SPEKTRUM IRAN.
Zeitschrift
für islamisch-iranische Kultur.
Die vierteljährlich erscheinende Zeitschrift (mit jeweils etwa 100 Seiten) wird von der Kulturabteilung der Botschaft der Islamischen Republik Iran in Berlin herausgegeben und erscheint im Verlag Traugott Bautz, Nordhausen.
Die vierteljährlich erscheinende Zeitschrift (mit jeweils etwa 100 Seiten) wird von der Kulturabteilung der Botschaft der Islamischen Republik Iran in Berlin herausgegeben und erscheint im Verlag Traugott Bautz, Nordhausen.
Die behandelten Themen betreffen überwiegend Kultur, Geschichte und Religionen im Blick auf die Vergangenheit, aber auch gegenwärtige Entwicklungen des Iran werden angesprochen. Das "Spektrum" der einzelnen Beiträge ist darum keineswegs einlinig ausgerichtet, sondern eröffnet oftmals ungewohnte Perspektiven.
Im Blick auf die Begegnung der Religionen im Iran sei besonders hingewiesen auf:
Im Blick auf die Begegnung der Religionen im Iran sei besonders hingewiesen auf:
- Nr. 04 (2017 - in der Printausgabe = Nr. 03/2017!:
Integration und Koexistenz der Minderheiten im Iran. Aspekte und Konzepte
Texte zum Download: hier
Vorstellung des 27. Jahrgangs
2014, Nr. 01-04
2014, Nr. 01-04
Hg.: der Kulturabteilung der Botschaft
der Islamischen Republik Iran in Berlin,
der Islamischen Republik Iran in Berlin,
Ausführliche Beschreibung
Trotz vieler Informationen, die über den Iran inzwischen
in den deutschen Medien erscheinen, sind doch kulturelle und religiöse
Hintergrundinformationen über die Tagesaktualität hinaus keineswegs
selbstverständlich geworden. So herrscht immer noch ein Persienbild vor, das
durch die Spannung von Orient-Mythos und Post-Khomeini-Revolution geprägt ist.
Hier ein Stück Differenzierung hineinzubringen, bemüht sich die Islamische
Republik Iran mit ihrer Kulturabteilung seit 27 Jahren.
Die in ›Spektrum Iran‹ veröffentlichten Beiträge kommen
aus den Bereichen Iranistik, Orientalistik, Islamwissenschaft, Archäologie,
Ethnologie, Geschichte, Literatur, Philosophie, Kunst, Soziologie sowie
Religion und Theologie. Berühmte IslamwissenschaftlerInnen wie z.B. Annemarie
Schimmel haben hier geschrieben. In früheren Jahren driftete die Zeitschrift
jedoch manchmal in sehr spezielle Themen ab, die höchstens
Iranistik-Spezialisten interessieren konnten.
Von 2014 - 208 hatte Spektrum Iran als Schriftleiter, Prof. Dr. Hamid
Reza Yousefi (Universität Qom, Iran). Er lehrte auch viele Jahre an der Universität Koblenz-Landau. Als
Religionswissenschaftler und Philosoph im Bereich der interkulturellen
Philosophie hat er sich einen Namen gemacht und das Institut zur Förderung der Interkulturalität
in Trier gegründet. Durch seine iranischen Wurzeln und durch die
Auseinandersetzung mit der Philosophie und dem Islam im Abendland nimmt er
gewissermaßen eine Brückenfunktion wahr.
Ganz im Sinne der Brückenfunktion von ›Spektrum Iran‹
kommen islamische (überwiegend) schiitische und christliche Autoren (bisher
noch keine Frau!) zu Wort, die aus ihrer jeweiligen philosophischen oder
religiösen Tradition die genannten Themen unter speziellen Gesichtspunkten
behandeln.
