Martin Riesebrodt:
Cultus und Heilsversprechen.
Eine Theorie der Religionen.
Eine Theorie der Religionen.
München: C.H. Beck 2007, 316 S., Register
--- ISBN 978-3-406-56213-6 ---
--- ISBN 978-3-406-56213-6 ---
Religion ist auf einmal wieder ein Thema, nicht nur aufgrund
päpstlicher Auftritte bei großen Events, sondern auch im Blick auf
Suchbewegungen nach Sinn und Orientierung in einer Welt, bei der es schwerer
wird, Gesamtzusammenhänge noch zu erkennen. Die neuen Gottesleugner und
Analytiker einer Vergiftung der Welt durch Religion bevölkern die Talkshows der
Fernsehsender. Da greift man gern zu einem Buch, das offensichtlich davon
ausgeht, dass Religion Bestandteil menschlicher Kultur ist und bleibt, wie auch
immer diese Religion sich im einzelnen ausfächern mag.
Martin Riesebrodt ist von Hause aus Religionssoziologe, was
übrigens manche Länge des Buches auch erklären mag. Er ist Professor an der
Universität von Chicago und lehrt auch an der Theologischen Abteilung. Seine
Forschungsschwerpunkte sind klassische Gesellschafts- und Religionstheorien,
sowie Fragen des Fundamentalismus. Von daher hat er sich natürlich ausführlich
mit Max Weber beschäftigt.
Nun erwartet den Leser mit diesem neuen Buch auch keine
aktualisierte Religionsdebatte, sondern der Versuch einer Religionstheorie, die
allerdings sehr sorgsam die verschiedenen Zeitströmungen weltweit beobachtet.
So macht Riesebrodt zuerst deutlich, dass man auf den Religionsbegriff nicht
verzichten sollte: „Aus meiner Sicht macht der Religionsbegriff als
Handlungsbegriff aber Sinn und ist unentbehrlich“ (S: 23). Nach einer solchen
pragmatischen Festlegung, setzt er sich mit der post-kolonialen Kritik des
Religionsbegriffs auseinander, um schließlich wiederum fast pragmatisch auf die
sozialen Bezüge der Religion aufmerksam zu mach en und „Religion“ von daher zu
rechtfertigen. So braucht er sich auch nicht damit auseinanderzusetzen, ob der
eher westlich geprägte Religionsbegriff für die östlichen Religionen passend
ist oder nicht. Viel interessanter sind Inkulturationsprozesse, die zur
gegenseitigen Anpassungen von religiösen Norm- und Wertesystemen führen, was
sich in China konfuzianistisch-christlich zeigt, in Indien unter Akbar politisiert
wurde und auf der Seidenstraße im Rahmen von Handel und Wirtschaft erfolgte.
Nachdem also im 1.
Kapitel der Autor Religionsdiskurse
und Religionskritik hat Revue passieren lassen und er im 2. Kapitel soziale Rahmenbedingungen von
Religion aufgezeigt hat, folgen im 3.
Kapitel die wissenschaftlichen Imaginationen mit ihren jeweiligen
theologischen, politischen, sozialen, psychologischen, neurologischen,
ökonomischen Konnotationen. So führt der Autor bereits an dieser Stelle die
Perspektivenvielfalt von Religion und Religionen vor. In den weiteren Kapiteln
geht er dann ihren Schwächen und Stärken nach, um von daher seine eigene
Religionstheorie zu entwickeln.
Ohne sich für Religion im Entferntesten zu begeistern, folgt
im 4. Kapitel Religionserklärung im
Sinne eines Grundrisses, dem im 5.
Kapitel die Praktiken und Rituale folgen. Dann setzt Riesebrodt
im 6. Kapitel mit den radikalen Heilslehren
und Heilspraktiken im Sinne asketischer Virtuosität den Schwerpunkt, und zwar von den
traditionalen Religionen bis hin zu den großen Weltreligionen. Von daher kritisiert er deren Logik religiöser Virtuosen, weil sie sich auf Mächte beziehen, die Unheil abwehren und Heil spenden können (S. 209f).
Im 7. Kapitel durchleuchtet der Autor religiöse Propaganda, und zwar an den Beispielen: Konversion, Erleuchtung Messianität und Prophetie. Diese Begriffe spielt er an den monotheistischen Religionen, aber auch an den ostasiatischen Traditionen durch, um ihre Funktion im Sinne von Krisenbewältigung aufzuzeigen.
Im 7. Kapitel durchleuchtet der Autor religiöse Propaganda, und zwar an den Beispielen: Konversion, Erleuchtung Messianität und Prophetie. Diese Begriffe spielt er an den monotheistischen Religionen, aber auch an den ostasiatischen Traditionen durch, um ihre Funktion im Sinne von Krisenbewältigung aufzuzeigen.
Hat die Religion überhaupt
noch eine Zukunft? So fragt er schließlich im 8. Kapitel, um dann zu einem wiederum
recht pragmatischen Ergebnis zu kommen: Wie sich Religion auch immer darstellt,
es wird sie immer geben, sie lässt sich instrumentalisieren, abwandeln, aber
sie ist für die moderne Gesellschaft ein Teilaspekt, der sich immer wieder
umgestalten wird. Angesichts des derzeit immer wieder aufs Neue ausgerufenen
„Kampfes der Kulturen“ entwickelt Riesebrodt darum eine Religionstheorie, die
den Menschen in den Mittelpunkt stellt. Er erzeugt damit eine sympathische
Perspektive. Die unterschiedlichsten Kulturen haben zwar mit dem Kultus und ihren
Heilsversprechen für jedermann und jederfrau Orientierungsmarken gesetzt, aber
eben auch nicht mehr. Weniger sieht Riesebrodt dabei die Gefahr von
Repression und Unterdrückung, obwohl Religion eben auch Unheil kultiviert hat
und immer wieder kultivieren kann.
Riesebrodt gehört zu denjenigen Religionswissenschaftlern,
die den Säkularisierungsschub in den westlichen Gesellschaften für keineswegs bedrohlich
für die Religion halten, obwoh leider gilt: „die ‚Leitkultur’ ist nicht mehr christlich,
sondern eher kapitalistisch“ (S. 248) …
Nun hat sich Riesebrodt schon längst mit Religionstheorien
beschäftigt und bestimmte Ausprägungen entsprechend untersucht oder mit anderen
diskutiert, wie z.B. sein mit Clemens Six und Siegfried Haas herausgegebener
Band „Religiöser Fundamentalismus. Vom Kolonialismus zur Globalisierung“ (Innsbruck
u.a.: Studienverlag 2005) zeigt. Bei religiösen Ansprüchen sollte eben nicht
verschwiegen werden, dass es noch andere Bedürfnisse und Interessen gibt, die
nicht in die Komplexität von Unheil, Krise und Heil gehören. So ist für Riesebrodt Religion im gesellschaftlichen
Kontext durchaus oft hilfreich, aber nicht das non plus ultra aller Lebensentwürfe.
Angesichts manch überbordender religiöser Tendenzen in
Vergangenheit und Gegenwart ist diese Zurückhaltung Riesebrodts angenehm. So
sichert die Entzauberung der Heilsansprüche das anthropologische Gegengewicht, um so
jegliche Absolutheit von Religionsverständnissesn abzuwehren.
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