Willi
Steul (Hg.): Koran erklärt. Ein
Beitrag zur Aufklärung.
st 4802. Berlin: Suhrkamp 2017, 298 S.
--- ISBN 978-3-518-46802 ---
st 4802. Berlin: Suhrkamp 2017, 298 S.
--- ISBN 978-3-518-46802 ---
Seit März 2015 hat der Deutschlandfunk in seinem Programm die kontinuierlich laufende Sendereihe „Koran erklärt“. Das vorliegende Buch ist ein gedrucktes Zwischenergebnis. Die Kommentare werden jedoch nicht im Rahmen einer Verkündigungssendung ausgestrahlt (wie z.B. beim kirchlichen „Wort zum Sonntag“ oder dem „Wort zum Freitag“ im SWR). Vielmehr versuchen die Autoren eine angemessene Verstehensgrundlage für muslimisches Handeln durch eine gewissenhafte Koran-Interpretation zu ermöglichen. Um Vorurteilen vorzubeugen, geschieht diese Auslegung einzelner Koransuren durch anerkannte Islamwissenschaftler, bewusst auch von islamischer Seite.
Ömer Özsoy (Universität Frankfurt/M.), Milad Karimi (Universität Münster), Tuba Isik (Universität Paderborn), Bülent Uçar (Universität Osnabrück), Mohammed Ali Amir-Moezzi (Sorbonne, Paris) und Seyyed Hossein Nasr (George Washington Universität, Washington, DC)
seien darum unter den muslimischen Koranexegeten
beispielhaft hervorgehoben.
Die bis Dezember
2016 interpretierten Koransuren, verbunden mit generellen Erläuterungen, liegen
nun gedruckt vor. Das Buch enthält dazu noch drei Essays. Hier geht es um die
Geschichte der Koranauslegung im Überblick (Thorsten Gerald Schneiders,
Islamwissenschaftler und Journalist), um die keineswegs spannungsfreie
Koranexegese zwischen Theologie und Orientalistik (Angelika Neuwirth, Arabistin,
Freie Universität Berlin) und schließlich um die mediale Problematik, konkret
um die islamische Beteiligung am Rundfunk in Deutschland.
Die Auswahl der Koransuren hat der Deutschlandfunk ganz
offensichtlich auch an aktuellen Gegebenheiten orientiert. Insgesamt gelingt so
ein versachlichender Beitrag, wenn man sich bewusst auf die Exegese der Korantexte
konzentriert. Zugleich lässt sich dadurch auch die Variationsbreite der
Interpretation erkennen.
Die im Inhaltsverzeichnis benannten Themen,
werden an einzelnen Koranversen erläutert. Inhaltsverzeichnis
werden an einzelnen Koranversen erläutert. Inhaltsverzeichnis
Bisher sind diese Suren zur Sprache gekommen:
1-6, 9,12,13,15-19,
21-24,
26,29,
30,31,33,
41-44,49,
54,57,
80,82,83,85,
91,93,96,100,112.
Einstiegshilfe zum Verstehen bildet bereits der erste Beitrag
–(zugleich auch die damalige erste Sendung. Es ist eine Auslegung von Sure
4,163 (Offenbarungen Gottes, die von Noah bis Jesus erfolgten).
Ömer Özsoy betont: „Die Offenbarung ist eine Vergegenwärtigung, durch die das Göttliche, das heißt das Kontextlose, ins Menschliche, also in bestimmte Kontexte, übertragen wird“ (S. 15). Bereits hier, aber noch deutlicher in dem Abschnitt über Auslegungsfragen (S. 25–49), kommt eine intensive hermeneutische Debatte ins Blickfeld, die die unterschiedlichen historischen, sprachlichen, geografischen und gesellschaftlichen Bedingtheiten bei der Auslegung heiliger Texte nicht ausklammern darf. Da wird selbst das Privileg der arabischen Sprache für die Gottesoffenbarung deshalb hinterfragt, weil schließlich alle Völker vor Gott gleich sind (S. 28). So gibt es auch in der islamischen Theologie von Anfang an unterschiedliche Deutungen schwierig zu verstehender Koranverse. Georges Tamer (Universität Erlangen-Nürnberg) bringt dies am Beispiel von Sure 3,7 so auf den Punkt: „Laut Averroes müssen jedoch Menschen, die nicht über notwendiges Wissen verfügen … von der Auslegung mehrdeutiger Verse ferngehalten werden – eine Vorstellung, die im Islam in den vergangenen Jahrhunderten weite Verbreitung fand“ (S. 31).
Ömer Özsoy betont: „Die Offenbarung ist eine Vergegenwärtigung, durch die das Göttliche, das heißt das Kontextlose, ins Menschliche, also in bestimmte Kontexte, übertragen wird“ (S. 15). Bereits hier, aber noch deutlicher in dem Abschnitt über Auslegungsfragen (S. 25–49), kommt eine intensive hermeneutische Debatte ins Blickfeld, die die unterschiedlichen historischen, sprachlichen, geografischen und gesellschaftlichen Bedingtheiten bei der Auslegung heiliger Texte nicht ausklammern darf. Da wird selbst das Privileg der arabischen Sprache für die Gottesoffenbarung deshalb hinterfragt, weil schließlich alle Völker vor Gott gleich sind (S. 28). So gibt es auch in der islamischen Theologie von Anfang an unterschiedliche Deutungen schwierig zu verstehender Koranverse. Georges Tamer (Universität Erlangen-Nürnberg) bringt dies am Beispiel von Sure 3,7 so auf den Punkt: „Laut Averroes müssen jedoch Menschen, die nicht über notwendiges Wissen verfügen … von der Auslegung mehrdeutiger Verse ferngehalten werden – eine Vorstellung, die im Islam in den vergangenen Jahrhunderten weite Verbreitung fand“ (S. 31).
Bilanz
Die göttliche Offenbarung hat konkrete Menschen zum Ziel. Was Gott
den Menschen zu sagen hat, hat seine Basis im Koran. Das vereint konservative
und reformorientierte Interpreten. Aber die göttliche Botschaft wird nicht
dadurch ernst genommen, dass man sie wortwörtlich auf eine veränderte
geografische, klimatische, gesellschaftliche und kulturelle Situation drückt.
Das Wort Gottes will unter menschlichen Bedingungen neu gehört werden. Schließlich
hat der Koran selbst unterschiedliche Entstehungszeiten und unterschiedliche Adressaten
(Angelika Neuwirth, S. 231). Das muss
sicher im Respekt vor dem heiligen Text, unter Berücksichtigung der
Auslegungstraditionen, aber ebenso im Horizont der jeweiligen Zeit adäquat und
redlich versucht werden. Darum wird die Koranauslegung nie abgeschlossen sein.
Diese wichtige Erkenntnis macht absolute Deutungsansprüche unmöglich. Insofern
ist dieses Buch zugleich eine Absage an jegliche Fundamentalismen. Angesichts solcher
hermeneutischer Herausforderungen darf man auf die weiteren Suren-Interpretationen
gespannt sein.
Reinhard Kirste
Rz-Koran-Keul, 16.05.17
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