Dienstag, 10. Oktober 2017

Die Vielfalt koranischer Auslegungstraditionen

Abbas Poya (Hg.):

Koranexegese
als »Mix and Match«

Zur Diversität aktueller Diskurse in der tafsir-Wissenschaft

Bielefeld: Transcript 2017, 2018 S.
ISBN: 978-3-8376-4112-7
E-Book (PDF): ISBN: 978-3-8394-4112-1

Verlagsinformation
Die Beschäftigung mit dem Koran ist nicht nur ein zentrales Interesse muslimischer Gelehrsamkeit, sie ist auch wichtig, um die geistig-religiösen Hintergründe der verschiedenen – fundamentalistischen, liberalen, traditionellen oder modernen – Positionen im Islam zu verstehen.
Dieser Band diskutiert texthermeneutische Zugänge aus verschiedenen Regionen des Islam – von der Türkei über Ägypten, Syrien, den Iran bis hin zu Indien. Die Beiträge konturieren die Koranexegese als eine Mix-and-Match-Hermeneutik, an der verschiedene Akteure mit unterschiedlichen Erkenntnisinteressen, methodischen Ansätzen und Lebenserfahrungen beteiligt sind. Auf diese Weise wird die Pluralität im islamischen Denken und Handeln als selbstverständlich erachtet und u.a. in den unterschiedlichen Zugängen zum Koran begründet.
Autorenbild Poya, Abbas;(Hg.)
Abbas Poya (PD Dr. phil.) ist habilitierter Islamwissenschaftler und hat an den Universitäten Hamburg, Freiburg und Zürich gelehrt. Er leitet die Nachwuchsforschergruppe »Norm, Normativität und Normenwandel« an der Universität Erlangen-Nürnberg. Seine Forschungsschwerpunkte sind: Islamisches Recht, Toleranz, moderne intellektuelle Diskurse im Islam sowie Gerechtigkeit als normatives Konzept.

Interview mit Abbas Poya


1.  Warum ein Buch zu diesem Thema?
Die meisten pflegen ein einfaches und einheitliches Bild des Islam. Demnach haben die Muslime einen Gott, ein Buch und die gleiche Vorstellung. Das ist auch ein Wunschbild vieler Muslime. Der vorliegende Sammelband ist bemüht, dieses Bild zu verkomplizieren und zu veranschaulichen, dass die Muslime keine einheitliche Vorstellung haben, denn sie lesen und verstehen ihren Grundtext, den Koran, unterschiedlich. Gerade diese Vielfalt an religiösen Vorstellungen und Praktiken macht die Dynamik und Schönheit islamischer Kultur aus.

2.  Welche neuen Perspektiven eröffnet Ihr Buch?
Gewöhnlich wird die Koranauslegung textzentriert verstanden: der Exeget sucht nach einer objektiven und statischen Bedeutung im Text und reagiert dann in der Praxis auf diese Bedeutung hin. Folglich wird das Handeln der Muslime auf den Koran zurückgeführt. Der Sammelband zeigt auf, die Koranexegese leserzentriert zu verstehen: der Exeget gibt dem – koranischen – Text die Bedeutung, indem er ihn interpretiert. Das Handeln eines Muslims – und damit auch sein Koranverständnis – gehen auf seine eigenen Intentionen, Interessen und lebensweltlichen Bedingungen zurück.

3.  Welche Bedeutung kommt dem Thema in den aktuellen Forschungsdebatten zu?
In den bisherigen Auseinandersetzungen mit dem Koran und der Koranexegese wurde dem philologischen Aspekt, d.h. den formalen und sprachlichen Strukturen des Textes, viel Gewicht beigemessen. Der Sammelband versteht sich als ein Beitrag dazu, diese Wissenschaftsdisziplin mit allgemeinen texthermeneutischen und literaturwissenschaftlichen Ansätzen zu bereichern.

4.  Mit wem würden Sie Ihr Buch am liebsten diskutieren?
Mit all denjenigen, die mit voller Gewissheit für eine bestimmte Auslegung des Korans stehen. Ich würde gerne mit ihnen die Frage diskutieren, woher sie diese Gewissheit haben und was sie davon abhält, den anderen das gleiche Recht zuzusprechen, das sie für sich beanspruchen, nämlich den Koran auf eigener Art zu interpretieren.

5.  Ihr Buch in einem Satz:
Umfasst einige diverse, ja widersprüchliche Koranverständnisse und legt damit ein Zeugnis davon ab, wie der Leser eines Textes im Grunde ihn neu schreibt.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen