1. Sabine Kraft: Räume der Stille.
Eine Studie des Instituts für Kirchenbau und kirchliche Kunst der Gegenwart,
Philipps-Universität Marburg. Marburg: Jonas 2007, 111 S., Abb.
--- ISBN 13: 978-3-89445-379-4 ---
Eine Studie des Instituts für Kirchenbau und kirchliche Kunst der Gegenwart,
Philipps-Universität Marburg. Marburg: Jonas 2007, 111 S., Abb.
--- ISBN 13: 978-3-89445-379-4 ---
Trauerraum Universitätsklinikum Regensburg |
Auf den Flughäfen fing es an, aber auch Krankenhäuser,
Schulen, ja inzwischen sogar Fußballstadien haben einen Ort des Rückzugs, Räume
der Stille. Im Blick auf die Vielfalt der Besucher sind viele dieser Räume
nicht nur einer Religion gewidmet, sondern offen für alle Menschen, die einen
Ort der Besinnung, des Nachdenkens und des Gebets brauchen.
Schon im Jahr 2000 erschien ein Beitrag von
Gisela Groß: Religionen Raum geben - multireligiöse Räume der Stille (in: H.-Chr. Goßmann / A. Rotter (Hg.): Interreligiöse Begegnungen. Ein Lernbuch für Schule und Gemeinde. Hamburg: E.B. Verlag, S. 267-276).
Es war sehr zu begrüßen, dass das Institut für Kirchenbau und kirchliche Kunst der Gegenwart an der Philipps-Universität Marburg diese Entwicklung aufmerksam verfolgte. Unter seinem damaligen renommierten
Leiter, Prof. Dr. Horst Schwöbel erschien darum im Jahre 2007 die hier angezeigte
Studie.
Die Architektin Sabine Kraft hat exemplarisch Räume der
Stille untersucht, zuvor aber eine grundsätzliche Differenzierung der
jeweiligen Raumtypen der Stille vorgenommen. So erhält sie im 1. Teil ihres
Buches Interpretationsmuster, die zum besseren Verständnis für Intentionen und
Realisierung von Räumen der Stille dienen können. Sie stellt vor:
- Kapellen und andere Religionsräume: Diese tragen einen starken konfessionellen bzw. konfessionell ökumenischen Charakter, auch wenn sie für alle offen sind. Sie sind auf spezielle Lebensbedürfnisse hin ausgerichtet (z.B. im Krankenhaus).
- Multireligiöse Räume der Stille versuchen dadurch den auf seine/ihre Weise Andacht Suchenden gerecht zu werden, indem sie bestimmte „Nischen“ jeweils einer Religion zuordnen. Das Problem ist hier die gleichmäßige Repräsentation aller in diesem Raum dargestellten Religionen bzw. derer, die nicht dargestellt sind.
- Multifunktionale (interreligiöse) Räume der Stille verzichten auf eine religiöse Zuordnung und geben höchstens diskrete Möglichkeiten für die liturgischen bzw. rituellen Bedürfnisse der Religionsangehörigen (z.B. ein architektonisch indirekter Hinweis auf die Gebetsrichtung nach Mekka).
- Universale Räume der Stille versuchen ihre generelle Offenheit auch architektonisch anzuzeigen, sie sind eher „leere“ Räume, die durch die jeweilige religiöse Praxis „gefüllt“ werden.
- Holistische Räume der Stille sind eine Weiterführung der universalen Räume, bisher auch kaum realisiert. Die Konzentration auf die Mitte ist jedoch entscheidend, und das sparsame Dekor darf nicht in irgendeine religiöse oder weltanschauliche Richtung führen.
Am Schluss ihrer grundsätzlichen Überlegungen fragt die
Autorin, ob es eine Architektur der Stille gibt
(S. 40ff). Sie bezieht sich zitierend auf Justin Kroesen, der sagt: „Als Phänomen in einer dynamischen spirituellen Landschaft fordert die Einrichtung von Stillen Räumen klare Entscheidungen in Bezug auf die verwendete Bildsprache und Symbolik“ (bei Kraft zitiert S. 53).
(S. 40ff). Sie bezieht sich zitierend auf Justin Kroesen, der sagt: „Als Phänomen in einer dynamischen spirituellen Landschaft fordert die Einrichtung von Stillen Räumen klare Entscheidungen in Bezug auf die verwendete Bildsprache und Symbolik“ (bei Kraft zitiert S. 53).
Mit diesen Vorgaben hat Sabine Kraft eine Reihe
unterschiedlicher Räume untersucht, und zwar im Blick auf Kirchen und Klöster,
in Hinsicht auf Krankheit und Sterben („Pflege und Abschied“). Sie schaut sich aber
auch den Raum der Stille im Gutenberg-Gymnasium in Erfurt ebenso wie das
Kirchencenter auf der Frankfurter Messe an, und zwar im Sinne öffentlicher
Räume (ein wenig unscharf unter der Überschrift „Staat und Wirtschaft“). Unter
den Stichworten „Reisen und Rasten“ steht die Autobahnkirche Wiesbaden-Medenbach
im Vordergrund und ein Gedenkraum auf dem Flughafen Düsseldorf. Schließlich
kommen im Kontext von „Freizeit und Kultur“ die Kapelle „Auf Schalke“ und der
Raum der Stille im Brandenburger Tor, Berlin, in den Blick. Schwarz-weiß-Fotos
illustrieren die Texte. Allerdings können sie den jeweiligen Raumeindruck nur
sehr unvollkommen wiedergeben. Einige dieser Räume sind aus dramatischen
Ereignissen heraus entstanden wie der Raum der Stille im Gutenberg-Gymnasium
Erfurt (aus dem Jahre 2005), das durch die Bluttat eines Schülers im April 2002
ins Blickfeld der Öffentlichkeit geriet. Die Schule wurde danach völlig
umgestaltet. So lässt sich dieser neu eingerichtete Raum auch als ein Stück
Aufarbeitung des Geschehenen sehen. Ebenfalls stehen furchtbare Erfahrungen hinter dem
Gedenkraum des Flughafens Düsseldorf, eine überkonfessionelle Stätte in
Erinnerung an die Brandkatastrophe von 1996.
