Warum
Pazifismus für uns das Gebot der Stunde bleibt.
Texte zum Frieden.
Gütersloh:
Gütersloher Verlagshaus 2015, 208 S.
--- ISBN: 978-3-579-07091-9 ---
--- ISBN: 978-3-579-07091-9 ---
Zusammenfassung: Dem Mitgefühl Raum
und dem Pazifismus eine Stimme geben
und dem Pazifismus eine Stimme geben
In diesem Buch kommt intensives persönliches
Engagement für Gewaltfreiheit und Frieden mit angenehmer Bescheidenheit zum
Ausdruck. Die Autoren wissen nämlich, dass sie nicht den Schlüssel zum
endgültigen weltweiten Frieden haben. Sie machen aber klar, dass Kriege immer
wieder neue und größere Konflikte verursacht haben. Die Gefahr angesichts der
Brutalitäten weltweit ist, dass das Mitgefühl stirbt (S. 21). Aber genau aus
diesem Mitgefühl heraus muss der Widerstand wachsen, Konflikte militärisch zu
lösen. Man darf nicht vergessen, dass immer wieder zur sog. Sicherung von (westlichen)
Werten und Interessen sinnlos viele Menschenleben vernichtet werden.
Dieses aufrüttelnde Buch wird keineswegs die mehrheitliche Zustimmung der Gesellschaft finden. Auch die Massenmedien lassen sich vermutlich nicht zu einem generellen Umdenken bewegen. Aber der Ruf, wirklich Frieden zu machen und nicht mehr „den Krieg zu lernen“ (Jesaja 2,4), muss noch viel deutlicher zur Sprache kommen. Im Grunde müssten die hier vorliegenden Texte zum Pazifismus Pflichtlektüre in der Schule und in den Bildungseinrichtungen werden.
Dieses aufrüttelnde Buch wird keineswegs die mehrheitliche Zustimmung der Gesellschaft finden. Auch die Massenmedien lassen sich vermutlich nicht zu einem generellen Umdenken bewegen. Aber der Ruf, wirklich Frieden zu machen und nicht mehr „den Krieg zu lernen“ (Jesaja 2,4), muss noch viel deutlicher zur Sprache kommen. Im Grunde müssten die hier vorliegenden Texte zum Pazifismus Pflichtlektüre in der Schule und in den Bildungseinrichtungen werden.
Ausführliche Beschreibung
Am
Neujahrstag 2010 predigte die damalige Bischöfin der Lutherischen Landeskirche
Hannovers und zugleich Vorsitzende der EKD Margot Käßmann in der Dresdener
Frauenkirche und sagte dort diese folgenschweren Sätze:
„Nichts
ist gut in Afghanistan. All diese Strategien, sie haben uns lange darüber
hinweggetäuscht, dass Soldaten nun einmal Waffen benutzen und eben auch
Zivilisten getötet werden. Das wissen die Menschen in Dresden besonders gut!
Wir brauchen Menschen, die nicht erschrecken vor der Logik des Krieges, sondern
ein klares Friedenszeugnis in der Welt abgeben, gegen Gewalt und Krieg
aufbegehren und sagen: Die Hoffnung auf Gottes Zukunft gibt mir schon hier und
jetzt den Mut von Alternativen zu reden und mich dafür einzusetzen. Manche
finden das naiv. Ein Bundeswehroffizier schrieb mir, etwas zynisch, ich meinte
wohl, ich könnte mit weiblichem Charme Taliban vom Frieden überzeugen. Ich bin
nicht naiv. Aber Waffen schaffen offensichtlich auch keinen Frieden in
Afghanistan ...“
Die seltsame „ultima ratio“
Ein Aufschrei sog.
Realisten ging daraufhin durch die Medien, und die Vorwürfe von Naivität und
politischer Blauäugigkeit waren noch die harmlosesten. Selbst Kirchenleute
sprechen angesichts der nicht aufhörenden Konflikte mehr und mehr von der
„ultima ratio“ militärischen Einsatzes, dem sich Deutschland nicht entziehen
könne. Im Juni desselben Jahres sagte ein evangelischer Pfarrer, der spätere Bundespräsident
Joachim Gauck: „Ich wünschte mir,
andere deutsche Armeen wären auch mit so edlen Zielen ausgezogen. Der Frieden
muss manchmal auch erkämpft werden.“ (Leipziger Volkszeitung, 18.06.2010,
kurz vor der Wahl zum Bundespräsidenten). In einem Radio-Interview vom Juni
2014 betonte der Bundespräsident dann: Im Kampf für Menschenrechte oder für das
Überleben unschuldiger Menschen sei es "manchmal erforderlich, auch zu den
Waffen zu greifen“ (vgl. SPIEGEL online, 14.06.2014).
