Die Zisterzienser. Das Europa der Klöster
Darmstadt:
Theiss (WBG) 2017,
368 S., Abb., Glossar
--- ISBN: 978-3-8062-3492-3 ---
368 S., Abb., Glossar
--- ISBN: 978-3-8062-3492-3 ---
Hinweise
zur Ausstellung
(bis 28.01.2018):
(bis 28.01.2018):
Wie
stark religiöse Reformen die kulturelle Landschaft verändern, zeigt in
besonderer Weise diese Ausstellung im Rheinischen Landesmuseum Bonn. Die
Ordensgründungen der Zisterzienser haben nicht nur die Kirche zu Reformen
genötigt, sondern haben sehr schnell von Frankreich aus geografische,
gesellschaftliche und sprachliche Grenzen überschritten. Insofern ist dieser
Orden ein wesentlicher Brückenpfeiler für das Verständnis eines gemeinsamen
Europas.
Der zur Ausstellung erschienene ausführliche Begleitband arbeitet anhand von
Texten, Bildmaterial und den informativ präsentierten Ausstellungsstücken diese
europäische Impulsepoche ein Stück weit systematisierend auf. Besonders
auffällig ist, dass sogar der konsequent gelebte Armutsgedanke der
Zisterzienser nach und nach beeindruckende Werke der Kunst und Architektur
ermöglichte. Es ist die Faszination der Einfachheit im kreativen Durchbruch.
I. Die Hauptteile des Buches
1. Essays
zu den Hintergründen der Zisterzienserklostergründungen
und ihrer Entwicklungsgeschichte – Die Beiträge sind auf die
Architektur, Skulptur und Malerei sowie auf die Liturgie und auf die
Herstellung von Büchern und die wirtschaftlichen Aktivitäten bezogen
(S. 16–131).
und ihrer Entwicklungsgeschichte – Die Beiträge sind auf die
Architektur, Skulptur und Malerei sowie auf die Liturgie und auf die
Herstellung von Büchern und die wirtschaftlichen Aktivitäten bezogen
(S. 16–131).
2. Ein
Blick in die aktuelle Regionalforschung:
Marienstatter Tafeln,
Kloster Altenberg, Abteikirche Kamp, Gutshöfe (Grangien) des Klosters
Hardehausen (S. 135–171).
Kloster Altenberg, Abteikirche Kamp, Gutshöfe (Grangien) des Klosters
Hardehausen (S. 135–171).
3. Der reich bebilderte
und klar beschriebene Katalogteil
bezieht sich auf die Gründungsphase des Ordens, die Kirche als Ort der Anbetung,
die Liturgie, die Klausur, das Aufblühen der Frauenklöster, die Konversen
(Laienbrüder) zur Sicherung des Klosterunterhalts, verstärkt durch die
außerhalb gelegenen Gutshöfe und Stadt-Dependancen. Die Wirtschaft wurde also
zu einem wesentlichen Faktor des neuen Reformordens. Der Katalog bietet weiterhin
wichtige Einblicke in das Skriptorium und damit die Bedeutung von Büchern für
ein Kloster. Schließlich gibt es noch eine Reihe von Zeugnissen zur
„Basis-Persönlichkeit“ des Ordens: Bernhard von Clairvaux.
Nicht nur weil 2017 das Jahr der Reformation ist, sondern auch weil die Bezüge Bernhard von Clairvaux – Martin Luther immer wieder auffallen, gibt es eine Art kirchenkritischen Epilog (S. 295–296). Das gilt im Blick auf Gefährdungen der Kirche, die ihre Ursprünge missachtet. Es geht also um notwendige Reformen der Kirche – ganz im Sinne Martin Luthers: Ecclesia semper reformanda.
Der Reformator schätzte nämlich Bernhard von Clairvaux außerordentlich – nicht nur wegen der Kraft seiner Spiritualität, sondern auch wegen dessen kirchenkritischen und kirchenreformerischen Ansätzen.
„Basis-Persönlichkeit“ des Ordens: Bernhard von Clairvaux.
Nicht nur weil 2017 das Jahr der Reformation ist, sondern auch weil die Bezüge Bernhard von Clairvaux – Martin Luther immer wieder auffallen, gibt es eine Art kirchenkritischen Epilog (S. 295–296). Das gilt im Blick auf Gefährdungen der Kirche, die ihre Ursprünge missachtet. Es geht also um notwendige Reformen der Kirche – ganz im Sinne Martin Luthers: Ecclesia semper reformanda.
Der Reformator schätzte nämlich Bernhard von Clairvaux außerordentlich – nicht nur wegen der Kraft seiner Spiritualität, sondern auch wegen dessen kirchenkritischen und kirchenreformerischen Ansätzen.
Es folgen im Katalog noch
Dokumente, und kurze Porträts
ausgewählter Abteien mit Schwerpunkt im deutschsprachigen Raum (S. 300-329). Die zu diesen Klöstern gehörenden Dokumente und Objekte sind Teil der Ausstellung. Der
Rezensent, der selbst mehrere Jahre (ev.) Pfarrer in Hildesheim Marienrode war, hätte es allerdings gern
gesehen, dass auch dieses ehemalige Zisterzienserkloster im beeindruckenden Ausstellungsband
erwähnt worden wäre (S. 174–299). Mehr zum Kloster Marienrode: hier
Glossar (S. 332-334) und ein ausführliches Literaturverzeichnis (S. 335–367) schließen den Band ab.
