unterschiedlichen Einwänden von Carl Heinz Ratschow, Theo Sundermeier und Henning Wrogemann, resümiert Bernhardt: „Es ist … nicht nur die Frage, wie sich das gelebte Christentum faktisch zu anderen Religionsformationen verhält, sondern auch die Frage, wie sich der Inhalt des christlichen Glaubens theologisch zu den Wahrheitsansprüchen anderer Religionen verhält! Das ist das Thema der Religionstheologie! Es liegt auf einer theologisch-normativen Ebene“ (S. 282). Carl Heinz Ratschows normative Begrifflichkeit hilft zu weiterer Klärung, indem Bernhardt zitiert: „Unter einer Theologie der Religionen versehen wir die Urteilsbildung des christlichen Glaubens über die bedrängende Pluralität der Religionen“(S. 284).
Nach dieser Klärung kann der Autor die Aufgabe der Religionstheologie im Blick auf die Ansprüche der Religionen auf Absolutheit, Exklusivität, Universalität, Finalität, also Letzgültigkeit bedenken (S. 284ff). „Es geht also in der Theologie der Religionen um die Selbstexplikation des christlichen Glaubens im Angesicht der Religionen, nicht um die Einnahme einer überreligiösen Vogelperspektive“ (S. 299). Das kann nun auf den verschiedenen religionstheologischen Ebenen ausgeführt werden im Sinne von Meta-Reflexionen, fundamentaltheologischen Fragestellungen, theologischen Postionsbestimmungen und Auseinandersetzungen mit spezifischen Fragen zu bestimmten Religionen (S. 301). Dazu gehört schließlich der Vergleich verschiedener religiöser Erscheinungsformen im Horizont des christlichen Glaubens.
Hier wird bereits deutlich, dass Religionstheologie praktische Bezüge hat. Das erinnert übrigens daran, dass es auch in der Religionswissenschaft zu einer vergleichbaren Ausrichtung kam, z.B. in der Praktischen Religionswissenschaft bei Udo Tworuschka. Für Bernhardt stellt sich aber die Frage nicht religionswissenschaftlich, sondern wie eine Grundlagenbestimmung auszusehen hat: religionsphilosophisch oder theologisch. Und hier kommt der Theologe Friedrich Schleiermacher ins Spiel: „Aufgabe der Theologie ist es, diese Interaktion zwischen einer am Grund und Inhalt des christlichen Glaubens orientierten Betrachtungsweise und einer auf dessen empirische Erscheinungsgestalt als Religion in der Religionsgegschichte gerichteteten Perspektive zu bedenken und darzustellen“ (S. 310). In Abgrenzung der philosophisch orientierten Religionstheologie von Christian Danz und einem gewissen religionsphilosophischen „Achtergewicht“ bei John Hick nimmt Bernhardt Paul Tillich auf, weil bei ihm „im hermeneutischen Zirkel der Theologie der Bezug auf Christus normativ“ ist (S. 319). Eine Theologie, die sich auf den Glauben beruft, wird nicht nur im eigenen christlichen Bereich, sondern auch bei den „Anderen“  universale und partikulare Tendenzen entdecken: „Es geht um eine Botschaft mit universaler Geltungsreichweite und Relevanz, die sich aber immer nur im Bedingungsgefüge geschichtlicher Kontextualität und Zeitbedingtheit >im Glauben< artikulieren und realisieren kann“ (S. 325). Das in der Einleitung schon kurz angesprochene Dreierschema: Exklusivsmus, Inklusivismus, Pluralismus benötigt von daher erhebliche Differenzierungen, weil der Standpunkt des Betrachtenden eingebunden ist in die miteinander verflochtenen Beziehungshaltungen der jeweiligen Glaubenstraditionen und somit eine eindeutige Zuordnung nicht erlauben. Religionstheologie muss sich nämlich auf „alle Reflexionen zur Beziehungsbestimmung des christlichen Glaubens, der Kirche und der christlichen Religion im Gegenüber zu den Zentralinhalten und den Erscheinbungsformen nichtchristlicher Religionen“ einlassen (S. 339)
Mit dem Kapitel 6 beleuchtet Bernhardt einige Religionsdialogiker aus Antike, Mittelalter und Moderne und überprüft religionsdialogisch Schwerpunkte aus der Gegenwart im Sinne von Paradigmen religionstheologischer Beziehungsbestimmung. Das erste Paradigma ist angesichts vielfältiger Erscheinung die Behauptung einer fundamentalen Einheit bzw. eines gemeinsamen Kerns aller Religionen. Hier führt der Autor den nichtchristlichen römischen Stadtpräfekten Symmachus (um 342–402/403) an mit dessen toleranter Beurteilung der Götterkulte. Es folgen der neohinduistische Religionsphilosoph Radakrishnan (1888–1975) mit der Position der Nicht-Dualität und schließlich Edward Herbert von Cherbury (1583–1648) mit einer deistischen Religionsphilsophie. Schließlich bleibt Bernhardt ganz in der Gegenwart mit Blick auf die Pluralistische Theologie der Religionen. Hier stellt er Wilfred Cantwell Smith, John Hick und Perry Schmidt-Leukel kritisch dar. Er sieht diese Kritik besonders in Folgendem begründet: „Die Hypothese einer letzten Einheit der Religionen kann religiös postuliert, aber auch religionskritisch gegen die Religionen ins Feld geführt werden“ (S. 369). Die sprachliche Annäherung an das Geheimnis des göttlichen Urgrundes bleibt für Bernhardt zu Recht problematisch, wenn sie jenseits des eigenen kulturell-religiösen Vorverständnisses (quasi auf einer Meta-Ebene) formuliert wird
(S. 370)
.
