Samstag, 24. August 2019

Marianne Sägebrecht: Energien des Lebens im Horizont des Todes


Marianne Sägebrecht:
Ich umarme den Tod mit meinem Leben.
Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus
2019, 192 S.

--- ISBN 978-3-579-07319-4 ---
Die deutsche Schauspielerin
Marianne Sägebrecht
(geb. 1945) wurde mit den Filmen
Zuckerbaby (1985) und
Der Rosenkrieg (1989) weltbekannt und spielte auch in einigen französischen Filmen mit. Auf das Angebot, ihre Karriere in Hollywood noch zu steigern, verzichtete sie. Hier zeigte sich bereits für die Öffentlichkeit die Besonderheit ihres Charakters. In Deutschland wurde sie mit vielen Preisen geehrt. Sie bleibt aber bei aller Prominenz ein bayerisches Urgestein.
Im Sommer 2019 war sie bei den Bad Hersfelder Festspielen in „Der Prozess“ von Franz Kafka zu sehen. So ist die Schauspielerin nicht nur am Set der Filmproduktionen, sondern auch auf der Bühne des Theaters und des Kabaretts zu Hause. Als Schriftstellerin nimmt sie die Lesenden auf kurzweilige und doch zuweilen tiefsinnige (Lese-)Reisen mit, wobei auch das Kulinarische und immer wieder ihre (Heil-)Kräuter einen gebührenden Platz haben.
Mehr zu Marianne Sägebrecht >>> (steffi-line.de)
Vielleicht kann man schon ahnen, dass immer noch eine andere Seite von Marianne Sägebrecht im Spiel ist, nämlich die eigene Dasein im Horizont des Todes bewusst zu leben. Praktisch übt sie das bereits seit längerem durch die Mitarbeit in einem Münchener Hospiz. Dies scheint mir auch die Folie für ihr neuestes Buch zu sein, eine ganz persönliche Lebensgeschichte der besonderen Art. Die Erzählungen aus ihrem Leben von den ersten Jahren bis ins Jetzt, werden auch durch die Weisheit des Alters gedeutet. Wichtige Prägungen sind dabei Menschen, die sie zu den Kräutern der Natur intensiv hingeführt haben, aber ebenso mit der Glaubenspraxis weltoffener Priester bekannt gemacht haben. Dabei leuchtet immer wieder ihre bayerisch-katholische Frömmigkeit durch, die einen intensiven Gottesglauben mit der Freude am Leben verbindet. Diese Kraft des Lebens hat für sie zugleich eine den Tod überdauernde Quelle, ein Gottesglaube, verbunden mit dem Gedanken einer unsterblichen Seele. Die sie prägende innere Haltung bei der Fürsorge, besonders auch dem Tode nahe kommender Menschen ermöglicht ihr auch, dem eigenenTod gelassen und ohne Angst entgegen zu sehen.
Ein Beispiel: Im Zusammenhang mit einer höchst gefährdeten Ausstellungsvernissage zitiert sie den Abt Petrus des Klosters Schäftlarn: „Es gibt einen schönen Spruch: >Was kümmert uns ein Schiffbruch, wenn Gott der Ozean ist.> Seine Liebe und unser bedingungsloser Glaube haben wieder einmal gesiegt“, spach er (der Abt) jetzt völlig losgelöst“
(S. 95). Aber Marianne Sägebrecht wäre nicht Marianne Sägebrecht, wenn sie nicht anfügen würde: „Ja, aber hätte ich das Fernsehteam nicht zu meinem Spitzwegerich-König auf der Apfelbaumwiese gelockt, wäre doch alles anders gekommen.“ (S. 95).
So lernen wir in diesem Buch ihre frühesten Kindheitserfahrungen am Ende des Krieges kennen, begleiten die junge Marianne gewissermaßen zusammen mit dem Kaplan bei Sterbenden, erleben Patientengeschichten während ihrer Zeit als medizinisch-technische Assistentin, schauen in zwei Künstlerlokale, die sie führte, sehen quasi hautnah Familienkonflikte (auch die Scheidung von ihrem Mann) und Schwierigkeiten des Zusammenlebens. Die Lesenden machen also Bekanntschaften mit Menschen der verschiedensten Art, Künstlern, KollegInnen am Set und auf der Bühne. Wir begegnen mit ihr Prominenten sowie beschützenden, vertrauten und weniger angenehmen Zeitgenossen. Die warmherzige Art ist dabei ein Kennzeichen, das in allen Begegnungen immer wieder hervortritt.
Als Leser werden wir mehrfach im Buch direkt angesprochen – die Texte stehen dann in Kursivschrift. Die kurzen Kapitel und die thematisch passenden Zitate verschiedener Schriftsteller eröffnen zugleich meditative Pausen angesichts der unbeschwert plaudernden Erzählerin.
Das ändert sich auch nicht im letzten Kapitel, wo es im Horizont des Sterbens und im Blick auf die Erfahrung in der Hospizarbeit letztlich um ein Leben nach dem Tod geht, denn hinter allen Höhen und Tiefen des Lebens scheint bei den Gestorbenen oft ein Lächeln im Gesicht auf ...
Im Epilog schließlich legt sie noch vier Gesetze hinduistischer Spiritualität für den eigenen Lebensweg aus (S. 181–182):
  1. Hinter allen Begegnungen steckt kein Zufall,
    sondern der Sinn innerlich weiterzukommen.
  2. Das was geschieht ist das einzig Richtige,
    auch wenn das eigene Ego dagegen rebellieren will.
  3. Alles beginnt im richtigen Augenblick.
    Übrigens – der Mystiker Andreas Gryphius (1616–1664) hat das 
    auf den Punkt gebracht: “Der Augenblick ist mein und nehm‘ ich den in acht, so ist der mein, der Jahr und Ewigkeit gemacht.“  
  4. Akzeptieren, wenn etwas zum Ende kommt, loslassen und mutig vorwärts gehen.

Man spürt bei dieser bayerischen Katholikin, dass gerade ein gefüllt-erfülltes Leben im Sinne eines achtsamen Miteinander-Menschseins eine Weite erzeugt, durch die man auch von der Weisheit der anderen Religionen großen Gewinn für das eigene Leben und Sterben erhält.

Weitere Informationen zum Themenbereich: Sterben, Tod und [ewiges] Leben >>>

Reinhard Kirste

Rz-Sägebrecht-Tod-Leben, 24.08.19

 CC



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