Dienstag, 1. Juli 2014

Buch des Monats Juli 2014: Konstantin Wecker - Engagement und Vision



Konstantin Wecker: Mönch und Krieger.
Auf der Suche nach einer Welt, die es noch nicht gibt.

Gütersloher Verlagshaus 2014, 288 S. --- ISBN 978-3-579-07066-7

Ausführliche Beschreibung
Konstantin Wecker (geb. 1947) gehört zu den Menschen, die die Spannungen und Extreme ihres Lebens in poetischer und politisch engagierter Weise in Text und Lied umsetzen. Immer wieder klingt eine gewisse Schwermut durch. Sein neuestes Buch ist eine Art Rechenschaftsbericht der besonderen Art, der sich bewusst der Zukunft öffnet. In den Gestalten von Mönch und Krieger versucht er dies auf den Punkt zu bringen. Das Verhältnis von „Mönch und Krieger“ bewegt den Pazifisten Wecker schon seit langem. Das kam bereits in dem Buch sehr schön zum Ausdruck, das er mit dem Zen-Mönch Berhard Glassmann zusammen verfasste: Es geht ums Tun und nicht ums Siegen. Engagement zwischen Wut und Zärtlichkeit. (2011)  Rezension: hier
Was hier zuerst irritierend und auseinanderklaffend wirken mag, ist in der buddhistischen Zen-Tradition beeindruckend vereint, wenn dort etwa von der „Kunst des kampflosen Kampfes“ gesprochen wird (z.B. Meister Takuan Soho, 1573–1645). Wecker formuliert das so: „Der Mönch und der Krieger, einträchtig in einer einzigen Person vereint – das erscheint wie eine Utopie. Ebenso utopisch mag es anmuten, sich eine Welt zu denken, in der spirituelle Versenkung ebenso ihren Platz hat wie der aktive Einsatz für eine gerechtere Welt. Vielleicht ist die Versöhnung von Gegensätzen ja das Utopische schlechthin, scheinbar am wenigstens entfernt von jeglicher Realisierbarkeit im Jetzt“ (S. 11). Übrigens entstammt der Buchtitel aus einer Zeile des Liedes „Irgendwann“ von 1989: „Mönch und Krieger – nachts am Strand mal ich Verse in den Sand“ (S. 7). 


Nun ist Biografisches von Prominenten durchaus im Trend. Vermutlich würde man auch dieses Buch schnell wieder beiseitelegen, wenn nicht das innere Ringen, die ehrliche Auseinandersetzung und das eigene quälende Scheitern zum Ausdruck kämen. Sie sind untrennbar verbunden mit der Sehnsucht nach Freiheit. Diese Sehn-Sucht zielt immer dahin, das innerste Potenzial des eigenen Menschseins ans Licht zu heben, ohne dabei dem Egozentrismus zu verfallen.
„Ich bin ja immer sehr für die Freiheit eingetreten, aber ich habe es kaum jemals geschafft, frei zu sein von meinen eigenen Trieben. Dazu bin ich wohl zu sehr Genussmensch … Langfristig eignet sich für mich wohl nur ein spiritueller Weg, der sich nicht zu sehr auf Askese und Sinnenfeindlichkeit versteift“ (S. 19). Wecker sieht hier in Jesus einen Bundesgenossen, der zwar auch fastete, aber es auch liebte, mit Menschen freundschaftlich zusammen zu sein. Der Liederpoet aber könnte sich auch auf den Buddha selbst berufen, der sich von der strengen Askese entfernte und nach seinem „Erwachen“ den „Weg der Mitte“ propagierte.

