Ulrich
Dehn, Ulrike Caspar-Seeger,
Freya Bernstorff (Hg.):
Handbuch Theologie der
Religionen.
Texte zur religiösen Vielfalt
und zum interreligiösen Dialog.
Freiburg u.a.: Herder 2017, 571 S., Quellenverzeichnis
--- ISBN:
978-3-451-37695-5 ----
In einer globalisierten Welt sind die unmittelbaren Begegnungen verschiedener religiöser Traditionen teilweise bereits Alltag geworden. Allerdings müssen sich Religionen fragen lassen, was sie von ihren Grundlagen und ethischen Prinzipien her für die Befriedung und Versöhnung angesichts der vielen Konflikte weltweit beizutragen haben.
Zur Verdeutlichung beziehen sich die
Herausgeber bei allen notwendigen Differenzierungen auf das Grundschema von Exklusivismus,
Inklusivismus und Pluralismus. So zeigen sich mehrere
Entwicklungslinien, die von einer missionarischen exklusivistischen Theologie (besonders
deutlich bei Hendrik Kraemer, so auch
im abgedruckten Beitrag von 1938) bis hin zur Akzeptanz einer prinzipiellen
Gleichwertigkeit der Religionen gehen (John
Hick, Leonard Swidler, Perry Schmidt-Leukel).
Im Christentum kommen gewissermaßen
als „Vorläufer“ schon Ernst Troeltsch, Karl Barth, Karl Rahner und Paul Tillich
zur Sprache. Mit präzise formulierten Klärungen werden als „Weiterdenkende“ neben
den erwähnten religiösen Pluralisten Raimon
Panikkar, Aloysius Pieris, Paul
Knitter vorgestellt. Zwischenpositionen nehmen eher Georges Khodr, Francis
X. D‘Sa, Hans Jochen Margull, Hans Küng, Klaus von Stosch und Reinhold Bernhardt
ein.
Für die anderen Religionen gibt
es nur einige ausgewählte Verdeutlichungen. Rita
M. Gross steht für den Buddhismus und Ram
Adhar Mall für den Hinduismus. Beide wirken in ihren Äußerungen sehr
deutlich religionspluralistisch. Anders Alon
Goshen Gottstein: Er skizziert eine jüdische Theologie gegenüber den
anderen Religionen, die mit der bleibenden Identität des Judentums
korrespondieren muss. Für den Islam versucht Katajun Amirpur islamische Texte im Sinne einer gleichwertigen
dialogischen Zugangsweise zu lesen. Abdoldjavad
Falaturi (1926–1996) entwickelte eine für beide monotheistische Religionen
gleichermaßen geltende Hermeneutik. Diese ließe sich auch auf interreligiöse
Begegnungen generell übertragen. Sie ermöglichen für die jeweils andere Seite
nachvollziehbare Verstehenszugänge im Blick auf Differenzen und
Gemeinsamkeiten.
Insgesamt stammen die einzelnen Beiträge meist aus
größeren Veröffentlichungen der Autoren. Sie sind für die christliche Seite zeitlich
geordnet, beginnend 1923 mit Ernst Troeltsch
und endend mit Reinhold Bernhardt
2016 (s.u. Inhaltsverzeichnis).
Die Veränderungen des theologischen Denkens spiegeln
sich auch in den offiziellen kirchlichen Dokumenten auf katholischer und
evangelischer Seite wieder, die den letzten Abschnitt des Buches ausmachen.
Am weitesten nach vorn wagt sich hier der Ökumenische
Rat der Kirchen (ÖRK/WCC) mit den Leitlinien von 1979 und ökumenischen
Erwägungen von 2002. Selbst so beeindruckende Dokumente des 2. Vatikanischen Konzils wie Lumen gentium (1964) und Nostra Aetate (1965) bleiben letztlich inklusivistisch;
und Dominus Iesus (2000) bedeutet faktisch
einen Rückfall in exklusivistisches Denken. Nicht viel besser sieht es in der evangelischen.
Kirche aus. Bei allen positiv-respektvollen Bemühungen ist doch eine besorgte
Zurückhaltung zu spüren, die meint die „evangelische Perspektive“ besonders
betonen zu müssen.
Bilanz
Sowohl
Kirchengemeinden, Schulen, Hochschulen als auch Lehrende und privat
Interessierte werden einen erheblichen Gewinn aus der Lektüre ziehen, weil es
einen so kompakten einführenden Überblick bisher in dieser Weise nicht gab. Natürlich ist es nicht
möglich, alle wichtigen Vertreter/innen des interreligiösen Dialogs in einem
solchen Handbuch zu Worte kommen zu lassen, aber den Herausgebern gelingt es,
die Veränderungen der theologischen Landschaft weltweit deutlich zu machen.
Eine dialogisch offene Theologie der Religionen aus der jeweiligen religiösen
Perspektive heraus ist angesichts der gesellschaftlichen Herausforderungen im
lokalen und globalen Bereich unabdingbar. Dieses Buch bietet dazu wichtige und
gut zu lesende Orientierungen. Es zeigt zugleich, dass diejenigen Theolog/innen,
die alte Standpunkte verlassen und visionäre „Gehpunkte“ wagen, noch viel
stärker aus ihren bisherigen Minderheiten-Positionen herausgeführt werden
müssten.
Reinhard Kirste
Inhaltsverzeichnis
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