Harald Strohm: Die Geburt des Monotheismus im alten Iran.
Ahura Mazda und sein Prophet Zarathushtra.
Paderborn. W. Fink 2014, 400 S., 5 s/w Grafiken, 12 farbige Abb.
--- ISBN: 978-3-7705-5695-3 ---
Ahura Mazda und sein Prophet Zarathushtra.
Paderborn. W. Fink 2014, 400 S., 5 s/w Grafiken, 12 farbige Abb.
--- ISBN: 978-3-7705-5695-3 ---
Ausführliche Beschreibung
In diesem Buch geht der Religionswissenschaftler
und Psychologe Harald Strohm (geb. 1953) der Frage nach, in wie weit sich der
monotheistische Ahura Mazda der Zarathustra-Religion aus denselben oder
ähnlichen Quellen entwickelte wie in Indien der vedische Gott Asura Varuna. Die
vorliegende Arbeit bildet in gewisser Weise eine Fortsetzung bisher schon
vorgelegter religionsgeschichtlich-psychologischer Forschungen zu Mithras und den
altindischen Religionen.
Strohms durchgängiges Interesse ist, die untersuchten Göttergeschichten aus dem frühen Indien und dem antiken Iran mit der Entwicklung des Kindes von Geburt an zusammenzubringen.
Strohms durchgängiges Interesse ist, die untersuchten Göttergeschichten aus dem frühen Indien und dem antiken Iran mit der Entwicklung des Kindes von Geburt an zusammenzubringen.
Zuerst zeigt er auf, wie der
Priester-Prophet Zarathustra (um 1000 v. Chr.) ein radikal neues Menschenbild
entwickelte, das auch das Christentum wesentlich beeinflusste: „Zarathustra
kann als der ‚Entdecker‘ des freien Willens gelten“ (S. 16), so dass jeder
einzelne aufgrund seiner Entscheidung für oder gegen die neue Heilslehre die
Konsequenzen zu tragen hat – Paradies oder Hölle. Drei Gesichtspunkte kommen im
Zoroastrismus zusammen: Monotheismus, moralischer Dualismus und
eschatologischer Historismus (S. 13f). Wieso aber sollten mythische Elemente
des indo-iranischen Raumes in diese Religion eingewandert sein? Die Antwort
gibt Strohm mit der Untersuchung der vedischen Quellen, die vom
Göttergeschlecht der Devas mit Indra als Anführer reden, während in den
Gathas bei Zarathustra die Daevas als Dämonen und Anti-Götter ins
Blickfeld treten (S. 28f). So lassen sich eine Reihe von verwandten Zügen
erkennen, auch die dämonischen Asuras
und die Söhne der Mutter- und Himmelsgöttin Aditi
(die Zwillinge Varuna und Mitra) verändern sich in ihrer mythologischen
Struktur und erlauben – psychologisch gesehen – eine dualistische Kultentwicklung.
Beginnend mit der frühvedischen Trias von Varuna,
dem höchsten Gott, dem Aryaman und Mitra
(der spätere Mithras) beigeordnet sind, zeigt sich hier die psychologische
Entwicklungsparallele im Kindesalter mit den Erfahrungen von Eifersucht und
Aggressivität, Weltverlorenheit und Regressivität. Hier setzt die (indische) Götter-Therapie
als kosmologische Narrative an, während bei Zarathustra der Dualismus immer
stärker hervortritt. Strohm erreicht nun mit seiner mythologisch-psychologischen Hermeneutik, dass
der Schöpfergott Varuna im polytheistischen
Kontext und sein persisches Pendant, der monotheistische Ahura Mazda (= der Herr der Weisheit) miteinander ins Spiel kommen:
- Die Zwillinge der Aditi, Varuna und Mitra leben
die Spannung von Licht und Dunkel aus.
Sie wirken verändert weiter im Zoroastrismus. - Ahura Mazda und der altindische Varuna stehen in großer religionsgeschichtlicher Nähe zueinander.
- Ahura Mazda wird der neue monotheistische Erlösergott! (S. 99)
- Bei Varuna gibt es keinen ausgeprägten Dualismus, sondern Licht und Dunkel sind noch im Gott selbst vermischt
- Varuna: Im Fortgang der Schöpfung
gibt es Zerstörung, aber Heilung ist möglich.
Dadurch wird Daseinssicherheit gewährt. - Die Bedeutung des Feuers zeigt sich beim indischen Agni mit reinigenden Opferfeuer und wärmenden Herdfeuer. Er ist kontinuierlicher Beschützer des Menschen.
- Dem
monotheistischen Ahura Mazda ist die
Schöpfung misslungen, darum muss das Böse besiegt werden.
Dazu bedarf es des vernichtenden Feuers (Weltende), um die neue Welt aufzubauen.
Diese dramatische Erlösungsstruktur
der neuen Religion spiegelt sich auch in Zarathustras Lebenskontext. Mit
Ausgrenzung und Niederlagen konfrontiert, projiziert er ein transzendentes
paradiesisches Reich mit Anleihen an die vor-zoroastrischen Götter-Typisierungen.
In dieses Paradies kommen jedoch nur diejenigen, die sich willentlich für das
Gute und das Licht entscheiden. So zerstörte Zarathustra mit dieser
Wesens-Veränderung der alten Religion all das, worauf die Vorfahren religiös
gebaut hatten. Nur der finstere Gott, Ahura
Mazda mit seiner auserwählten Priesterschaft, blieb übrig. Diese
beanspruchte die Verfügungsgewalt über die absolute „Wahrheit“ und setzte sie
missionarisch und machtpolitisch um. Damit wurde Gewalt und Krieg Teil der
Religion. Das verlorene und nun exklusiv verheißene Glück, das Paradies der
neuen Welt, blieb für den auserwählten Teil der Menschheit reserviert. Strom
bezeichnet dies psychologisch als „Flucht zurück“ (Regression) und „Flucht nach
vorn“ (Aggression) mit der Hilfe überhöhter Moralvorstellungen. Alle die sich
nicht auf die Seite Zarathustras stellten, wurden zu Feinden. In der Konsequenz
war damit auch das Christentum der Alten Kirche in dieses Feindbild
hineingeraten. Das führte übrigens als historische Episode zur erneuten
Durchsetzung eines verschärften Zoroastrismus im 6. Jh. v. Chr. durch den
Magier Gaumata, die durch die „Anti-Heidenpolitik“ des Perserkönigs Darius d.
Gr. ermöglicht wurde.
Der Einfluss des Zoroastrismus
lässt sich übrigens bei Paulus und seinen „zwei Wegen“ zum Heil oder Unheil für
den Menschen erkennen, ebenso auch in der Gnosis. Dort entwickelte sich die
Hoffnung, den noch verbliebenen göttlichen Lichtfunken in der Seele des
Menschen wieder gegen die bösen Mächte zum Leuchten zu bringen.
Für den Autor ist das heiter
Entspannte aus der Zarathustra-Religion verschwunden, auch wenn die heutigen
Zarathustrer (Parsen) ihre Religion viel optimistischer begründen. Stattdessen –
so Strohm – erklärte der Monotheos
den Krieg, und zwar gegen den Eros und die Schönheit des Weiblichen, gegen die
Lebensfreude, gegen die Tiere, gegen den Rausch(-Trank) und gegen die Bilder.
Dies spiegelt zugleich individualpsychologische Abwehrhaltungen mit
Folgen auch für die Heilslehren des Christentums: Während Jesus selbst mehr der
gewissen Ungezwungenheit altindischer Götter nahekommt (z.B. den
Soma-Indra-Mythen), bedient sich das spätere Christentum offensichtlich
aggressiver zoroastrischer Tendenzen.
Vor uns liegt ein
umfangreiches und zugleich spannendes Buch, das die psychologischen Konsequenzen
oft kühn und manchmal unwahrscheinlich erscheinen lässt, eben weil der
Verfasser die mythischen Veränderungen durchweg in der kindlichen Entwicklung sowohl
progressiv wie regressiv abgebildet sieht. Nicht zu übersehende Konvergenzen
aber laden ein, intensiv darüber nachzudenken, inwieweit und inwiefern sich
kosmisch-mythische Geschehnisse psychologisch in den Lebensrhythmen zum
Erwachsenwerden widerspiegeln.
Reinhard
Kirste
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