Angesichts solcher
Äußerungen von höchster Stelle ist die Stimme der prominenten Margot Käßmann umso
wichtiger. Dass nun ausgerechnet ein Künstler, ein ungewöhnlicher Dichter,
Sänger und Komponist wie Konstantin Wecker so aufmerksam auf die Worte dieser
Pastorin achtete, ist angesichts der Verschiedenheit der beiden nur dem ersten
Anschein nach erstaunlich. Konstantin Wecker hatte ja schon in seinem Buch
„Mönch und Krieger“ (2014) – anders als der Titel
vordergründig vermuten lässt – seine pazifistische Grundhaltung zum Ausdruck
gebracht.
Vgl. Rezension: http://buchvorstellungen.blogspot.de/2014/06/buch-des-monats-juli-2014-kontantin.html
Geradezu
ein Glücksfall ist es nun, dass die Pastorin und der Poet schließlich
zusammenfanden, um der Stimme des Pazifismus in einer Welt zunehmender
Kriegseinsätze deutlich Gehör zu verschaffen und an der Utopie des „Frieden
schaffen ohne Waffen“ konsequent festzuhalten.
Margot Käßmann plädiert darum für eine „prima ratio“: „Krieg ist für mich nicht die Ultima Ratio, weil Ratio Vernunft heißt. Und im Krieg setzt die Vernunft aus … Ja, wir brauchen Strategien gegen den Terror, keine Frage. Aber dazu ist wohl zuallererst ein Bündnis aller Menschen von entscheidender Bedeutung, die sich nach Frieden in allen Nationen und zwischen allen Religionen sehnen. Wir müssen darauf bestehen, dass Religion endlich nicht mehr Konflikte verschärft, sondern zu ihrer Lösung beiträgt“ (aaO, S. 85+104)
Margot Käßmann plädiert darum für eine „prima ratio“: „Krieg ist für mich nicht die Ultima Ratio, weil Ratio Vernunft heißt. Und im Krieg setzt die Vernunft aus … Ja, wir brauchen Strategien gegen den Terror, keine Frage. Aber dazu ist wohl zuallererst ein Bündnis aller Menschen von entscheidender Bedeutung, die sich nach Frieden in allen Nationen und zwischen allen Religionen sehnen. Wir müssen darauf bestehen, dass Religion endlich nicht mehr Konflikte verschärft, sondern zu ihrer Lösung beiträgt“ (aaO, S. 85+104)
Notwendigkeit der Ent-Rüstung
Die beiden Autoren schreiben
darum im Vorwort: „In einer Zeit, in der der Pazifismus belächelt und
verspottet wird, ist es wichtig, dass Menschen verschiedenster Herkunft und
Motivation sich wieder zusammentun. Frieden ist keine Illusion, Frieden ist
machbar. Wir können uns ent-rüsten!“
(S. 9).
Denn
alle Kriegseinsätze haben bisher nur mehr Gewalt und Chaos produziert. Der
Aufruf der beiden Pazifisten hat durchaus Ähnlichkeit mit dem, was Stéphane Hessel in „Empört Euch“ und
„Engagiert Euch“ sowie zusammen mit dem Dalai Lama „Wir erklären den Frieden“
zum Ausdruck gebracht hat: http://buchvorstellungen.blogspot.de/search?q=Hessel
Das
Interview im Bayerischen Rundfunk mit dem Moderator und ev. Theologen Matthias Morgenroth ist die Basis für
das vorliegende Buch geworden. Es macht sehr schön deutlich, dass die
Pazifisten nicht moralisch besser sind als andere, aber dass sie sich nicht
damit abfinden, dass irgendwann doch der Punkt militärischer Gewalt gekommen
ist, davon abgesehen, dass es immer auf Kosten der Leidenden im Krieg Gewinner
gibt. Die deutsche Rüstungsindustrie gehört als weltweit drittgrößter
Waffenlieferant leider dazu.