Die Autoren nehmen von ihrem jeweiligen
Forschungsschwerpunkt das vorgegebene Thema auf. Es seien hier nur einige
herausragende Forscher erwähnt:
Peter
Antes
(Universität Hannover) bearbeitet als Religionswissenschaftler Methodenfragen
und Perspektiven des interreligiösen Dialogs – auch im Blick auf die religiösen
Veränderungen in Europa. Reza Davari
Aredekani, Präsident der ›Akademie der Wissenschaften Irans‹, beschäftigt
sich neben Philosophiegeschichte mit Grundfragen der Ethik. Der Religionswissenschaftler
Wolfgang Gantke (Universität
Frankfurt/Main) hat seine Forschungsschwerpunkte auf Religionsphänomenologie,
Religion in der Moderne, auf den Neo-Hinduismus und den interreligiösen Dialog
gelegt. Hans-Christian Günther
(Universität Kiel) setzt als klassischer Philologe als Schwerpunkte nicht nur
die griechische und lateinische Dichtung, sondern neben der antiken Philosophie
und Byzantinistik auch Neo-Gräzistik sowie den interreligiösen Dialog. Heinz Kimmerle (Universität Rotterdam)
gehört zu den Wegbereitern für die Grundlagen interkultureller Philosophie. Seyed Mohammad Marandi (Universität
Teheran) ist Spezialist für Nordamerika-Studien und Fragen des Eurozentrismus. Klaus E. Müller (Universität
Frankfurt/Main) geht als Ethnologe den Grundfragen der Moral und speziell der
Verhaltens- und Kognitionsethnologie nach. Seyyed
Hossein Nasr (George Washington Universität, USA) kümmert sich seit langem
intensiv um eine Aufarbeitung der islamischen Geschichte und der Mystik sowie
deren hermeneutisch aktualisierenden Vorbedingungen. Ayatollah Reza Ramezani ist Theologe und leitet das Islamische
Zentrum in Hamburg. Sein Arbeitsspektrum umfasst insbesondere die Schia mit
Exegese, Logik und Gnosis. Ali Akbar
Velayati war iranischer Außenminister und als Politiker aus deutscher Sicht
keineswegs unumstritten.
Weiterhin fällt auf, dass mehrere,
besonders jüngere theologische und philosophische Wissenschaftler von einer der
zahlreichen Universitäten in Qom stammen. Einige begannen ursprünglich als
Lehrerseminar und erhielten 1997 den Status einer Universität. Die Universität
Paderborn pflegt mit dortigen Theologen und Philosophen einen regen
dialogischen Kontakt.
Im Heft 1: Was
ist Kultur? werden zunächst verschiedene
Kulturbegriffe dargestellt, anschließend die persisch-vorislamische sowie die
islamische Geistesgeschichte europäischen Kontexten gegenübergestellt. Ali Akbar Velayati sieht innerhalb der
Geschichte Irans durchaus Spannungen zwischen dem Islam und der persischen
Kultur. Eine chancenreiche Brückenfunktion gerade durch Kulturveränderungen (in
Europa und im Mittleren Osten) betonen Reza
Ramezani, Ali Radjaie, der
übrigens auch mit Annemarie Schimmel zusammengearbeitet hat, und Philipp Thull. Eine Interpretation ihrer
Entwicklungsgeschichte mit Hilfe einer Hermeneutik wird zur Verständigung der
Kulturen vorgeschlagen. Diese könnte als gemeinsame Kommunikationstheorie über
geografische Räume hinaus einem universalen Kulturverständnis dienen. Diese
Tendenz verstärken Hamid Reza Yousefi und
Peter Gerdsen hin zu einer
(theologischen) Hermeneutik der Kulturen, die als Verständigungskriterium
erhebliche Faszination ausstrahlt.
Gerdsen, ein Spezialist für
Nachrichtentechnik, befasst sich besonders mit der Grenzlinie von Natur- und
Geisteswissenschaften.
Gegenstand von Heft 2: Was ist Philosophie? ist
das Spannungsfeld
zwischen Vernunft, Denken und Interkulturalität. Hamid Reza Yousefi versteht als anthropologische
Grundkonstante den denkenden Menschen, während die iranischen Autoren sowohl
den Stellenwert der Vernunft in der islamischen Kultur sowie im
zeitgenössischen Iran untersuchen. Seyyed
Hossein Nasr fordert die Wiederbelebung einer eigenständigen islamischen
Philosophie ein, um diese endlich aus ihren verinnerlichten westlichen
Sichtweisen herauszuführen. Heinz
Kimmerle lenkt den Blick verstärkt auf afrikanische Kulturen, um von den
dort entwickelten Zeitverständnissen den europäischen Umgang mit der Zeit unter
seiner Hast- und Produktivitätsorientierung in Frage zu stellen. Eine
Philosophie, die unter der Dominanz von Rationalität steht, stellt den Horizont
von Mythos, Kunst und Religionen zu sehr ins Abseits. Sie kann interkulturell
nur defizitär sein, wie Harald Seubert
(Basel / München) betont.
