David Cheetham / Douglas Pratt / David
Thomas (eds.):
Understanding Interreligious Relations.
Oxford (UK) / New York (USA): Oxford University Press 2013, 464 p., ausführlicher Index
Understanding Interreligious Relations.
Oxford (UK) / New York (USA): Oxford University Press 2013, 464 p., ausführlicher Index
--- ISBN 978-0-19-964585-5 ---
Drei
im interreligiösen Dialog engagierte Wissenschaftler haben diesen Band
herausgegeben: David Cheetham und David Thomas von der Universität
Birmingham und der neuseeländische Religionswissenschaftler Douglas Pratt, zur Zeit an der
Universität Bern. Sie verstehen ihre Zusammenarbeit mit den anderen Forschern
als Orientierungsarbeit angesichts der Begegnung von Religionen auf
unterschiedlichen Ebenen. Sie betonen in ihrer gemeinsamen Einleitung, dass es um die Interaktion von religiösen
Gemeinschaften in Geschichte und Gegenwart, um interreligiöses Engagement und
um die wissenschaftliche-interdisziplinäre Aufarbeitung der damit
zusammenhängenden Phänomene und Probleme geht.
Die
Leitfrage ist im Grunde, wie Religionen sich selbst und im Kontext der anderen
in einer globalisierten und religiös-pluralen Welt wahrnehmen. Zugleich zeigt
sich eine sinnvolle Differenzierung bei der Begegnung mit anderen Religionen.
Die Herausforderung durch die „anderen“ hat auch einen inneren Dialog zur
Folge, also intra-religiös ist es notwendig, sich im Spiegel der anderen
Glaubenstraditionen verändert zu definieren.
Das Buch
teilt sich in zwei Teile, einen ersten grundsätzlichen (7 Beiträge), in dem von
einer bzw. der (überwiegend christlichen) eigenen Religion der Blick insgesamt
geweitet wird. Dem folgen im zweiten Teil 11 Themen und Diskussionspunkte im
Kontext interreligiöser Beziehungen.
Teil I: Religion and the Religious Other
Der Mitherausgeber David Cheetham spricht mehr religionswissenschaftlich und religionsphilosophisch die Frage des religiös Anderen an. Er bezieht sich auf einige Theologen und Philosophen, die eine dialogische Sichtweise in ihrem Denken vertreten. Dies führen z.B. recht unterschiedlich Peter Ochs, Gavin D’Costa, Paul Knitter, John Hick, Emmanuel Levinas und Karl Jaspers vor. Jefferey D. Long (Elizabethtown College, Pennsylvania, USA) diskutiert ähnlich im Kontext von „Hinduism and the Religious Other“. Er beginnt mit der schwer zu beurteilenden Indus-Tal-Zivilisation und kommt über die frühe vedische Periode zum Buddhismus und Jainismus. Dann spielt er die Begegnungserfahrungen des Islam, des Sikhismus und des Christentums mit dem Hinduismus ein. Insgesamt scheinen sich heutige hinduistische Beziehungen zwischen einem (extremen) exklusivistischen Nationalismus und einem inklusivistischen Universalismus zu bewegen. Auch das Judentum kommt über einen inklusivistischen Ansatz nicht hinaus, weil es den Nächsten letztlich doch im eigenen Volk sieht.
Der Mitherausgeber David Cheetham spricht mehr religionswissenschaftlich und religionsphilosophisch die Frage des religiös Anderen an. Er bezieht sich auf einige Theologen und Philosophen, die eine dialogische Sichtweise in ihrem Denken vertreten. Dies führen z.B. recht unterschiedlich Peter Ochs, Gavin D’Costa, Paul Knitter, John Hick, Emmanuel Levinas und Karl Jaspers vor. Jefferey D. Long (Elizabethtown College, Pennsylvania, USA) diskutiert ähnlich im Kontext von „Hinduism and the Religious Other“. Er beginnt mit der schwer zu beurteilenden Indus-Tal-Zivilisation und kommt über die frühe vedische Periode zum Buddhismus und Jainismus. Dann spielt er die Begegnungserfahrungen des Islam, des Sikhismus und des Christentums mit dem Hinduismus ein. Insgesamt scheinen sich heutige hinduistische Beziehungen zwischen einem (extremen) exklusivistischen Nationalismus und einem inklusivistischen Universalismus zu bewegen. Auch das Judentum kommt über einen inklusivistischen Ansatz nicht hinaus, weil es den Nächsten letztlich doch im eigenen Volk sieht.
