Franz Gmainer-Pranzl, Beate Kowalski,
Tony Neelankavil (Hg.):
Tony Neelankavil (Hg.):
Herausforderungen interkultureller
Theologie.
Beiträge zur Komparativen Theologie, Band 26
Paderborn: Schöningh 2016, 170 S., Abb.
Paderborn: Schöningh 2016, 170 S., Abb.
--- ISBN 978-3-506-78550-3
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„Interkulturelle
Theologie“ gibt es schon seit längerer Zeit an einigen katholischen und
evangelischen Fakultäten von Universitäten im deutschen Sprachraum. Der
vorliegende Sammelband geht auf eine Tagung an der TU Dortmund im Frühjahr 2015
zurück Die Beitragenden versuchten von ihren religiösen Voraussetzungen Perspektiven
interkultureller Theologie zu entwickeln, denn Theologie muss sich durch die
Herausforderungen der Globalisierung verändern. Der christliche Glaube ist schließlich
nur die Facette einer pluralen Welt.
1. Perspektiven
interkultureller Theologie fordert Franz Gmainer-Pranzl, Leiter des Zentrums Theologie Interkulturell
und Studium der Religionen an der „Paris Lodron Universität Salzburg“ ein. Er
gehört zu denjenigen, die ein neues Problem- und Methodenbewusstsein der Theologie für
dringend notwendig erachten.
1. Systematisierende interreligiöse Vergleiche
2. Untersuchung konkreter kontextueller Theologien (z.B. im Blick auf Lateinamerika)
3. Erkenntnistheologische Reflexionen zu „Theologie interkulturell“
4. Interreligiöse Vergleiche und Heilsbedeutung fremder Religionen (S. 13f).
2. Untersuchung konkreter kontextueller Theologien (z.B. im Blick auf Lateinamerika)
3. Erkenntnistheologische Reflexionen zu „Theologie interkulturell“
4. Interreligiöse Vergleiche und Heilsbedeutung fremder Religionen (S. 13f).
Eine offene Frage bleibt der
Bezug zur Religionswissenschaft, weil Theologie unter der Voraussetzung des
Glaubens immer auch eine „Innensicht“ der jeweiligen Religion vertritt. Der
religionspluralistische Theologe Perry Schmidt-Leukel lehnt von daher die
Unterscheidung zwischen bekenntnisgebundener Theologie und
>vorurteilsfreier< Religionswissenschaft ab (S. 18). Diese Position ist
allerdings nicht unumstritten. Man merkt, „Theologie interkulturell“ hat es mit
vielen aktuellen Herausforderungen zu tun. Sie hängen zusammen mit dem Verständnis
von Inkulturation, der universalen Bedeutung von Kirche („Weltkirche“), dem
Kontext von „Mission“, der Ausrichtung der Missionstheologie, den regionalen
und gesellschaftlichen Prägungen „kontextueller Theologie“ sowie den
Veränderungen von Religion im Zusammenhang von säkularen und „Postsäkularen“
Strömungen. Die Komparative Theologie überschreitet dabei die Begrenzungen eines
„Weltethos“ und steuert unwiederbringlich in die Problematik der christlichen
Beurteilung anderer Religionen hinein, und zwar in Bezug auf ihren Anspruch von
Heil und Wahrheit. Was sich folglich als notwendig erweist, ist eine
theologisch-interkulturelle Hermeneutik, die sich mit dem jeweils eigenen
Selbstverständnis dem Anderssein des Anderen Religionen und dem Anspruch des
Fremden auseinandersetzen muss. Das sind keineswegs sich ausschließende
Gegensätze.
Als Ergebnis hält der Autor fest: „>Theologie
interkulturell< orientiert sich an gerechten, solidarischen und
kommunikativen Verhältnissen zwischen Menschen aus unterschiedlichen Kulturen
und Religionen und kennt aus der Geschichte der Religionswissenschaft die
Gefahr von Entwicklungslogiken, die zu Begriffen wie >primitive Religion<
oder >Hochreligion< geführt haben. Aus diesen Gründen stellt die
gründliche Rezeption der entwicklungstheoretischen Forschung einen
entscheidenden Beitrag zu einer zeitgemäßen Neupositionierung von >Theologie
interkulturell< dar“ (S. 31).
