Hans-Peter Müller/Steffen Sigmund (Hg.):
Max Weber-Handbuch. Leben – Werk – Wirkung
Stuttgart: Metzler 2014, XI, 425 S.
Im Anhang: Zeittafel zur Max-Weber-Gesamtausgabe, Siglen, Auswahlbibliographie, Personenregister --- ISBN: 978-3-476-02432-9 ---
Max Weber-Handbuch. Leben – Werk – Wirkung
Stuttgart: Metzler 2014, XI, 425 S.
Im Anhang: Zeittafel zur Max-Weber-Gesamtausgabe, Siglen, Auswahlbibliographie, Personenregister --- ISBN: 978-3-476-02432-9 ---
Ausführliche Beschreibung
Dieses umfassende Handbuch bietet eine Hinführung und einen weit reichenden Überblick über Leben, Werk und Rezeption von Max Weber (1864-1920) sowie eine Herausarbeitung zentraler Denkkategorien seines einzigartigen und für die Entwicklung in der Soziologie bahnbrechenden Werks. Es hat erhebliche Wirkungen auf Wirtschaft, Kulturwissenschaften, (Religions-)Wissenschaft und (Sozial-)Ethik des 20. Jahrhunderts gezeitigt. Angesichts der in Webers Texten erkennbaren, unterschiedlich akzentuierten Denkmuster, ist es ausgesprochen hilfreich, dass die im und durch das Buch angestoßene Diskussion unter der Leitfrage stattfindet: In welchen Bereichen ist Weber heute noch aktuell?
Hier ist es durch die systematisierende Bündelung umfassender Forschungsarbeit gelungen, einen übersichtlichen Zugang zu Max Webers Denken zu eröffnen. Kompetente Wissenschaftler verschiedener Disziplinen haben unter der Herausgeberschaft der Soziologen Hans-Peter Müller (Humboldt-Universität Berlin) und Steffen Sigmund (Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg) eine enorme Arbeit geleistet. Dies ist umso erstaunlicher, als die Vielfältigkeit des Gesamtwerks von Weber und die sich daran anschließende Diskussion und internationale Weiterarbeit in der Sekundärliteratur auch für Spezialisten kaum wirklich überschaubar sein dürfte.
Dieses umfassende Handbuch bietet eine Hinführung und einen weit reichenden Überblick über Leben, Werk und Rezeption von Max Weber (1864-1920) sowie eine Herausarbeitung zentraler Denkkategorien seines einzigartigen und für die Entwicklung in der Soziologie bahnbrechenden Werks. Es hat erhebliche Wirkungen auf Wirtschaft, Kulturwissenschaften, (Religions-)Wissenschaft und (Sozial-)Ethik des 20. Jahrhunderts gezeitigt. Angesichts der in Webers Texten erkennbaren, unterschiedlich akzentuierten Denkmuster, ist es ausgesprochen hilfreich, dass die im und durch das Buch angestoßene Diskussion unter der Leitfrage stattfindet: In welchen Bereichen ist Weber heute noch aktuell?
Hier ist es durch die systematisierende Bündelung umfassender Forschungsarbeit gelungen, einen übersichtlichen Zugang zu Max Webers Denken zu eröffnen. Kompetente Wissenschaftler verschiedener Disziplinen haben unter der Herausgeberschaft der Soziologen Hans-Peter Müller (Humboldt-Universität Berlin) und Steffen Sigmund (Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg) eine enorme Arbeit geleistet. Dies ist umso erstaunlicher, als die Vielfältigkeit des Gesamtwerks von Weber und die sich daran anschließende Diskussion und internationale Weiterarbeit in der Sekundärliteratur auch für Spezialisten kaum wirklich überschaubar sein dürfte.
Für die eigene Beschäftigung mit Weber wirkt sich von Anfang an positiv
aus, dass die Herausgeber gewissermaßen „Sichtschneisen“ freigelegt haben. Dies
betrifft zum einen das spannungsgeladene Leben von Max Weber (Teil 1) im
Horizont des Kaiserreiches und des 1. Weltkriegs, dann eine Auflistung und Kommentierung
wichtiger Begriffe und Denkmuster von A-Z (Teil 2) und schließlich
Werkgruppen mit verdeutlichenden Zitaten aus Webers Gesamtwerk (Teil 3).
Sie umfassen in 6 Abschnitten die Wirtschafts-, Politik und
Sozialgeschichte in Antike und Mittelalter. Dann erfolgt unter ähnlicher
Themensetzung die Eingrenzung auf Deutschland und Europa des 19./20.
Jahrhunderts. Eigene Bereiche bilden auch Webers Wissenschaftslehre, Beiträge
zur Religionssoziologie (wiederum historisch und aktuell gesehen), ferner
Zusammenhänge von Wirtschaft und gesellschaftlichen Ordnungs- und
Machtstrukturen.