Bei seinem Durchgang durch die Geschichte, betont Ed Kessler (Universität Cambridge, UK),
dass Maimonides als erster die positiven monotheistischen Wirkungen von Jesus
und Mohammed in den Blick nimmt. Aufklärung und Moderne ermöglichen zwar die
„Juden-Emanzipation“, aber zugleich zeigt sich ein wachsender Antisemitismus,
der schließlich im Holocaust gipfelt. Zu den neueren Belastungselementen eines
dialogisch offenen jüdischen Verständnisses gehört natürlich der
Palästinakonflikt, aber „the Jewish reaquaintanenance with the religious
<other>“ (S. 86) öffnet die Türen zu einem ehrlichen Dialog.
Elizabeth J. Harris (Universität
Liverpool) versetzt sich in buddhistisches
Denken, indem sie sich auf die Lehren des historischen Buddha bezieht und
die Beziehungen zu den „Anderen“ ein Stück weit in die indische Geschichte
hinein verfolgt, besonders im Blick auf Kaiser Ashoka. Schließlich spricht sie
noch die Verbreitung des Buddhismus in Sri Lanka, im Indus-Tal, Tibet, Mongolei
und China und Burma an. Hier kommen die schon bald einsetzenden Begegnungen und
Auseinandersetzungen mit dem expandierenden Islam sowie dem missionarischen
Christentum in den verschiedenen Epochen zur Sprache. Die aktuelle offene
Dialogsituation stellt die Autorin noch am Dalai Lama XIV., an Thich Nhat Hanh
und Rita Gross vor. Anschließend nimmt sie aktuelle Tendenzen des Engagierten
Buddhismus, die Gender-Problematik im Buddhismus und das Konfliktfeld >Konversion<
auf.
Vom Christentum her stützt sich
Perry Schmidt-Leukel (Universität
Münster) auf die durchaus differierenden biblischen Aussagen, die er dann in
der Kirchengeschichte weiter verfolgt. So werden die zuerst innerchristlichen
Konflikte im Blick auf den „Anderen“ thematisiert. Im Weiteren stehen die
christlich-islamischen und christlich-buddhistischen Beziehungen im Fokus.
Systematisiert wird das Ganze unter den christlichen Zugangsweisen zu anderen
Religionen, nämlich unter exklusivistischen, inklusivistischen und schließlich
unter pluralistischen Vorzeichen. Der Autor favorisiert im Gefolge von W.C.
Smith eine (christlich)-pluralistische Theologie der Religionen. Die Zusammenhänge koranisch-islamischen
Verständnisses zu anderen religiösen Traditionen beleuchtet David Thomas (Brimingham). Er gibt einen
geschichtlichen Überblick bis in die Gegenwart und hebt für die heutige Zeit
besonders die religionsökumenische Offenheit von Ismail Raji al-Faruqi,
Mohammed Arkoun und von Mahmoud Ayoub hervor. Es sind Wissenschaftler, die von
bisherigen konservativen Traditionen abweichen.
Teil II: Themes and
Issues in Interreligious Relations
Dieser Teil des umfassenden Werks fokussiert einzelne Themenschwerpunkte,
die interreligiös prägen, bzw. belasten oder zu „Kursänderungen“ herausfordern.
Andrew Wingate (Leicester) spricht
den „Knackpunkt“ Konversion innerhalb des eigenen Glaubensverständnisses
und den Übertritt von der einen zur anderen Religion an. Die Frage ist, ob die
Konversion zu einer anderen Religion ein (einmaliges) Ereignis oder ein auch
länger andauernder Entwicklungsprozess ist. Er spielt diese Überlegungen an
einigen biografischen Beispielen durch. Eine weitere Frage bleibt hier offen,
nämlich: Ist Konversion eine individuelle oder gemeinschaftliche Angelegenheit
oder beides zugleich? Hier greifen offensichtlich religiös/theologische,
kulturell/soziale, persönlich/psychologische und politisch/ökonomische/institutionelle
Faktoren ineinander, die eine (rituelle) Verhaltensänderung zur Folge haben. Konversion
kann durchaus (nur) eine partielle Assimilation an eine andere Glaubensweise
bedeuten. Von daher sollte „Proselytenmacherei“ von den großen Weltreligionen
vermieden werden, gerade dann, wenn davon auszugehen ist, dass keine Religion
das Monopol auf den Weg zum Heil hat.
