Leopold
Neuhold (Hg.): Frieden, Frieden, aber es gibt keinen Frieden.
Theologie im kulturellen Dialog Band 24.
Innsbruck/Wien: Tyrolia 2014, 193 S.
Innsbruck/Wien: Tyrolia 2014, 193 S.
--- ISBN
978-3-7022-3198-9 ---
Ausführliche Beschreibung: hier
Die hier präsentierten
Beiträge wurden im Rahmen einer Vortragsreihe an der Karl-Franzens Universität
Graz im Wintersemester 2011/2012 gehalten. Der Grazer Sozialethiker Leopold Neuhold, der das Buch
herausgegeben hat, sieht die Intentionen in folgende Richtung gehen: Es geht
beim Thema „Frieden“ nicht nur um Gewaltminimierung, sondern um die wirkende
Wirklichkeit“ der Menschenrechte in unmittelbaren Bezug zur persönlichen,
sozialen, politischen und wirtschaftlichen Welt(S. 11).
Die ebenfalls fast
durchweg von der Universität Graz stammenden Autoren und Wissenschaftler gehen
diese Aufgabe unterschiedlich an – mit theologiegeschichtlichen Bezügen und
geografischen Verdeutlichungen und mehr grundlegenden Klärungsversuchen. Dabei
werden kirchenkritische Anfragen nicht ausgeblendet.
Mit einer
theologiegeschichtlichen Betrachtung zu den Friedensvorstellungen bei
Augustinus zieht die Patristin Anneliese
Felber bereits eine Grenzlinie, die Kriege systematisch einschränken
müsste. Nur Ungerechtigkeit der Gegenseite „rechtfertigt“ einen Krieg als
„ultima ratio“. Krieg bleibt dennoch ein Übel – auch unter den Bedingungen von
Gerechtigkeit und Liebe. Das Christentum ist offensichtlich keine pazifistische
Religion, weil die Meinung vorherrscht, mit der Anwendung von Gewalt, eine
gestörte Friedensordnung letztlich doch herstellen zu können.
Der Dogmatiker Bernhard Körner dagegen beschränkt sich
auf den innerkirchlichen Streit, gerade weil nicht immer Glaubens-Motivationen
im Spiel sind. Der Autor sieht allerdings im Konflikt eine bewusste Chance,
wenn es um das gegenseitige Verstehen und die Suche nach der Wahrheit und nicht
um deren Fixierung geht. Was hier für eine Konfession zutrifft, lässt sich am Islam
verdeutlichen. Der Religionswissenschaftler Karl
Prenner prüft dazu die Deutungs- und Handlungsmuster von Dschihad, die
offensichtlich in der gegenwärtigen Situation weit auseinanderdriften. Darum
ist es wichtig, sich auf den Koran zu beziehen, dabei allerdings die
historischen Bedingtheiten seiner Entstehung sowie die Tradition (Hadithe) zu
berücksichtigen. Sie spiegeln ein gegenteiliges Verständnis von dem, was die
modernen „Dschihadisten“ mit ihrem Terror umsetzen. Wie diese Entwicklungen in
der islamischen Welt ausgehen werden, ist angesichts des in diesen Ländern
immer stärker werden Wunsches nach Freiheit und Lebenssicherheit derzeit nicht
abzusehen.
Zu Krieg und Frieden
in Bosnien-Herzegowina äußert sich in einer Rede vom Januar 2012 Valentin Inzko, der Hohe Repräsentant
des Landes. Er hofft, dass gerade die Internationale Gemeinschaft verstärkt
mithilft, den Frieden in diesem ehemaligen Teil Jugoslawiens zu konsolidieren.
Die
Religionswissenschaftlerin Ulrike
Bechmann mischt sich in das ausgesprochen heikle Thema eines Friedens im
„Heiligen Land“ ein. Neben einem geschichtlichen Abriss im Kontext der
politischen Veränderungen Europas im 19. Jahrhundert, des Antisemitismus und
des Kolonialismus geht sie näher auf die Konfliktlinien, Grenzveränderungen und
die Flüchtlingsproblematik seit 1967 ein. Neben der gewaltsamen Intifada zeigt
sie Beispiele von Aktionen der Gewaltlosigkeit durch Kultur auf, wie sie an
mehreren Orten in Palästina u.a in Jenin und Bethlehem, aber auch von jüdischen
Friedensinitiativen in Israel und Europa praktiziert wird. Der Frieden ist allerdings
weiterhin in große Ferne gerückt.