Im ausführlichen Diskussionsteil des Handbuchs (Teil 4) geht es um
die Auseinandersetzung mit der Moderne, Entgrenzung westlichen Denkens bis hin
zu Fragen der Europäisierung und Globalisierung im Kontext der
Nationalstaatsidee. Dabei werden auch die Säkularisierung, die Bewertung von Kapitalismus
und Religion(en), Rechtsvorstellungen in Europa und im globalen Kontext
angesprochen. Die Diskussion hat ihren Fokus bei Arbeit und Beruf sowie in der Erziehung
zum Politischen.
Bedenkt man dies, wird sehr schnell deutlich, dass Webers wenig
systematischer Beitrag Protestantische
Ethik und der Geist des Kapitalismus (1904/1905/1920) und das wohl am
häufigsten zitierte Konvolut Wirtschaft
und Gesellschaft im Gesamtkontext seines Werks eingeordnet werden muss.
Denn der
Geist des Kapitalismus ist zwar gekennzeichnet durch ein rational
ausgerichtetes Gewinnstreben und durch die Forderung nach Rentabilität, aber
eben nicht durch die (neoliberale) Gier nach höherem Profit auf Kosten der
Betriebsführung und der arbeitenden Menschen. Eine stringente
Einschätzung von Webers Wirtschaftsethik und Religionssoziologie ist daher keineswegs
ein leichtes Unterfangen, wie schon die Entstehungsphasen dieser Texte Webers und
der Diskussionsteil im Handbuch beweisen. Sie wurden zwischen 1909 und 1914 und von
1918 bis 1920 erarbeitet. Weber veröffentlichte sie 1921/22,
seit 1956 sind sie zusammengefasst unter dem Titel: Wirtschaft und
Gesellschaft – Grundriss der verstehenden Soziologie.
Angesicht der Fülle von Webers Denkansätzen möchte ich mich auf sein protestantisch-intellektualistisches
Askese-Religionsverständnis konzentrieren. Zur Konturierung lohnt sowohl die
Einsicht in „Die Protestantische Ethik
und der Geist des Kapitalismus“, als auch in Webers handlungsorientierte
Intentionen zur Wirtschaftsethik im Kontext der Weltreligionen. Die folgende
Themenauswahl hat darum durchaus subjektiven Charakter:
Gesinnungs-
und Verantwortungsethik: Martin
Endreß (Universität Trier) hebt besonders die „typologische Differenz der bei
Weber zutage tretenden Grundspannung hervor, um daran dessen Einfließen in das
„Gebiet der praktisch politischen Wertungen“ anzuzeigen (S. 53).
Sinnfrage: Bei der
Diskussion um den Lebenssinn bemerkt Wolfgang
Ludwig Schneider (Universität Osnabrück), wie sehr die idealisierte
Sinndeutung bei Weber seine Annäherungen an den Hinduismus und den „asketischen
Protestantismus“ mit erheblichen Unschärfen belastet, Das fällt besonders bei
den Klärungsversuchen symbolischer Sinnzusammenhänge auf sowie beim Verstehen
von Handlungsmotivationen. (S. 126)
Wertekonflikte: Im Rahmen
der Kulturbedeutung der Strukturen menschlichen Geisteslebens behandelt der
Herausgeber Hans-Peter Müller die
Zusammenhänge von Zeitdiagnosen und Ethik und spricht dabei ebenfalls die
Sinnproblematik in der Lebensführung an – mit dem erstaunlichen Ergebnis,
dass Weber ohne einen „führenden Oberwert“ auskommt (S. 146)
(Welt-)Religionen: Der
Bremer Religionswissenschaftler Hans G.
Kippenberg verweist darauf, dass Weber letztlich eine Definition von
„Religion“ verweigert, aber „dass ein Prozess der Entzauberung (…) die Ursache
dafür sei, dass die Kultgebilde des Abendlandes – Wirtschaft, Staat, Recht,
Wissenschaft, Kunst – sich fundamental von den asiatischen unterschieden“ (S.
117). Weber muss dennoch „ein generelles Streben des Menschen nach Sinn und
Heil postulieren“ (S. 121).
Hinduismus
und Buddhismus: Mateusz Stachura (Universität
Heidelberg) zeigt, wie Weber vom Gedanken des „Habitus“ her den Blick auf das Kastensystem
lenkt. Er erkennt – quasi protestantisch wohlwollend – eine an immerhin an Dharma-Regeln
fixierte Berufsethik. Sie ist allerdings in die gesellschaftlich tief wirkende Karma-Lehre
eingebettet, die er als Weltflucht bewertet. Hier sieht Weber den Buddhismus
eingreifen. Dieser überwindet aber keineswegs die Irrationalität des Hinduismus,
sondern bleibt in traditionalistischen Kompromissen stecken.