Marianne
Moyaert (Freie Universität Amsterdam) lässt die Geschichte des interreligiösen
Dialogs Revue passieren, hebt als Wegmarke das Weltparlament der Religionen
von 1893 in Chicago hervor, um dann die Folgen innerhalb der ökumenischen
Bewegung und seit dem 2. Vatikanischen Konzil zu bedenken. Dann geht sie den Typen
des Dialogs nach – mit stärkerer Betonung der Ethik bzw. der Suche nach
Wahrheit. Insgesamt zeigt sich die interreligiöse Dynamik in der Spannung von
Offenheit und Identitätssicherung, die durch interreligiöse Begegnung immer
wieder herausgefordert wird. Da es dabei um ein Verstehen geht, das sich nicht
über den anderen stellt, erlaubt der hermeneutische Zugang keine Vereinnahmungstendenz.
Peter C. Phan (Georgetown Universität
Washington) und Jonathan Y. Tan
(Kath. Universität Sydney) diskutieren interreligiöse Beziehungen unter den Gesichtspunkten
von Majorität und Minorität. Dialog sieht wesentlich anders aus, wenn eine
der Religionen in der Minderheit oder gar unter dem Druck der Mehrheitsreligion
steht. Christliche Beispiele dafür sind Pakistan, Indien, Sri Lanka, Malaysia, besonders
in der Auseinandersetzung mit dem Islam bzw. dem Hinduismus. Anders stellt sich
die Situation in den USA dar, wo die neuen religiösen Minderheiten neue
religiöse Identitäten ermöglichen, und zwar durch die Begegnung des
Katholizismus mit nichtchristlichen Migranten. Barrieren brechen am leichtesten
dort zusammen, wo es in der Begegnung vor Ort gemeinsames Leben und Solidarität
zwischen Majorität und Minorität gibt (S. 239). Fundamentalismus, Exklusivismus
und religiöser Extremismus machen die interreligiöse Begegnung ausgesprochen
schwierig, weil hier Absolutheitsansprüche die offene Diskussion blockieren.
Darauf macht der Mitherausgeber Douglas
Pratt aufmerksam, nachdem er die Geschichte des Fundamentalismusbegriffs
skizziert hat. So kann er zeigen, wie in variierenden Denkschemata (passiv, verstärkend
bejahend, selbst-vergewissernd, verurteilend) Religion sehr schnell in Extremismus
und Terrorismus münden kann. Verständlicherweise muss (religiöse) Friedensarbeit
gerade in Konfliktsituationen Begegnungen ermöglichen, so Anna Halafoff (Universität Victoria,
Australien). Nun sind keineswegs immer religiöse Spannungen die Ursachen für
Konflikte. Vielmehr schieben sich soziale Probleme, Aufarbeitung (post-)koloniale
Strukturen sowie der Umgang mit Migranten und eine zunehmende globalisierte
„marketization“ (S. 265) in den Vordergrund. Dies alles hat sich noch durch
die Terroranschläge vom 11.09.2001 verschärft. Hier sehen interreligiöse
„peacebuilder“ ihre wichtigsten Aufgaben zur Befriedung der Verhältnisse, und
zwar besonders religiöse und nicht-religiöse Mediations-Organisationen auf
lokaler und globaler Ebene.
Nicholas
Adams (Universität Edinburgh, UK) geht ebenfalls den Wirkungen interreligiösen
Engagements in der Öffentlichkeit nach. Er benennt anhand wichtiger
Publikationen sieben Herausforderungen, die es erlauben von (inter-) religiösem
Engagement in „ the public sphere“ oder „ the public square“ in einer medial
geprägten Gesellschaft zu reden. Lässt man die Eigeninteressen der Religionen außen
vor, geht es letztlich immer um „the common good“ (S. 303). In diesem
Zusammenhang äußert sich Mario I. Aguilar
(Universität St. Andrews, UK). Er hebt die Korrelation von Dialog, Befreiung
und Gerechtigkeit für eine Gesellschaft hervor, um so Menschenwürde nicht
nur zu betonen, sondern auch zu sichern. Die entsprechenden katholischen
Äußerungen seit dem Vaticanum II können hier eine Orientierung sein, zu
Bescheidenheit und Demut anleiten und so die Kooperation mit anderen religiösen
Traditionen erleichtern.