Nach Kultur und Religion steht in Heft 3 die
religiöse Frage Was ist Religion? im
Mittelpunkt. Ayatollah Reza Ramezani versucht
eine Antwort, indem er auf die erstaunliche Pluralität der Schia in ihrer
Geschichte verweist. Hujjat ul-Islam
Hamidreza Torabi zeigt, wie im schiitischen Islam die Vernunft, in
komplexen Zusammenhängen von Gerechtigkeit und Willensfreiheit, zu den
Basisfaktoren eines theologischen Systems gehört. Peter Antes geht dagegen nicht nur von den Intentionen von Religion
aus, sondern spitzt die Frage nach ihrer Nützlichkeit für die entscheidenden
Sinn- und Lebensfragen zu. Denn Religion ermöglicht Kontingenzbewältigung,
Wertevermittlung, soziale Integration und Identitätsfindung (S. 67). Das lässt
sich sehr schön an der Funktion von Religion im privaten und öffentlichen Raum
exemplifizieren und konkretisieren bzw. mit Hans-Christian
Günther als wichtige Herausforderung formulieren. Wolfgang Gantke präzisiert von daher die Aufgabe der Religionen.
Sie besteht darin, angesichts von beunruhigenden Gewalt-Eskalationen im
prophetischen Protest Missstände anzuprangern und durch die kontinuierliche
Einforderung des Gesprächs die Aggressionspotentiale zu vermindern.
Angesichts der drei bisher verhandelten Basisbegriffe und
ihrer komplexen Querverbindungen – erkenntnistheoretisch wie historisch –
spielt das Stichwort ›Tradition‹ eine Schlüsselrolle in Heft 4: Was ist Tradition? Seyyed Hossein Nasr fängt die schillernde Vielfalt und
Instrumentalisierung des Begriffs durch die Zuspitzung auf Logik und
Hermeneutik ab. Damit überlässt er das Feld nicht den orthodoxen, unbeweglichen
Auslegungen, sondern gibt einem
Traditionsverständnis Raum, das sowohl der Moderne gerecht wird als auch eine
Brückenfunktion zwischen Orient und Okzident wahrnehmen kann. Seyyed Mohammad Marandi und Zohreh N.
Kharazmi verdeutlichen mit
ihrer Beschreibung des
Kiyan-Kreises, eines reformistischen Ausbildungszentrums im Iran, dass sich
trotz eines umfassenden traditionell-religiös-gesellschaftlichen Horizonts eine
säkulare Ideologie entwickeln kann. So scheint es auch möglich und sinnvoll,
den Koran und seine Auslegung mit der Moderne kompatibel zu machen. Neben
diesem spannenden Beitrag lenkt Hamid Reza Yousefi auf die Sinndeutung
und die Funktionen des Norouz-Festes hin, und zwar mit intensiven
Bezügen zur Zarathustra-Religion. Klaus
E. Müller betont in seinem
Beitrag das Wechselverhältnis zwischen Tradition und ethischer Verantwortung,
deren Entwicklung keineswegs selbstverständlich voranschreitet. Angesichts von
Innovationen werden Tradition und Moral gleichermaßen brüchig. Es stellt sich
die Frage, was christliche Traditionen in einem solchen Kontext geleistet oder
versäumt haben. Reinhard Kirste (Interreligiöse
Bibliothek, IRB)) zeigt an Protagonisten und dem ›linken Flügel‹ der
Reformation des 16. Jahrhunderts, wie eine Neuausrichtung der Bibel-Auslegung
im Protestantismus gesellschaftliche Veränderungen freisetzt. Trotz der im
17./18. Jahrhundert folgenden hermeneutischen Verhärtungen wird Tradition dank
der Aufklärung letztlich in einen lebendigen Verstehensprozess hineingenommen,
der auf die Bewältigung gegenwärtiger Probleme ausgerichtet ist. Die Betonung
der Bedeutsamkeit von Texten schneidet Vergangenes keineswegs ab, sondern
ermöglicht ein korrigierendes religiöses Selbstbewusstsein, das sich den
Veränderungen in der Gesellschaft auch mit ethischen Maß-Setzungen stellt.
Bilanz
Diese vier geschichtlichen, systematischen
und aktualisierenden Anfragen an Kultur, Philosophie, Religion und Tradition in
dieser Heftreihe setzen zwar keine endgültigen Antworten frei, aber immerhin
eröffnet sich ein ›weites Feld‹, auf dem die verschiedenen Ansätze gerade
zwischen Orient und Okzident eine pluralitätsfähige ›Bebauung‹ ermöglichen.
Damit fallen scheinbar unüberbrückbare Gegensätze in sich zusammen und
eröffnen gemeinsam erweiterbare ›Gehwege‹. Denn alle verengenden
Beschreibungen von Kultur, Philosophie,
Religion und Tradition vergessen die universale und zugleich relativierbare
Ausrichtung aller Kommunikationsmuster in Geschichte und Gegenwart. ›Spektrum
Iran‹ kann dazu sicher noch weitere wichtige interkulturelle und interreligiöse
Beiträge leisten.
Reinhard
Kirste
Rz-Spektrum-Iran, 20.02.15, bearb. 24.10.2019
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