 So plädiert Bernhard lieber für eine christliche Theologie, die zu den außerchristlichen Religionen hin offen ist (S. 371).

Das zweite Paradigma ist genealogisch-traditiongeschichtlich ausgerichtet und lässt sich an der „Abrahamischen Ökumene“ verdeutlichen (S. 371ff, besonders im Blick auf Berthold Klappert und Karl-Josef Kuschel). Es hat ähnliche Schwachpunkte wie die Hypothese vom gemeinsamen Grund der Religionen. Mehr Chancen sieht Bernhardt dagegen in den verschiedenen methodologischen Ansätzen einer Komparativen Theologie seit Max Müller und Ernst Troeltsch bis zu Francis X. Clooney, Keith Ward, Robert C. Neville und Klaus von Stosch. Hier liegt paradigmatisch ein Modell vor, in dem immerhin weitgehend die „Selbstbezüglichkeit“ (S. 430) der Theologie gegenüber anderen religiösen Traditionen zurückgenommen wird.
Damit hat Bernhardt sein Ziel mit Kapitel 7 erreicht, nämlich die interreligiöse Offenheit als chancenreichstes Paradigma inter-religiöser Beziehungen zu postulieren. Es bietet sich zur Verhinderung von Verabsolutierung und Relativierung von Absolutheitsansprüchen gleichermaßen an, die – so der Autor – bei einer Historisierung, Konterkarierung, Kulturalisierung und Relationierung nicht verhindert werden können. Damit wird ihm die mögliche Gemeinsamkeit der Religionen nicht so wichtig wie anderen religionstheologischen Positionen. Bernhardt möchte sich vielmehr weitere Auslegungsmöglichketien offenhalten, die er aber nicht weiter andeutet. Stattdessen bindet er die Frage nach der Wahrheitsgewissheit und die Universalitätspotentiale christlichen Glaubens in die klassischen dogmatischen Loci zwischen schöpfungstheologisch und eschatologisch ein (S. 443f). So bleibt der Geltungsanspruch des eigenen christlichen Glaubens in zurückhaltender Weise, aber dennoch bestehen. Daraus ergibt sich schlussendlich  eine „standortgebundene, aber offene Denkbewegung“ (S. 446f), die die eigene Perspektive übersteigen kann.
Resümee:
Interreligiöse Offenheit für den Anderen: Gastfreundschaft –
Freunden begegnen, nicht Fremden
Reinhold Bernhardt arbeitet aus christlicher Sicht ausführlich wichtige Grundpositionen interreligiösen Dialogs in verschiedenen theologischen Ansätzen und im Horizont praktischer Begegnung heraus: Es geht um Dialogverständnisse, Gastfreundschaft, um die grund-sätzliche Gemeinsamkeit und Einheit im Religionen übergreifenden Verständnis. So müssen religionsgeschichtliche Verwandtschaften (z.B. Abrahamische Ökumene) und vergleichende Zuordnungen (Komparative Theologie) befragt werden. Sie sind als unterschiedliche dialogische Wegmarkierungen zu verstehen, die der Autor kritisch untersucht.
Die oft pointiert konzipierten interreligiösen Modelle sowohl in der Geschichte wie in der Gegenwart treten mit  ihren Vorzügen und Schwachstellen deutlich hervor. Dabei belässt es Bernhardt jedoch nicht nur bei theoretischen Erwägungen, sondern stellt auch immer wieder Bezüge zur Praxis interreligiöser Begegnung her. Insgesamt führt das den Autor dazu, den Gedanken der interreligiösen Offenheit als hermeneutisches Leitmedium
zu favorisieren. Dadurch kommen die variantenreichen mystischen Wege der Religionen weniger in sein Blickfeld. Denn diese betonen aus der jeweiligen eigenen Tradition heraus erfahrbare Gemeinsamkeiten mit den anderen. Theologisch sind diese Positionen etwa durch Meister Eckhart mit der Beschreibung des „grundlosen Grundes“, durch Ibn ‘Arabi mit der Betonung der „Einheit des Seins“, aber auch im Zen-Buddhismus besonders augenfällig geworden. Bernhardt möchte aber weder pan(en)theistisch noch non-dualistisch bzw. mystisch vereinnahmt werden. Darum bleibt er zurückhaltend und schreibt: „Für die Begegnung mit Anhängern anderer Religionen ergibt sich …, dass Christen mit einer Haltung der respektvollen Offenheit in diese Begegnung gehen können, indem sie damit rechnen, dort von Manifestationen der Gegenwart Gottes überrascht zu werden“ (S. 455). Es wäre spannend zu sehen, wenn Bernhardt in Fortsetzung dieser Nachforschungen die mystischen Wege verschiedener religiöser Traditionen vertiefend ausloten könnte.
English summary:
Interreligious openness to others: hospitality – encountering friends, not strangers
From a Christian point of view Reinhold Bernhardt (university of Basle) points out important basic positions of interreligious dialogue in different theological approaches and in the horizon of practical encounter: It is about understandings of dialogue, hospitality, about the fundamental common ground and about unity in the understanding that transcend religions. Thus historical relations (e.g. Abrahamic ecumenism) and comparative classifications (comparative theology) must be questioned. They should be understood as different dialogical path markings, which the author critically examines.
The interreligious models – often conceived in a pointed manner – both in the past and in the present clearly emerge with their advantages and weak positions. Bernhardt, however, does not only leave it to theoretical considerations, but also repeatedly makes references to the practice of interreligious encounter. All in all, this leads the author to favour the idea of interreligious openness as a hermeneutic leading medium. Thus the various mystical paths of the religions come less into his focus. These concepts emphasize commonalities with the others which can be experienced from the own tradition. Theologically these positions have become particularly obvious, for example, by Meister Eckhart with the description of the "groundless ground", by Ibn ‘Arabi with the emphasis on the "unity of being", but also in Zen Buddhism. Bernhardt, however, does not want to be pocketed either pan(en)theistically, non-dualistically or mystically. Therefore he remains reserved and writes: "It arises for the encounter with followers of other religions ... that Christians with an attitude of respectful openness can go into this encounter by expecting to be surprised there by manifestations of God's presence" (p. 455). It would be exciting to see, if Bernhardt would continue this research by exploring in a deepening manner the mystical paths within the various religious traditions.
Résumé français:
Bonne foi interreligieuse aux autres: l'hospitalité – rencontrer des amis, pas des étrangers
D'un point de vue chrétien, Reinhold Bernhardt (université de Bâle) élabore en détail des positions de base importantes du dialogue interreligieux dans différentes approches théologiques et à l'horizon de la rencontre pratique: il s'agit des compréhensions du dialogue, de l'hospitalité, du terrain commun fondamental et de l'unité dans la compréhension qui transcend les religions. Ainsi, les relations historiques (par exemple l'œcuménisme abrahamique) et les classifications comparatives (théologie comparative) doivent être remises en question. Il faut, qu’on les comprenne comme marques différentes de la voie dialogique, lesquelles l'auteur examine d’une façon critique.
Les modèles interreligieux – souvent conçus très percutants – tant dans le passé que dans le présent, apparaissent clairement avec leurs avantages et leurs positions faibles. Bernhardt ne s'en tient cependant pas seulement à des considérations théoriques, mais fait également référence à plusieurs reprises à la pratique de la rencontre interreligieuse. Dans l'ensemble, cela conduit l'auteur à privilégier l'idée de l'ouverture interreligieuse comme médium dirigeant de l’herméneutique. Ainsi, les chemins mystiques variés des religions entrent moins dans le regard de sa réflexion. Car ceux-ci mettent l'accent sur les points communs avec les autres qui peuvent être expérimentés de la propre tradition respective. Théologiquement, ces positions sont devenues particulièrement évidentes, par exemple chez Maître Eckhart avec la description du "fond sans fondation", chez Ibn ‘Arabi avec l'accent sur "l'unité de l'être", mais aussi dans le bouddhisme zen. Bernhardt, cependant, ne veut qu’il soit récupéré par des idées du pan(en)théisme et du non-dualisme ou mystiquement. C'est pourquoi il reste réservé et écrit : "Pour la rencontre avec les croyants d'autres religions, il en résulte... que les chrétiens qui ont une attitude d'ouverture respectueuse peuvent entrer dans cette rencontre en s'attendant à y être surpris par des manifestations de la présence de Dieu" (p. 455). Il serait passionnant de voir, si Bernhardt poursuive cette recherché en explorant d’une manière profonde les chemins mystiques au sein des différentes traditions religieuses.

Reinhard Kirste

Rz-Bernhardt-Inter-Religio, 30.06.2019 

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