In einer globalisierten Welt verändern sich Identitäten. Darum ist es
wichtig, multiple religiöse Zugehörigkeiten genauer zu bedenken. Das leistet
sehr präzise Catherine Cornille
(Boston College, USA). Sie verweist auf die kulturellen und familiären
Identitätsmuster, die sich mit anderen Glaubens- und Nicht-Glaubenselementen in
einer Person verbinden und angesichts des vorhandenen religiösen Pluralismus
neue Persönlichkeitsstrukturen ermöglichen. Das macht natürlich zugleich den
interreligiösen Dialog zwischen einzelnen Religionen fragwürdig. Hier erleben
wir viele Übergangssituationen („temporary or transitional state“, S. 337),
Annäherungen und Notwendigkeit der Neubestimmung von religiöser Zugehörigkeit.
Notwendig, aber durchaus schwierig ist es darum, in der Begegnung
Grenzlinien zu benennen, wie David R.
Vishanoff (Universität Oklahoma, USA) betont. Sie betreffen nicht nur die
Essensgewohnheiten, sondern Sprache; Geografie; Nationalität, Rasse, Kultur und
Abstammung. Missverständnisse liegen auf der Hand. Denn die unterschiedlichen
Gottesvorstellungen, Heilige Orte und synkretistische sowie assimilatorische
Elemente erzeugen einerseits Konversionen und andererseits multiple religiöse
Identitäten. Dies kann jedoch auch die Begegnung unterschiedlich Glaubender voranbringen.
Die moralische Verantwortung gerade der Fachleute liegt darum darin, die
(eigene) religiöse Tradition nicht von der übrigen Gesellschaft zu isolieren.
Wie von daher interreligiöse Kooperationen praktisch möglich werden
(können), zeigt Paul Weller
(Universität Derby, UK). Er durchleuchtet die veränderten Kontexte. Als
überregionale Beispiele führt er an: „The Council of Christian and Jews“ und
„Religions for Peace“. Mit Blick auf Europa – und etwas genauer an
Großbritannien ausgeführt – zeigen sich interreligiöse Netzwerke als
geradezu notwendige Weiterentwicklungen, um auch in Konfliktsituationen
zusammen mit anderen „public bodies“ Frieden stiftend einzugreifen (S. 380).
Nach diesem vielfältigen und beeindruckenden Durchgang durch das Feld
interreligiöser Beziehungen – zwischen lokalen und internationalen
Rahmenbedingungen – sehen die drei Herausgeber in Konsequenz des Dargelegten interreligiöses
Engagement als Zukunftschance. Dabei gilt es jedoch, sehr genau die sich teilweise
schnell ändernden Kontexte, gesellschaftlichen Bedingungen und Trends sorgsam
zu analysieren. Die Korrelation von religiösen Traditionen, Laizismus und
Säkularität im Zusammenhang gesellschaftlicher Pluralität wird zum
hermeneutischen Schlüssel. (Inter-)religiöse Verantwortung kommt ohne
eine „constructive theology“ nicht aus (S. 400). Eine solche Theologie muss
sich jeglicher Prädominanz enthalten, um den Dialog nicht zu gefährden, denn
die eine Religion braucht in einer globalisierten Welt die "andere".
Die hier zusammengetragenen Erkenntnisse machen dieses voluminöse Buch zu einem wichtigen Merkposten im weltweiten interreligiösen Dialog.
Die hier zusammengetragenen Erkenntnisse machen dieses voluminöse Buch zu einem wichtigen Merkposten im weltweiten interreligiösen Dialog.
Vgl. auch das in eine
ähnliche Richtung gehende Buch: David
Cheetham / Ulrich Winkler / Oddbjørn Leirvik/Judith Gruber (eds.):
Interreligious Hermeneutics (2011): http://ein-sichten.blogs.rpi-virtuell.net/2011/06/30/buch-des-monats-juli-2011-interreligiose-interpretationsmuster-im-pluralistischen-europa/
Reinhard Kirste
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