2. Im zweiten Bereich werden Perspektiven biblischer Interpretation
exemplifiziert. Der katholische Alttestamentler Egbert Ballhorn geht auf das (apokryphe) Buch Baruch ein, das vermutlich aus dem 1. Jahrhundert v. Chr.
stammt. Bei den Themen Interkulturalität und Fremdheit bezieht er sich dazu auf
den Berliner Erziehungswissenschaftler Ortfried Schäffter, der generelle
Deutungsmuster im Umgang mit der Fremdheit entwickelt hat. Bezogen auf den konkreten
Text der Mahnrede im Baruchbuch (Kap. 3+4) zeigt sich die Fremdheit als Gegenbild
zum Eigenen (S. 45). Aber es geht nicht ohne interkulturelle Annäherungen und
Assimilationen. Selbst die von Israel behauptete Exklusivität der Tora „ist nur
über den Modus der Inanspruchnahme und des Gebrauchs hellenistischer,
nichtisraelitscher Kulturelemente möglich“ (S. 49).
Jochen Flebbe, evangelischer Neutestamentler
an der Universität Bonn, versucht Kulturbrücken
im Neuen Testament zu schlagen. Er bezieht sich dazu auf die dort
auftauchenden Schrift-Gattungen und hebt einige Texte besonders hervor: Bedeutungsgehalt
von Erzählung in der Heilung des Gelähmten (Lukas 5,17-26), Metapher im
Logos-Verständnis Johannes 1 und begriffliche Abstraktion bei Paulus unter
besonderer Betonung von Glaube und Liebe mit Bezug auf Galater 5,6. Allein
diese Beispiele belegen die multikulturelle Vielfältigkeit und sprachliche
Differenzierungsfähigkeit im Neuen Testament. Durch die Überwindung kultureller
Grenzen werden unterschiedliche Gruppen in der Gemeinde Jesu Christi zusammengeführt
(S. 66).
Ähnliches bestätigt die in der Lehrerfortbildung tätige Rita Müller-Fieberg. Sie arbeitet
zugleich als Dozentin für Neues Testament an der Philosophisch-Theologischen
Hochschule SVD, St. Augustin. Unter Bezugnahme auf Apg 1,8 und im weiteren
Verlauf ihres Beitrags auf die Areopagrede des Paulus in Apg. 17 kann sie die
interkulturelle und weltweite Wirksamkeit des Christentums betonen. Diesem
universalen Gedanken gibt sie lokalen Ausdruck, indem Sie ihre Hochschule als
Lernort interpretiert. Angesichts
gelebter Vielfalt entstehen für Lehrende und Lernende wechselseitig neue
Perspektiven. Solche Diversität bietet weiterhin die besondere Chance,
lebenspraktische Relevanz mit biblischen Impulsen zu verbinden. Besonders Apg.
17 kann zu einen kommunikativen Handlungsmodell werden, das bei allen Schwierigkeiten
von Vielfalt Brücken der Gemeinsamkeit ermöglicht.
3. Im Kontext der religionspädagogische
Perspektiven geht Claudia Gärtner,
katholische Religionspädagogin an der TU Dortmund, von der Tatsache aus, „dass
der konfessionelle Religionsunterricht gesellschaftliche Pluralität nicht
umfassend genug reflektiert“ (S. 89). Die Problematik benennt sie bereits im
Titel ihres Beitrags: Konfessioneller
Religionsunterricht – kulturelle Vielfalt als Herausforderung eines auf
Homogenität konzipierten und auf Identität zielenden Faches. Mit der
Hilfestellung der Komparativen Theologie – in deren demütiger, aber dennoch
konfessorischer Verankerung (S. 100) – benennt sie religionspädagogische
Rahmenbedingungen. Diese sollten für den (konfessionellen) Religionsunterricht:
realisiert werden: günstige Zusammensetzung der Lerngruppen im Sinne des
gleichen Status von allen, zwanglose menschliche Kontakte, gemeinsame
Zielsetzungen – dies könnte das interreligiöses Lernen voranbringen.
Joachim
Willems, evangelischer Religionspädagoge an der Universität
Oldenburg, setzt sich mit dem Spannungsverhältnis
von Komparativer Theologie und Jugendtheologie auseinander. Religiöse
Vorstellungen von Kindern und Jugendlichen unterscheiden sich wesentlich von
denen Erwachsener. Von daher ist eine Kinder- bzw. Jugendtheologie erforderlich.