Konstantin
Wecker bemerkt: „Ich weiß … nicht, ob ich
eine pazifistische Haltung wirklich durchhalten könnte, wenn es mir persönlich
an den Kragen ginge. Aber eines weiß ich als Künstler: Die Stimme des
Pazifismus darf nicht verloren gehen. Wenn es diese Stimme nicht mehr gibt,
dann wird auch die Idee verschwinden … Diese Stimme möchte ich wenigstens
bewahrt wissen. Sie darf nicht verstummen … Denn eines ist sicher: Wir werden
künftig entweder eine Menschheit haben, die ohne Kriege auskommt, oder eben
keine Menschheit mehr“ (S. 14).
Friedensstimmen – damals und heute
Verstärkt
wird dieser Aufruf zur Ent-Rüstung noch durch beeindruckende Texte von
Konfuzius (Philosoph), Franz von Assisi (Mönch), Matthias Claudius (Dichter), Bertha
von Suttner (Friedensforscherin), Claire Groll (Schriftstellerin), Erich
Kästner (Schriftsteller), Else Lasker-Schüler (Lyrikerin), Wolfgang Borchert
(Dichter), Ingeborg Bachmann (Lyrikerin), Martin Luther King (Bürgerrechtler),
Friedrich Schorlemmer (ev. Pfarrer), Antje Vollmer (ev. Pfarrerin), Arno Gruen
(Psychoanalytiker), Markus A. Weingard (Politikwissenschaftler), Ellen
Diederich (Frauenrechtlerin), Jörg Zink (Theologe), Heike Hänsel
(Entwicklungshelferin, Bundestagsabgeordnete), Henning Zierock (Lehrer) und
Eugen Drewermann (Priester und Psychotherapeut). Einige Texte sind für diesen
Band eigens geschrieben worden.
Es ist
natürlich recht leicht, in einem Land über Pazifismus zu sprechen, das 70 Jahre
bereits im Frieden lebt.
Hier lohnt aber
ein Blick auf Johann Wolfgang von Goethe, der als Weimarer Staatsminister
wahrhaftig kein Kriegsbegeisterter war. Er zog – faktisch nur genötigt – mit seinem Herzog 1792 gegen die
französischen Revolutionsheere in den Krieg. Der Dichter erkannte jedoch den
sich anbahnenden geschichtlichen Umbruch in der „Kanonade von Valmy“, nämlich,
dass sich für Europa eine neue Epoche anbahnte. Ein neues Museum gehört
inzwischen zur berühmten Mühle.
vgl.: http://intra-tagebuch.blogspot.de/2012/03/was-hat-eine-muhle-mit-europa-zu-tun.html
vgl.: http://intra-tagebuch.blogspot.de/2012/03/was-hat-eine-muhle-mit-europa-zu-tun.html
Der Gewalt nicht mit Gegengewalt begegnen
Im
Zusammenhang mit heutigem Friedensengagement muss nämlich die Frage der
maßlosen Ungerechtigkeit und Unterdrückung angesprochen werden, die zur
Französischen Revolution führte. Ich kann sie nicht wie Konstantin Wecker als
völligen Fehlschlag ansehen (S. 37). Vielmehr haben wir es ihr zu danken, dass
in Europa die Werte von Gleichheit,
Freiheit und Brüderlichkeit/Schwesterlichkeit wachsen konnten. Trotz aller
Rückschläge kam auf dieser Saat auch die Demokratie zum Durchbruch. Aber genau dies
macht eine pazifistische Haltung nicht leichter: Heute Pazifist zu sein, weil
die Früheren für unsere Werte starben ... Dennoch: Es gibt heute keine
Alternative zum absoluten Nein gegen den Krieg. Hier kann man auch nicht die
Bergpredigt Jesu ins Private abschieben und in der Politik andere Gesetze
gelten lassen.
Eugen Drewermann hat das in aller Deutlichkeit formuliert: „Wir sind hier, Nein zu sagen. Wir sind hier,
um Tucholsky recht zu geben: Soldaten sind Mörder. Wir sind hier, um zu
propagieren, was im Bundestag allein die Linkspartei vertritt: nicht einen
Pazifismus der verlorenen Kriege, sondern einen Pazifismus der nie zu
gewinnenden Kriege, einen Pazifismus nicht der Resignation, sondern der
Hoffnung, gerichtet gegen den Zynismus der Macht, geschuldet auf immer der
Menschlichkeit. Wir sind hier, um zu sagen: Nicht in unserem Namen. Nicht
mit unserer Stimme. Und nie, niemals mit unserer Zustimmung“ (S. 191f).
Dem ist
nichts hinzuzufügen.
Reinhard Kirste
Rz-Käßmann_Wecker-Entrüstet, 01.05.15
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