Konfuzianismus/Taoismus: Das
weltoptimistische Konfuzianismus-Bild, wie es die jesuitischen China-Missionare
in Europa verbreitet hatten, prägt auch Webers China-Verständnis. Darum stellt er
den Taoismus in seiner geradezu magischen Irrationalität gegen die Lehren der
Konfuzianer. Darauf verweist der Sinologe Hans
van Ess (Universität München). Er spitzt den Diskurs insofern noch zu, wenn
er die Wirkungsgeschichte westlicher China-Projektionen und die Weber-Rezeptionen
Späterer mit der (kommunistischen) China-Realität des 20. Jahrhundert
vergleicht – eine nicht zu übersehende Diskrepanz.
Antikes
Judentum: Die Alttestamentlerin Christa
Schäfer-Lichtenberger (Kirchliche Hochschule Wuppertal) sieht wegen der
Rechtsüberlieferungen und der Bewertung jüdischer Minoritäten in
Mehrheitsgesellschaften durch Weber dessen Analysen als beispielgebend „für
eine vergleichende ´historische Soziologie“ (S. 284) an, erstaunlicherweise trotz
der Überholtheit einer Reihe von Webers sozialgeschichtlichen Thesen. Das hat
offensichtlich damit zu tun, dass sich soziologisch mit der Anwendung des „Paria-Konzepts“
die gesellschaftliche Randstellung bestimmter Gruppen deutlich hervortritt.
Dies gilt nach Webers Meinung gerade für das antike Judentum (S. 284).
Religiöse
Gemeinschaften: In solche Überlegungen zu den Religionen fügt sich nahtlos Webers
typologischer Beitrag über „Religiöse Gemeinschaften“ (1922) ein. Es handelt
sich hier um das religionssoziologische Kapitel von Wirtschaft und Gesellschaft“. Es wurde zur Voraussetzung für Webers
Wirtschaftsethik der Weltreligionen.
Der Bochumer Religionswissenschaftler Volkhard
Krech bringt das in seinem Beitrag über religiöse Gemeinschaften auf
den Punkt: „Der zentrale Gegenstand der Weberschen Religionssoziologie wie
seiner Soziologie überhaupt ist der universalhistorische Prozess der
Rationalisierung des Handelns“ (S. 291).
Bilanz:
Hier konnten nur wenige Orientierungsmarken im religiösen Kontext gesetzt werden. Aber sie zeigen bereits, wie wichtig Max Weber mit seiner Disziplinen überschreitenden Soziologie und Ethik auch im 21. Jahrhundert bleibt. Seine Analysen und Beurteilungen im Kontext der weiter international geführten Diskussion – auch um die Bedeutung der Religion(en) und besonders in der Verbindung von Protestantismus und Kapitalismus – erlauben nicht, ihn für eine bestimmte „protestantische“ Sicht zu vereinnahmen. Das Handbuch bietet eine vorzügliche Basis-Möglichkeit, die Auseinandersetzung im Kontext seines Denkens weiter zu führen. Das lohnt sich gerade im Blick auf die gesellschaftliche Relevanz der (Welt-)Religionen. Die nicht zu übersehenden Spannungen von religiösem Idealtypus mit entsprechender Heilserwartung, ethischem Anspruch sowie dem faktischen Verhalten im Kontext gesellschaftlicher Realität markieren Konfliktlinien, vor deren globalen (und oft katastrophalen) Auswirkungen letztlich niemand die Augen verschließen darf .
Hier konnten nur wenige Orientierungsmarken im religiösen Kontext gesetzt werden. Aber sie zeigen bereits, wie wichtig Max Weber mit seiner Disziplinen überschreitenden Soziologie und Ethik auch im 21. Jahrhundert bleibt. Seine Analysen und Beurteilungen im Kontext der weiter international geführten Diskussion – auch um die Bedeutung der Religion(en) und besonders in der Verbindung von Protestantismus und Kapitalismus – erlauben nicht, ihn für eine bestimmte „protestantische“ Sicht zu vereinnahmen. Das Handbuch bietet eine vorzügliche Basis-Möglichkeit, die Auseinandersetzung im Kontext seines Denkens weiter zu führen. Das lohnt sich gerade im Blick auf die gesellschaftliche Relevanz der (Welt-)Religionen. Die nicht zu übersehenden Spannungen von religiösem Idealtypus mit entsprechender Heilserwartung, ethischem Anspruch sowie dem faktischen Verhalten im Kontext gesellschaftlicher Realität markieren Konfliktlinien, vor deren globalen (und oft katastrophalen) Auswirkungen letztlich niemand die Augen verschließen darf .
Reinhard
Kirste
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen