Francis X.
Clooney (Hg. Ulrich Winkler): Komparative Theologie.
Eingehendes Lernen über religiöse Grenzen hinweg.
Übersetzung: Michael Sonntag.
Beiträge zur Komparativen Theologie, Band 15
Paderborn: Schöningh 2013, 166 S.
--- ISBN 978-3-506-77655-6 ---
Eingehendes Lernen über religiöse Grenzen hinweg.
Übersetzung: Michael Sonntag.
Beiträge zur Komparativen Theologie, Band 15
Paderborn: Schöningh 2013, 166 S.
--- ISBN 978-3-506-77655-6 ---
Ausführliche Besprechung
Der Jesuit Francis X. Clooney (geb. 1950) gehört zu den Promotoren der Komparativen Theologie. Er leitet an der Universität Harvard das „Center for the Studies of World Religions“. Inzwischen hat sich eine ganze Gruppe von Theologen unter dieser Thematik zusammengetan. In Deutschland ist besonders Klaus von Stosch mit seinem Zentrum für Komparative Theologie und Kulturwissenschaften an der Universität Paderborn (http://kw.uni-paderborn.de/institute-einrichtungen/zekk/) zu nennen. So verwundert es nicht, dass Clooneys komparatives Theologieverständnis in der von Klaus von Stosch herausgegebenen Reihe erscheint und zugleich als unterstützende Argumentation anzusehen ist. Denn Clooney betont wie die meisten komparativen Theologen, dass die globalen Zusammenhänge unserer Welt theologisch umfassend im Vergleich angegangen werden müssten.
In den nicht streng systematisch aufgebauten Beiträgen entfaltet Clooney orientierend im 1. Teil „Komparative
Theologie“ in ihrer Pluralität mit einer gewissen Abgrenzung gegenüber anderen
weitergehenden Ansätzen der religionspluralistischen Theologie, allerdings ohne
sich etwa mit John Hick oder Paul Knitter auseinanderzusetzen. Das geeignete
Instrument zum Verstehen anderer Religionen und des „Erfolgs“ im
interreligiösen Dialog zeichnet sich durch ein respektvolles Zugehen auf das
andere Glaubensverständnis aus, und zwar ohne jegliche Vereinnahmungstendenz.
Zugleich lassen sich Stärken und Schwächen verschiedener komparativen Ansätze
ausdifferenzieren und ihre Tragfähigkeit in der Begegnung der Religionen
überprüfen. Dafür gibt es geschichtliche Beispiele. Der Autor bezieht sich darum
auf eine Reihe von Vorgängern, besonders aus dem 16. Jahrhundert. Hauptintentionen
seiner Arbeit sind jedoch, Ergebnisse aus den Religionsvergleichen zu ziehen
und diese beispielhaft zu verdeutlichen. Dadurch können die Partner interreligiöser
Begegnung viel voneinander lernen.
Von den heutigen
komparativen Theologen stellt der Autor David Tracy, Keith Ward, Robert C.
Neville und James Fredericks vor und versucht auch Raimon Panikkar hier
einzuordnen. Aber wichtiger als theoretische Auseinandersetzungen und
Ausdifferenzierungen sind ihm praktische Versuche, wie er im 2. Teil
unter der Überschrift „Theologie komparativ betrieben“ betont. Dies geschieht
am besten durch vergleichende Lektüre der Texte verschiedener Traditionen. Ins Detail
führt Clooney dies im Hinduismus vor, weil er hier ausführliche Studien über
Jahrzehnte gemacht hat. Er resümiert: „Während meine Theologie sicherlich mein
Studium Indiens geprägt hat, verdankt sich mein Verständnis komparativer
Theologie in starkem Maße der Mimamsa, dem Vedanta und dem Vishnuismus als
besonderen, theologisch verstandenen hinduistischen Traditionen“ (S. 90). Sie
gehören übrigens zu den sechs klassischen indischen Philosophiesystemen.
Auf diese Weise kann er
zeigen, wie durch Lektüre, aber auch durch Begegnungen vor Ort mit anderen
Traditionen, komparative Theologie die eigene theologischen Erkenntnisse
erweitert und vertieft, so dass z.B. durch das Lernen bei Tempelbesuchen klar
wird, dass die Göttin schlechthin sich in vielen Göttinnen manifestiert. So
gesehen, erscheint auch die christliche Maria in neuem Licht, wie das in seinem
Buch „Divine Mother, Blessed Mother:
Hindu Goddesses and the Virgin Mary“ (New York 2005) zum Ausdruck kommt.
Ähnliches geschieht, wenn man Maria und Jesus mit muslimischen Augen
betrachtet. So verändert sich in der Begegnung mit dem Anderen die eigene
christliche Identität. Clooney macht dies konkret und plastisch an Sojourner Truth (1798-1883) fest, einer
Sklavin, die aus ihrer Gottes-Begegnung heraus für Freiheit kämpfte und zur
berühmten US-Frauenrechtlerin wurde. Dies tat sie, ohne in Verbitterung gegen Gewalt
und Leiden in der Sklaverei zu verfallen.
Die spannend zu lesenden Beispiele führen jedoch Clooney nicht in eine
nebulöse Offenheit, sondern zur
Konzentration, Christus neu zu sehen – auch im Spiegel der anderen Religionen.
Christus lässt sich an den Kreuzungspunkten der Religionen immer wieder
entdecken: „Das breitere Lernen muss die Besonderheit des Glaubens nicht
untergraben“ (S. 109): Ganz im Gegenteil!
So ist man auf das Ergebnis gespannt, „die Früchte des Vergleichs“, denen
sich der Autor im 3. Teil widmet. Für Clooney ist wichtig, komparative
Theologie als einen Teilbereich der Theologie insgesamt zu verstehen. Es geht
dabei durchaus um Wahrheit, aber so, dass respektiert und berücksichtigt wird,
wie sie in anderen Traditionen geglaubt wird. Hierbei wird sorgfältige
vergleichende Arbeit geleistet in Verantwortung gerade vor der anderen Religion
und ihrer Interpretation aus dem eigenen (Vor-)Verständnis heraus. Das führt zu
einem vertieften Verständnis des eigenen Glaubens unter bisher so nicht
erkannten parallelen Gesichtspunkten. Beispiele dafür sind das Gottesverständnis,
die Begegnung mit den Göttinnen sowie der Bedeutung der Hingabe für das eigene
Glaubensleben. Clooney belegt dies an der Geschichte einer indischen Heiligen mit
dem entscheidenden Vers zum Gottesbild: „Welche Gestalt sein Volk auch immer
erfreut, das ist seine Gestalt; welcher Name sein Volk auch immer erfreut, das
ist sein Name …“ (S. 130). Also Gott ist der, in dessen Gestalt er erfahren
werden kann (S. 138). Von hier aus holt Clooney als katholischer Theologie
gewissermaßen den Hl. Ignatius ins Boot seines komparativ ausgerichteten Glaubens:
„Gott wirkt in Übereinstimmung mit den Vorstellungsakten der Meditierenden“ (S.
144). Das schließt eine mehrfache religiöse Zugehörigkeit (multiple religiöse
Identitäten, S. 129) keineswegs aus, weil Gott sich dort finden lässt, wo immer
wir ihn suchen.
Clooney weist daraufhin, dass Christentum und Hinduismus auf
diese Weise füreinander durchlässige Religionen werden können. Das sind neue
Möglichkeiten, von denen ich den Eindruck habe, als lägen Clooneys Überlegungen
näher bei der religionspluralistischen Theologie, als es den ersten Anschein
hat. Es ist die Erfahrung einer globalen interreligiösen Begegnung, dass diese
den eigenen Glauben bereichert und vertieft. Komparative Theologie ist darum
nicht nur etwas für Theologen, sondern auch für Christen die Möglichkeit,
Christus neu zu entdecken.
Reinhard Kirste
Rz-Clooney, 31.05.13
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