Montag, 28. November 2016

Spirituelles Wachstum durch interreligiösen Dialog

Jesse F. Tanner: Dialogical Transformation. Exploring Avenues of Interreligious Diaogue as a Practice Promoting Spiritual Growth. Studies in Spirituality. Supplement 25.
Titus Brandsma-Institute.
Leuven u.a.: Peeters 2016, 155 pp.

--- ISBN 978-90-429-3257-9 ---

Die Globalisierung hat sich in den letzten Jahrzehnten auch auf die verstärkte Pluralisierung unserer Gesellschaften ausgewirkt. Von daher ist der interreligiöse Dialog eine unabweisbare Notwendigkeit.
Im vorliegenden Buch beschreibt der Pfarrer und Bibelwissenschaftler Jesse F. Tanner vom Unity Institute and Seminary in der Nähe von Kansas City, ein Projekt, das sich mit der Geschichte und der Bedeutung interreligiöser Begegnung beschäftigt. Zwar ist seine Perspektive der
US-amerikanische Kontext, aber ihm geht es grundsätzlich darum den (philosophisch-)hermeneutischen Charakter des interreligiösen Dialogs zu betonen. Dabei stellt sich heraus, dass Dialog eine Verstehenserweiterung bringt. Er setzt eine Transformation in Gang, die der spirituellen Praxis auch im eigenen christlichen Glauben zugute kommt.

Er erläutert dies im Zusammenhang christlicher und buddhistischer Traditionen. Als besonders weiterführend erweist sich dabei der soteriologische "Rahmen", der eine solche Transformation verstärkt. Das bedeutet auch eine Identitätsveränderung und -erweiterung durch die Umsetzung von religiösen Erkenntnissen in spirituelle Praxis. Ja, in diesem Sinne lässt sich interreligiöser Dialog geradezu als sakramentale Praxis verstehen (S. 128ff). Da Tanners Zugangsweise vom Christentum herkommt, bezieht er seine theologische Basis auch von dort. Besonders geeignet erscheint ihm die philosophisch orientierte Hermeneutik von David Tracy. 
In acht Kapiteln geht es zuerst um Annäherungsweisen in der gegenwärtigen Religionstheologie (Kap. 1). Von daher bezieht er sich auf das Verstehen als Grundkategorie, auf eine sachgemäße Interpretation und auf die Beschreibung humaner Zusammenhänge (Kap. 2).
Dazu bedarf es eines interpretativen Rahmens für den Dialog im Blick auf Vorstellungen, Konversation und die Pluralität von (religiösen) Traditionen
(Kap. 3). Hier bereits zeigen sich die "vielen Gesichter der interreligiösen Bewegung" (Kap. 4). Die Absichten des Dialogs richten sich dabei auf die "transformational power" (Kap. 5). Wichtig werden für den Autor die Promotoren solcher Transformation im buddhistisch-christlichen Dialog (Kap. 6) - durchaus im Sinne einer Identitätserweiterung verbunden mit einer teilweise bewussten persönlichen buddhistischen Praxis:


  • Der japanische Buddhist Masao Abe (1915-2006)
  • Die Tibet-Spezialistin und buddhistische Lehrerin Judith Simmer-Brown
  • Der katholische Religionswissenschaftler und Buddhismus-Praktizierende
    Paul F. Knitter (geb. 1939)
  • Der katholische Religionswisenschaftler und Priester John P. Keenan

Daraus entwickelt Tanner spirituelle Kategorien der Transformation im Blick auf den Buddhismus (Kap. 7) und im Blick auf das Christentum (Kap. 8).  In der Gegenüberstellung werden sie verstanden als Prozess des Wachstums und der weiteren Entwicklung - immer unter Berücksichtigung menschlicher Erfahrungen und soteriologischer Intentionen. Unter Berufung auf den religionspluralistischen Ansatz von Perry Schmidt-Leukel führt er diese Transformation im Horizont des buddhistisch-christlichen Dialogs weiter aus (am Schluss des Buches sehr schön in zwei Schaubildern zusammengefasst).
Schließlich kann der Autor resümieren (Conclusion, S. 119ff): Ein produktiver interreligiöser Dialog bringt Möglichkeiten für einen wertschätzenden Dialog mit religiösen Menschen gebracht. Sie bringen ein unterschiedliches Erbe mit. Dies ist jedoch Chance und Herausforderung zugleich, lebensfähige Wege für den einzelnen und für die Gesellschaft zu eröffnen. Wachsendes Verstehen, künftige Realisierungen von Wahrheit und Abbau von religiös-begründeten Konflikten machen Hoffnung auf eine Welt, in der die Gleichheit und die Freiheit praktisch umgesetzt werden (S. 135f).
Vor uns liegt ein Buch, das gerade im Blick auf gegenwärtige und künftige Gefährdungen Mut zum Dialog macht, Menschenwürde als Religionen übergreifendes Element in den Fokus hebt und verstehende interreligiöse Begegnung als versöhnende Lebensmöglichkeit ansieht.









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