Dienstag, 17. November 2020

Ökonomische Theorien im 21. Jahrhundert. Systemerweiterte Perspektiven in Büchern von Dirk Kaiser


Dirk Kaiser: Economic Theory in the 21st Century. T
Towards a Renewed Understanding of Money and Capital
from a System-wide Perspective

Wiesbaden: Springer [Gabler] 2020, XIII, 110 pp, illustr.

--- ISBN 978-3-658-30639-7 ---

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Nach seiner 2018 erschienenen Theorie der Tauschverträge legt der Ökonom Dirk Kaiser, der vielen Studentinnen und Studenten im Bereich Finance auch durch seine betriebswirtschaftlichen Standardlehrbücher Treasury Management und Advanced Treasury Management bekannt sein dürfte, einer interessierten und nun auch im Blick auf die internationale Leserschaft mit der Economic Theory wieder ein volkswirtschaftliches Buch vor. Letzteres einfach nur als Übersetzung der Tauschverträge ins Englische zu umschreiben, griffe jedoch deutlich zu kurz. Die Economic Theory wurde vielmehr in ihrem inhaltlichen Kern gegenüber dem deutschen Urtext noch einmal sorgfältig feingeschliffen und (was schwerer wiegt) in Vorwort, Zusammenfassung und Ausblick völlig neu formuliert. Dies gibt dem gesamten Text eine frische Note und einen völlig neuen Duktus und eröffnet ihn auch Leserkreisen, die an ökonomischen Fragestellungen weniger aus spezifisch-akademischer Vorprägung denn aus ethisch-sozialem Gesamtinteresse interessiert sind und auf eher populärwissenschaftliche Weise die zentralen gesellschaftlichen Kontroversen unserer Zeit verfolgen und zu beeinflussen suchen.

Der Titel des Buches dürfte einen gewissen Kontrapunkt zum Kapital im 21. Jahrhundert von Thomas Piketty darstellen. Ganz allgemein ist es ja so, dass Bücher mit dem Wörtchen Kapital im Titel (ähnlich bei Sedláček und Tanzer sowie neuerdings auch Milanovič) aktuell wieder den Nerv der Zeit treffen. Dabei wissen diejenigen, die sich beispielsweise einmal an den drei einschlägigen Bänden von Karl Marx abgearbeitet haben, dass dieser Begriff schon seit den Zeiten der (neo-)klassischen Wirtschaftstheorie keineswegs eindeutig definiert ist, sondern vielmehr eine Doppeldimension als Produktionsfaktor und als ein dessen Anschaffung finanzierender Vertrag annimmt. Auch der gewiss nicht in dem Verdacht einer überzogenen Kritik an der Wirtschaftstheorie stehende, unvergessene Mark Blaug sah bereits die sich hieraus ergebenden, „desaströsen“ Konsequenzen. Wenn aber schon dieser Begriff ambivalent ist, wie sehr muss das dann erst für seine sprachlichen Derivate Kapitalist und Kapitalismus gelten?

Geld ist der zweite thematische Kristallisationspunkt des neuen Buches von Kaiser. Während für Goldmünzen und anderes stoffwerthaltige Geld die Vorstellung von einem Geldmarkt den gesunden Menschenverstand nicht überstrapaziert, darf man für das stoffwertlose Geld unserer heutigen Zeit, das Fiat Money, doch schon einmal die Frage nach der Übertragbarkeit des Gedankengangs stellen. Für andere (zurzeit noch) freie Güter - Beispiel Luft - denkt man in Theorie und praktischem Wirtschaftsleben in anderen Kategorien.