Die Komparative Theologie setzt die eigene Glaubensgewissheit voraus und bemüht
sich, die Perspektive des Anderen in das eigene Denken einzubeziehen (S. 108).
Angesichts dieses kooperativen Unterfangens zeigt der Blick auf die
Jugendlichen, dass die meisten keineswegs in einer religiösen Tradition
beheimatet sind. Wie also theologisch mit Jugendlichen sprechen? Als
evangelischer Theologe ist der Blick des Autors auf andere Konfessionen und
Religionen von seinem reformatorischen Glaubensverständnis geprägt. Es hat in
der Rechtfertigungslehre seinen Schwerpunkt. Er stellt beispielhaft Interviews mit
einem muslimischen Jungen und einem evangelikal denkenden Mädchen vor. Diese
sind allerdings keineswegs repräsentativ für die „Jugend“. Dennoch zeigt sich
bereits hier, dass Komparative Jugendtheologie ein schwieriges Unternehmen sein/werden
dürfte. Dennoch könnte es lohnend sein, weil sich Jugendliche eben auch zu
Religion und religiöser Pluralität verhalten und sich damit auch theologisch
äußern.
4. In den ökumenischen Perspektiven wird
deutlich, wie sehr die Einbindung in die eigene religiös-kulturelle Tradition
die jeweiligen interreligiösen Intentionen steuert und sprachlich beeinflusst.
In der syro-malabarischen Sicht von Tony Neelankavil, Dogmatiker am Marymatha Major Seminary in Trichur
(Kerala), leitet der südindische Kontext seine Ausführungen. Das bedeutet konkret,
die Auseinandersetzung mit den politischen Verschärfungen durch das Anwachsen
des Hindu-Nationalismus. Der Autor nennt dies einen „asymmetrischen kulturellen
Fundamentalismus“ (S. 147). Mit seinem korrelativen Verständnis von Trinität
beschreibt er dann eine interkulturelle Hermeneutik mit den Stichworten von Reziprozität (= eigene Veränderung durch
die Begegnung mit dem Anderen), Kenosis
(= sich selbst dem Anderen verschenken), Gastfreundschaft
(= Empfangen und Geben für Gastgeber und Gäste), Harmonie (= Dynamik für
positives Wachstum). In dieser Weise verändert sich auch die Kirche und wächst
selbst durch einen (kritischen) Dia-log und Poly-log (S. 147) mit der
umgebenden Gesellschaft und ihren religiösen Ausprägungen.
Für Vasilica Mugurel
Pavaluca, orthodoxer Theologe am Institut für Ev. Theologie der TU Dortmund,
ist die Integration des Menschen in die christliche Welt definiert von der
„ekklesialen Gemeinschaft der Gottwerdung“. Die Basis dafür ist die
Gottähnlichkeit des Menschen, „das Bild Gottes im Menschen“ (S. 151). Die
aktualisierenden Konsequenzen für Ethik und Moral versucht der Autor
christologisch und trinitätstheologisch im Blick auf verschiedene Positionen
der Kirchenväter zu formulieren. Die orthodoxe Theologie hat dazu etwa folgende
Denklinie entwickelt, nämlich „dass zwischen der Gnade Gottes und der
menschlichen Freiheit eine Art Synergie entsteht und keine Gegensätzlichkeit“
(S. 155). Das tragende Element dieser soteriologischen Balance zwischen Gnade
und Freiheit bildet die Liebe im Sinne der Nachahmung Christi. So stellt sich
(für den Rezensenten) hier die Frage, wie dieser Ansatz nicht nur ethisch, sondern
auch komparativ-theologisch und interreligiös weiter entwickelt werden kann.
Der vorliegende Band
dokumentiert insgesamt eine wichtige Etappe auf einem herausfordernden Weg:
Interkulturelle Theologie wird ihn noch bewusster weitergehen müssen – in ihren
biblisch-hermeneutischen Ausformungen, in einer interreligiös offenen Dogmatik
und Ethik sowie einer Pädagogik des interreligiösen Lernens. Nur so wird
Theologie interdisziplinär und gesamtgesellschaftlich sprachfähig bleiben – mag
sie pluralistisch, komparativ, kontextuell oder interkulturell heißen.
Reinhard Kirste
Rz-Gmainer-Pranzl-Interkult-Theol,
24.01.17
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