Für die Öffentlichkeit und auch im Buch zeichnen sich drei Lebensphasen des Konstatin Wecker ab: Zuerst der kreative Musiker und Dichter im Lichte der Erfolge eines gesellschaftlich und politisch sensiblen Publikums in den 70er und 80er Jahren. In der zweiten Phase angesichts seines Drogenkonsums und der damit zusammenhängenden Gefängniszeit stürzte sich die Boulevardpresse auf seine Skandale, ohne ihn als sensiblen und scharfsinnigen Künstler wahrzunehmen. Weckers ehrliche Umkehr von diesem Leben zwischen Sucht und Absturz gibt nun endlich – in der dritten Phase – wieder den Blick frei für den Chanson-Sänger. Er gehört ohne Zweifel zu den herausragenden Köpfen der gesellschaftskritischen Liedermacherszene. Seine Tournee mit der daraus entstandene CD „Zwischen Wut und Zärtlichkeit“ (2011) bringt ziemlich genau auf den Punkt, worum es Wecker in dieser seiner „dritten“ Phase nun geht. Es ist die bewusste Auseinandersetzung mit Liebe, Leiden und Tod, mit der unauslöschlichen Sehn-Sucht nach spiritueller Vertiefung, die zwischen lichtvoller Ekstase und dunkler Schmerzerfahrung liegt. Seine Worte und Klänge aber bleiben – wie schon in seinen „frühen Jahren“ – zugleich politischer Protest. All dies ist eingebettet in ein faszinierendes Spannungsfeld von Kunst und Kreativität, verbunden mit philosophischen Gedanken sinnstiftender Vertiefung.

In dieser Weise und nicht im Sinne einer Art Lebensbilanz stellt der Liedermacher darum Brennpunkte, Schlüsselerlebnisse und Knackpunkte seines Lebens vor. An den Anfang der einzelnen “Kapitel“ stellt er jeweils als Motto eines seiner Lieder. Sie nehmen ein Stück weit vorweg, was er weiter sagen will: Trotz eines unerquicklichen Religionsunterrichts öffnete er sich dem Göttlichen. Fragwürdige Gottesbilder zertrümmerte er, weil sich in ihm immer wieder diese transzendierende Sehn-Sucht meldete. Die Zeit im Gefängnis wegen seiner Drogendelikte wird zur verinnerlichten „Bewährung“. 
Er beschreibt – abseits jeglicher Moralisierung die Droge in ihrer Ambivalenz und das Hineingeraten in die Sucht als gefährliche Sackgasse. Sie versperrt das Paradies, das doch eigentlich durch sie gesucht wurde. Konstantin Wecker stellt sich immer wieder seinem Schatten und bricht auf – durch Niederlagen nicht entmutigt – um den Höllen zu entkommen. Mit aller Kraft will er der Lüge durch Anpassung widerstehen und als gottlos Gläubiger die Utopie, den „Nicht-Ort“ zu finden. Auf diese herausfordernde Weise hört er nicht auf, den Protest und die Revolution der Friedfertigen voranzutreiben. Immer wieder ergreift er mit seinen Liedern darum eindeutig Partei und versucht, ganz aktuell-dramatisch-bewegende Situationen sich selbst und seinen Hörern bewusster zu machen. Er ist dabei konsequent auf der Seite der Erniedrigten, der Ausgegrenzten, der Opfer und der beiseite Geschobenen:
„… und so müssen wir es machen: Singen, weil wir ein Lied haben, und weiterkämpfen, weil wir gar nicht anders können … Auf diese Reise kann ich – so hoffe ich – mein Publikum mitnehmen: auf die Reise ins Unerklärliche, Wunderbare, Geheimnisvolle. Und ja – warum auch nicht? –, dann schmettern wir eben von >da oben< den grausamen Choral von der Ungerechtigkeit der Welt und die überirdische Melodie von der Zärtlichkeit des Daseins“ (S. 224, 225). In diesen Erfahrungen kommt eine neue Zeitdimension zur Sprache: das Zusammenfallen von Zeit und Ewigkeit im Augenblick – und so wird jenseits aller Heilslehren Gott selbst vernehmbar (S. 226, 227).

Konstantin Wecker hat von sich ein mutiges Lebensbild sprachlich beeindruckend gezeichnet. Er verleiht damit der Verteidigung solidarischer Menschlichkeit eine besonders glaubwürdige Stimme – der wahrhaften Demokratie zu Ehren. Die Lektüre sei darum allen jungen und alten Suchenden besonders empfohlen.
Reinhard Kirste
 Rz-Wecker-Mönch, 30.06.14


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