Zur Entwicklung seiner Alternativkonzepte, welche mit den Schlagworten Verdopplung des Kapitalbegriffs und Alternative zum Geldmarkt nur äußerst knapp umrissen sind, gibt Kaiser dem ordnungspolitischen Rahmen der Ordoliberalen um Eucken eine neue, auch wirtschaftstheoretische Wertigkeit. Gerade weil der Mensch sich als gierig erweisen kann und zu Betrug, Raub und ähnlichen Fehlfarben fähig ist, bedarf die ökonomische Grundaktivität des Tauschs einer umschließenden Rechtsordnung, die ihn nach dem Grundsatz Pacta sunt servanda schützt.
Insgesamt prägnant dargestellt und originell sind seine Gedanken zu den Themenbereichen der gut gegliederten 15 Chapters (Kapitel).
Wahrscheinlich wird sich mancher Leser bei der Lektüre des aus drei Teilen bestehenden inhaltlichen Kerns des Büchleins allerdings schon das eine oder andere Mal fragen, ob all diese Aussagen denn ohne Theorie und Formeln nicht auch zu formulieren und vermitteln sind. Hier merkt man dann doch den beruflichen Hintergrund des Verfassers als Hochschullehrer und die vermutlich auch in der akademischen Wissenschaft zu verortenden Adressaten der Schrift.

Der Autor Prof. Dr. Dirk Kaiser lehrt Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Finanzmanagement, Banken und Versicherungen an der Hochschule Bochum. Er leitete zuvor den Beteiligungsbereich eines internationalen Touristikunternehmens und die Mandatsbetreuung eines Kreditinstituts. Mit diesem Werk wendet er sich erneut seinem eigentlichen akademischen Ausbildungsfach, der Volkswirtschaftslehre, zu. Die Economic Theory von Kaiser könnte sich als ein wichtiger Ideenlieferant und Impulsgeber für die anstehenden sozioökonomischen Diskussionen und Weichenstellungen unserer Zeit erweisen.


Weitere Rezensionen

Dirk Kaiser: Treasury Management
Betriebswirtschaftliche Grundlagen der Finanzierung und Investition
Wiesbaden: Springer [Gabler], 2. überarb. / aktualisierte Aufl.,  2011, 444 S.

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Treasury Management“ ist ein Lehrbuch zu den klassischen betriebswirtschaftlichen Lehrgebieten Finanzierung und Investition, das inhaltlich und methodisch neue Akzente setzt. Innenfinanzierung, Außenfinanzierung und Investivsaldo, die zentralen Zahlungsmittelströme eines Unternehmens, werden darin über das Cash Flow Statement miteinander vernetzt und durch die verschiedenen Verfahren der Wirtschaftlichkeitsrechnung (Kapitalwert, interner Zinsfuß etc.) einem ganzheitlichen Management zugänglich gemacht.
Auch Themen wie Existenzgründung, Börse, Insolvenzverfahren und die Kapitalflussrechnung nach IFRS werden ausführlich behandelt.
Die zweite Auflage geht neu auf die so genannte 'Mini-GmbH' als gründungsrelevante Rechtsform und die Europäische Aktiengesellschaft ein. Viele Übungsaufgaben, die zu praxisnahen Case Studies verbunden sind, vertiefen das Verständnis für die wirtschaftlichen Zusammenhänge.

  "Zahlreiche Rechenaufgaben, die vier fiktive Unternehmen durch die Kapitel hindurch lösen müssen, und theoretische Einschübe, richten sich nicht nur an Studenten, sondern auch an jung gebliebene Praktiker im Treasury."
TreasuryLog - Informationen für Treasurer und Finanzverantwortliche, 02/2009

"Insbesondere zahlreiche Übungsaufgaben sowie Fallbeispiele und -studien, die dem realen Wirtschaftsleben angeglichen sind, machen dieses Buch zu einer lohnenswerten Lektüre für Studierende und Einsteiger. Für alte Treasury-Hasen ist es ebenso ein gutes Nachschlagewerk."
Der Treasurer - Nachrichten für die Finanzabteilung (Zweiwöchentliche Onlinezeitung aus der FINANCE-Redaktion), 13.11.2008

"'Treasury Management' ist [...] ein Lehrbuch zu den klassischen betriebswirtschaftlichen Lehrgebieten Finanzierung und Investition, welches inhaltlich und methodisch erfrischend neue Akzente setzt.
Als inhaltlicher USP (= Alleinstellungsmerkmal) dieser Monographie kann die gelungene Verbindung der Zahlungsstrom-Perspektive mit der prozessbezogenen Sichtweise des finanziellen Managements gesehen werden, welche in ihrer Gesamtheit des Treasury Management konstituiert ist.
Aus methodischer und didaktischer Sicht überzeugt die sehr gelungene Durchmischung von relevantem theoretischem Wissen einerseits mit praktischer Umsetzungsorientierung andererseits."
ÖBA - Zeitschrift für das gesamte Bank- und Börsenwesen, 09/2008
CREDIT AND CAPITAL MARKETS - KREDIT UND KAPITAL
Redaktionsbüro c/o Universität Hohenheim (510 F)