Ein immer wieder
verhandeltes Thema – ähnlich dem Augustin-Beitrag von Anneliese Felber – ist
die Frage nach dem „gerechten Krieg“. Der Fundamentaltheologe Christian Wessely geht in einem ersten Schritt auf die Anfänge
der Kirche im 2. Jahrhundert ein, um von der Diskriminierungs- und
Verfolgungssituation her die politische Neuorientierung des Christentums seit
313 (Mailänder Edikt) anzusprechen. Im zweiten und dritten Schritt untersucht
er dann alttestamentliche und neutestamentliche Gewalt- und
Kriegsvorstellungen, die ihren Bezugspunkt jeweils in der Gerechtigkeit Gottes
haben. Skizzenhaft geht der Autor hier auf die Eschatologie der
Johannesoffenbarung ein, um von daher einige „Streiflichter“ auf die Geschichte
und Lehre der Kirche zu werfen. Die Konstitution „Gaudium et spes“ des Vaticanum II wird ihm dabei zum Leitmotiv,
und zwar so, dass die faktisch auf Verteidigung eingeschränkte dogmatische
Ausformung „von einem >gerechten Krieg< trotz ihrer langen Tradition in
der Lehre der Kirche heute letztlich eine paradoxe und eigentlich unangebrachte
ist“ (S. 137f). Welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind, führt der Autor jedoch
nicht mehr aus.
Josef Pichler als Neutestamentler
untersucht im Kontext von Lukas 2,14, wie die „Pax Romana“ des Augustus nach
einem fast 100jährigen Bürgerkrieg im Römischen Reich von den Profiteuren
dieses Friedens durchweg positiv bewertet wird. Die Unterdrückten erfahren
dagegen deren Tod bringende Konsequenzen, wie die Eroberung Jerusalems und die
Niederschlagung der letzten jüdischen Aufstände zeigen. Immerhin beschreibt
Tacitus erstaunlich offen die Ausbeutermentalität der kaiserlich-römischen
Politik. Das Lukasevangelium setzt gegen diese Haltung eine Friedensperspektive,
die die Gewaltminimierung und damit soziale Wohlfahrt zum Leitziel erhebt (S.
161).
Den
Abschluss dieser viele Aspekte berücksichtigenden Themenreihe bildet Leopold
Neuholds Beitrag zur Problematik der „humanitären Intervention“. Sie bleibt faktisch
militärische Aufforderung zur Verwirklichung der Menschenrechte als ultima ratio, wie dies westliche Demokratien
und die UNO propagieren. Kann man aber Menschenrechte durch Verletzung der
Menschenrechte durchsetzen? In der konkreten Situation scheint dies ein
unausweichliches Dilemma zu sein, so dass wegen des engen Zusammenhangs von Gerechtigkeit
und Frieden die Lehre vom „gerechten Krieg“ in eine Lehre vom „gerechten Frieden“
verwandelt werden muss. Diese nimmt die Ohnmacht Gottes im Zeichen der
Gewaltlosigkeit ernst und bezieht darum in besonderer Weise die Opfer mit ein,
aber nicht im Sinne des Faktischen, sondern so, dass Opfer künftig vermieden
werden müssen.
Der
pessimistische Titel des Buches (aus Jeremia 6,14) wirkt als beunruhigendes
Steuerungselement durch alle Beiträge hindurch. Schaden abwehrende Lösungsansätze
für einen gerechten Frieden scheinen an der konfliktbeladenen Realität der
heutigen Welt zu scheitern.
Vielleicht wäre es insgesamt weiterführender gewesen, wenn Beispiele konsequenten Pazifismus und der christlichen Friedensbewegung sowie Praktiken der Gewaltlosigkeit wie die von Gandhi oder Martin Luther King in diesem Kontext intensiver bedacht worden wären.
Vielleicht wäre es insgesamt weiterführender gewesen, wenn Beispiele konsequenten Pazifismus und der christlichen Friedensbewegung sowie Praktiken der Gewaltlosigkeit wie die von Gandhi oder Martin Luther King in diesem Kontext intensiver bedacht worden wären.
Vgl. auch den weiteren von Leopold Neuhold herausgegbenen Band:
Muss arm sein? Armut als Ärgernis und Herausforderung. Theologie im kulturellen Dialog, Band 15. Innsbruck 2008
Rezension: hier
Muss arm sein? Armut als Ärgernis und Herausforderung. Theologie im kulturellen Dialog, Band 15. Innsbruck 2008
Rezension: hier
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