Es versteht sich von selbst, dass die von Sabine Kraft
ausgewählten Beispiele nur ein kleines Spektrum einer Vielzahl von
Meditationsräumen in Europa darstellen. Ihre Beschreibung ist vorsichtig
nüchtern einschätzend. Dennoch versucht sie in ihrer Schilderung die
Besonderheiten des jeweiligen Raumes hervorzuheben und Architektur mit Nutzung
und der Bedeutung von „Stille“ zu verbinden. Sie ermutigt dazu, die jeweiligen
mehr oder minder gelungenen Beispiele im Sinne der vorgestellten Struktur als
kleines Kriterienraster an die Hand zu nehmen und damit zu weiterem Nachdenken für
die Einrichtung solcher Räume zu ermutigen.
Es erscheint sinnvoll, nach mehreren Jahren, auf diese Arbeit erneut hinzuweisen. Unsere Gesellschaften sind in einer derart starken Veränderung, so dass religiöse Bedürfnisse mehr und mehr außerhalb traditioneller Eingrenzungen gestillt werden. Die großen Religionen haben hier eine besondere Verantwortung.
Wie die Diskussionen und Realisierungen weiter gehen, zeigt sowohl der Blick in verschiedene (inter-)religiöse Räume, auch im Sinne der Weiterentwicklung von spirituellen Lernorten
2. Viele Religionen - ein Raum?!
Im Juli 2013 fand an der Universität Marburg eine bemerkenswerte Tagung unter diesem Thema statt. In Verbindung mit der Herbert-Quandt-Stiftung erschien nicht nur der Tagungsband , sondern eine weiterführende Bilanz der bei dieser Konferenz angesprochenen Themenschwerpunkte:
Bärbel Beinhauer-Köhler / Mirko Roth /
Bernadette Schwarz-Boenneke (Hg.):
Viele Religionen - ein Raum?!
Analysen, Diskussionen, Konzepte
Berlin: Frank & Timme 2015, 240. S.
--- ISBN 978-3-7329-0065-7 --- Rezension: hier
Mit Beiträgen von: Markus Schroer, Alexander-Kennith Nagel, Bärbel Beinhauer-Köhler, Ute Verstegen, Alina Bloch, Stephanie Matthias, Rudolf Steinberg, Gerda Hauck-Hieronimi, Gregor Hohberg, Roland Stolte, Wilfried Kuehn, Christian Meyer, Christa Frateantonio.
Bernadette Schwarz-Boenneke (Hg.):
Viele Religionen - ein Raum?!
Analysen, Diskussionen, Konzepte
Berlin: Frank & Timme 2015, 240. S.
--- ISBN 978-3-7329-0065-7 --- Rezension: hier
Mit Beiträgen von: Markus Schroer, Alexander-Kennith Nagel, Bärbel Beinhauer-Köhler, Ute Verstegen, Alina Bloch, Stephanie Matthias, Rudolf Steinberg, Gerda Hauck-Hieronimi, Gregor Hohberg, Roland Stolte, Wilfried Kuehn, Christian Meyer, Christa Frateantonio.
3. Religiöse Orte in Berlin
Thomas Götz / Peter Eichhorn (Texte) / Anna Homburg / Darijus Burneika (Fotos):
BERLIN. Sakrale Orte --- Berlin: Grebennikov 2010, 160 S., Abb., Adressenverzeichnis und Register
Inhaltsverzeichnis
-- Vorwort
-- Vom Mittelalter zur Reformation
-- Neuanfang nach dem 30jährigen Krieg
-- Von Schinkel zu Stüler.
Jahrhundert des Klassizismus
-- Berlin wird Reichshauptstadt
-- Neue Konfessionen im 20. Jahrhundert
-- Zwischen den Weltkriegen und die "Stunde Null"
-- Das neue Jahrtausend
-- Nachwort, Adressenverzeichnis, Register
Rezension: hier
Inhaltsverzeichnis
-- Vorwort
-- Vom Mittelalter zur Reformation
-- Neuanfang nach dem 30jährigen Krieg
-- Von Schinkel zu Stüler.
Jahrhundert des Klassizismus
-- Berlin wird Reichshauptstadt
-- Neue Konfessionen im 20. Jahrhundert
-- Zwischen den Weltkriegen und die "Stunde Null"
-- Das neue Jahrtausend
-- Nachwort, Adressenverzeichnis, Register
Rezension: hier
Reinhard Kirste
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen