Klaus-Peter Jörns:
Update für den Glauben.
Denken und leben können, was man glaubt.
Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 2012, 272 S., Abb.
--- ISBN 978-3-579-08145-8 ---
Kurzrezension: hier
Denken und leben können, was man glaubt.
Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 2012, 272 S., Abb.
--- ISBN 978-3-579-08145-8 ---
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Ausführliche Besprechung
Klaus-Peter
Jörns, Gemeindepfarrer, Vikarsausbilder und schließlich Hochschullehrer in
Berlin ist eigentlich erst nach seiner Emeritierung durch herausfordernde
Vorträge und Publikationen populär und ein wenig umstritten geworden. Der
praktische Theologe und Religionssoziologe entwickelte sich zum theologischen
Kritiker christlicher Traditionen aus der Erfahrung religiöser Umbrüche in
unserer Gesellschaft, die er ausführlich soziologisch recherchierte.
Dazu sind erschienen: Was die Menschen wirklich glauben (gemeinsam mit C. Großeholz, Gütersloh 1998), und: Die neuen Gesichter Gottes (München 1997, 2. Aufl. 1999).
Dazu sind erschienen: Was die Menschen wirklich glauben (gemeinsam mit C. Großeholz, Gütersloh 1998), und: Die neuen Gesichter Gottes (München 1997, 2. Aufl. 1999).
Jörns
macht mit seiner radikalen Kritik auch vor der Bibel nicht Halt. Das belegt
besonders das Buch für ein neues Liturgieverständnis: Lebensgaben Gottes feiern. Abschied
vom Sühnopfermahl: eine neue Liturgie (Gütersloh 2007).
Dem kritischen Theologen geht es also nicht nur um Dekonstruktion, sondern um
Neuformulierung christlicher Glaubensinhalte. Dabei muss allerdings einiger
Ballast über Bord des kirchlichen Dogmenschiffes geworfen werden.
Das
kam bereits 2004 publikumswirksam zum Ausdruck: Notwendige Abschiede. Auf dem Weg zu einem glaubwürdigen
Christentum (Gütersloher Verlagshaus 2004, 5. Aufl. 2010). Praktisch
orientiert setzte der Autor zweifach nach: Mehr Leben, bitte! Zwölf Schritte zur Freiheit im Glauben (Gütersloh 2009) und Glaubwürdig von Gott reden.
Gründe für eine theologische Kritik der
Bibel (Stuttgart 2009).
Im Herbst 2012
erschien dann gewissermaßen eine Zwischenbilanz des bisherigen Weges: Update für den Glauben. Denken
und leben können, was man glaubt. Die auch von anderen Autoren schon
angesprochene Neuorientierung religiöser Traditionen fordert die Religionen
viel mehr heraus, als manche immer noch wahrhaben wollen. So verbietet es sich
auch, den Gott der Bibel gegen andere Götter und Göttinnen auszuspielen (S.
234). Angesichts der längst schon selbstverständlich gewordenen
Evolutionstheorie und der Ergebnisse aus der Quantenphysik (vgl. S. 241ff.
245ff) weist Jörns vehement eine Sonderwirklichkeit von
Glaubensgestalten mit ihren kirchlichen Überwucherungen zurück. Mit der 2012
von Jörns mitgegründeten „Gesellschaft für Glaubensreform“ entwickelt sich ein
Forum, das den in dieser Debatte auftauchenden Fragen detailliert nachgeht. So
ist bereits im April 2013 der erste Band der neuen Schriftenreihe Schriften zur
Glaubensreform erschienen, der die von Jörns mehrfach
angesprochene Theodizee-Frage erneut aufnimmt: Lässt Gott leiden? (Gütersloh 2013). Bedenkt man diesen durchaus
aufregenden Weg eines mit der kirchlichen Tradition ursprünglich intensiv
verbundenen Theologen, dann spürt man in „Update für den Glauben“ den
reformerischen Impuls des Autors.
In einem 1. Abschnitt untersucht Jörns Beispiele
aus der Bibel, zeigt religionsgeschichtliche Überschneidungen und Einflüsse auf,
ordnet sie historisch ein und zeigt dann ihre Aktualisierung. Es sei hier nur
die ägyptische Göttin Isis und die „Gottesmutter“ Maria genannt. Von solchen
biblischen Bezügen geht der Autor dann auf das Entmythologisierungsprogramm
Bultmanns im Sinne einer existentialen Interpretation und auf die feministische
Theologie im Zusammenhang der Genderforschung ein. Jörns betont, dass
Religionen schon immer ihre alten Überlieferungen veränderten Lebensbedingungen
angepasst, also „Updates“ gemacht haben.
Im 2. kurzen Abschnitt verweist Jörns auf
einen Systemwechsel in einigen Religionen. So wird die Sonne Glaubenszentrum
sowohl in Nordeuropa wie im Alten Ägypten, die jüdische hebräische Bibel
erweitert sich zur interreligiös offenen christlichen Bibel und weiter zum
Koran. Hier sieht der Autor eine stringente Entwicklungslinie.
Updates
sind also nichts Ungewöhnliches, erweisen sich jedoch für einen lebendigen
Glauben als nötig. Darum geht es im ausführlichen 3. Abschnitt. Das
Christentum hat hier keine Sonderstellung! Alle Religionen sind nur Auslegungswege
und keineswegs eindeutig, wenn sie von Gott reden. In diesem Kontext muss
Bibelauslegung dazu anleiten, innerhalb der Vielfalt der Religionen, Menschen
zu einem eigenständigen Glauben zu verhelfen und nicht alte Sprachmuster – etwa
ausgesprochen problematische Opfervorstellungen – weiter zu tradieren. Damit
kommen immer wieder die entscheidenden Lebensfragen auf die Tagesordnung: Das Ende
und Ziel des Lebens, die Bedeutung des Himmels, Unsterblichkeit und Paradies. Gott
kehrt sozusagen aus dem „Jenseits“ wieder in die Wirklichkeit des Lebens zurück
(S. 121f). Eine so verstandene Menschwerdung Gottes wird zum Muster und Vorbild
von Menschlichkeit, wie dies etwa die Seligpreisungen Jesu ausdrücken (S.
215ff).
Die Quintessenz des Buches sehe ich in Jörns‘
offenem Gottesverständnis. Dass er nicht auf Religionstypen eingeht, die ohne
Gott auskommen wie der Buddhismus und der Taoismus, verwundert etwas. Denn der
Autor versteht unter Bezug auf Teilhard de Chardin Gott als (evolutionären) Geist
der Liebe (S. 100f). Vielleicht wird er hier – ähnlich der
religionspluralistischen Theologie – weiter vorangehen, so dass er weniger von
Gott und mehr vom Göttlichen oder einer letzten entscheidenden Realität zu
reden bereit ist. Ein Ansatz dazu ist mit dem Gedanken der
Wahrnehmungsgestalten Gottes bereits gemacht:
„Die strikte kategoriale Trennung zwischen den Göttern der >Religionen< und dem Gott >der Bibel< … ist von dem Ansatz meines theologischen Denkens her nicht mehr möglich. Und natürlich sind die Göttinnen gleichrangige Wahrnehmungsgestalten Gottes … Welche Gotteswahrnehmungen dazu helfen, Gott zu verstehen, kann nicht vorweg entschieden werden … Das friedliche Zusammenleben der Religionen mit unterschiedlichen Wahrnehmungsgestalten Gottes ist vielmehr die neue integrale Gestalt von Religion, die es zu suchen gilt“ (S. 234f).
„Die strikte kategoriale Trennung zwischen den Göttern der >Religionen< und dem Gott >der Bibel< … ist von dem Ansatz meines theologischen Denkens her nicht mehr möglich. Und natürlich sind die Göttinnen gleichrangige Wahrnehmungsgestalten Gottes … Welche Gotteswahrnehmungen dazu helfen, Gott zu verstehen, kann nicht vorweg entschieden werden … Das friedliche Zusammenleben der Religionen mit unterschiedlichen Wahrnehmungsgestalten Gottes ist vielmehr die neue integrale Gestalt von Religion, die es zu suchen gilt“ (S. 234f).
Wir erleben bei Jörns also
keinen „Verriss“ von Religion und Glaubensformen, sondern ein
religionsgeschichtlich bedachtes, glaub-würdiges und revidierbares Verstehen
eigenen Glaubens unter den Bedingungen der Gegenwart.
Reinhard Kirste
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