D-70599 Stuttgart
ccm@uni-hohenheim.de Tel.: +49 (0)711-4 59-2 36 36


Dirk Kaiser: Theorie der Tauschverträge -
Geld und Vermögen im gesamtwirtschaftlichen Gleichgewicht,
Wiesbaden: 
Springer-Verlag,  2018, 1. Aufl., IX, 103 S.


Auch die Robinson-Ökonomie und Planwirtschaften sind durch die beiden ökonomischen Grundaktivitäten Produktion und Konsum geprägt. Nur die Marktwirtschaft bringt den Tausch dazu. Die wirtschaftswissenschaftliche Abbildung orientiert sich bis heute stark an dem Ökonomen León  Walras (1834-1910): Nachdem ein wohl informierter Auktionator zentral ein Preissystem ermittelt hat, das alle Märkte abräumt, werden die korrespondierenden reinen Gütertauschpläne in einem einzigen Zeitpunkt transaktionskostenfrei und direkt umgesetzt. Das Paradigma kann durch das Konzept des Tauschvertrages erweitert werden. Die zeitlose Logik der Marktwirtschaft wird an aktuellen Problemen lebendig: die  Krisenerfahrungen der letzten Jahre ergänzten die Betrachtung der Finanzmärkte im Kontext der Finanzmarktstabilität. 

Auf diesem Hintergrund wird der Inhalt dieses Buches prägnant einleitend dargestellt.  Anschließend formuliert Kaiser originelle eigene Gedanken zu den Themenbereichen der folgenden Kapitel:
Teil I: Tauschverträge und das Walrasianische Paradigma
Teil II: Eine tauschvertragliche Analyse privaten und staatlichen Vermögens
Teil III: Ein externes monetäres Kalkül für den Homo oeconomicus.


Der Autor hinterfragt grundlegende Konzepte, die auf dem Walrasianischen Paradigma beruhen und bietet mit der Theorie der Tauschverträge eine neue Lesart sowie eine konstruktive Ergänzung zur allgemeinen Gleichgewichtstheorie.
Geld ist eine finanzierungsvertraglich strukturierte Ankopplungsstation für diverse zeitliche Grundtypen des Tauschs. Die synallagmatische Marktkonzeption, also die Auffassung vom Tausch als einem gegenläufigen Geschehen, ist im Vergleich zur walrasianischen Einzelobjektauffassung eine eventuell nicht unerhebliche Variation. Zusammen mit dem externen monetären Kalkül könnte diese synallagmatische Konzeption vielleicht die Möglichkeit schaffen, Geld einmal "geldmarktlos" in das System des allgemeinen Gleichgewichts zu integrieren.

Das Buch von Kaiser erhellt die Zusammenhänge generell vorbildlich: es beschreibt das System der Wirtschaftswissenschaften für Makroökonomik/Geldwirtschaft/Finanzmarktökonomie. Ein empfehlenswertes Buch für Studenten der Wirtschaftswissenschaften und für Erkenntnisgewinne der Forschung sowie der Erkenntnisvermittlung verpflichteten Lehre.

Der Autor, Prof. Dr. Dirk Kaiser, lehrt Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Finanzmanagement, Banken und Versicherungen an der Hochschule Bochum. Er leitete zuvor den Beteiligungsbereich eines internationalen Touristikunternehmens und die Mandatsbetreuung eines Kreditinstituts. Mit dieser Theorie der Tauschverträge wendet er sich nun auch wieder seinem akademischen Ausbildungsfach, der Volkswirtschaftslehre, zu.

 Prof. Dr. Eckhard Freyer, Bonn

Redaktion: InterReligiöse Bibliothek (IRB)

Lizenz: CC 


  

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