Glossar (S. 332-334) und ein ausführliches Literaturverzeichnis (S. 335–367) schließen den Band ab.
II. Die thematischen
Schwerpunkte der Beiträge
Gert Melville (Mediävist von der TU
Dresden) zeigt mit seiner Analyse der
Anfänge, warum die Zisterzienser so erfolgreich wurden. Etablierte Klöster
und verfestigte hierarchische Kirchenstrukturen forderten angesichts großer
gesellschaftlicher Umbrüche im 11./12. Jahrhundert Kirchenreformen heraus. Aus
asketischen und eremitisch lebenden Gruppen erwuchsen Impulse, die man anfangs
kaum erwartet hätte. Die erneute und zugleich auf die veränderte Situation
bezogene Benediktsregel durch die Zisterzienser, ihre Einhaltung in strikter
„Reinheit“ und Einfachheit sowie die das gemeinsame Leben fixierende Carta Caritatis verstärkten eine
genossenschaftliche Willensbildung. Sie findet ihr Zentrum im Generalkapitel,
das neue zukunftsfähige Strukturen ermöglichte. In den Anfangsjahren führte die
Auseinandersetzung um den unsteten und umstrittenen Benediktinerabt Robert von Molesme (um 1028–1101) als
Gründer von Cîteaux in eine kritische Situation. Klarheit brachte im Grunde
erst der Eintritt Bernhards in den Orden, sein Auszug mit einigen Brüdern aus
Cîteaux und die Gründung des Klosters Clairvaux.
„Die Zisterzienser hatten es ausgezeichnet verstanden, Grundprinzipien der
religiösen Avantgarde mit dem Traditionalismus der Benediktsregel zu verbinden,
um damit zu einer eigenständigen und individuell verantworteten Spiritualität
der Weltentsagung in klarer normativer Rahmung zu gelangen, die Willkürlichkeit
ausschaltete“
(S. 34f).Solche Klarheit kam auch in der Architektur und Raumkonzepten der Mönche für das Kloster zum Ausdruck: Einfachheit in Holz und Stein. Darauf macht der Kunsthistoriker Markus Thome (Universität Tübingen) aufmerksam, wenn er einerseits auf die beachtlichen Großbauten der Kirchen und die differenzierten Klosteranlagen und andererseits auf den Verzicht des Überflüssigen in der Innenarchitektur verweist (keine Skulpturen und Malereien, weder bunte Glasfenster noch sorgfältige Auslegung der Fußböden. Der Kunsthistoriker Jens Rüffer (Universität Bern) stellt den monastischen Alltag des (liturgischen) Betens und Arbeitens dar – auch die Debatten um Nahrung im Kontext des einfachen Lebens, wie es bis heute praktiziert wird. Hier lohnt ein Vorblick auf den Beitrag von Christian Hillen (Rheinisch-Westfälisches Wirtschaftsarchiv zu Köln) über zisterziensisches Wirtschaften (S. 123–131), so dass man sogar von einem Wirtschaftswunder im Zusammenhang mit diesem Orden reden könnte. Unbestrittenes spirituelles Zentrum aber sind die liturgischen Gebete (Stundengebete) und die Gottesdienste. Sie erfordern besondere Berücksichtigung. Das hat erhebliche Auswirkungen auf die Schriftkunst, denn schließlich braucht man Chorbücher und liturgische Texte, so der britische Germanist Nigel F. Palmer (Universität Oxford). Harald Wolter von dem Knesebeck (Kunsthistoriker an der Universität Bonn) zeigt, wie sich verstärkt im Spätmittelalter ein Kunstverständnis entwickelte, das von den strengen Regeln des Anfangs um einiges abwich, wenn es um Altäre und Bilder, (skulpturelle) Ornamentik, Grabdenkmäler sowie Buntglasfenster ging. Trotzdem hielten die Zisterzienser hier weiterhin erhebliche Distanz zu den „liberaleren“ Benediktinern.
(S. 34f).Solche Klarheit kam auch in der Architektur und Raumkonzepten der Mönche für das Kloster zum Ausdruck: Einfachheit in Holz und Stein. Darauf macht der Kunsthistoriker Markus Thome (Universität Tübingen) aufmerksam, wenn er einerseits auf die beachtlichen Großbauten der Kirchen und die differenzierten Klosteranlagen und andererseits auf den Verzicht des Überflüssigen in der Innenarchitektur verweist (keine Skulpturen und Malereien, weder bunte Glasfenster noch sorgfältige Auslegung der Fußböden. Der Kunsthistoriker Jens Rüffer (Universität Bern) stellt den monastischen Alltag des (liturgischen) Betens und Arbeitens dar – auch die Debatten um Nahrung im Kontext des einfachen Lebens, wie es bis heute praktiziert wird. Hier lohnt ein Vorblick auf den Beitrag von Christian Hillen (Rheinisch-Westfälisches Wirtschaftsarchiv zu Köln) über zisterziensisches Wirtschaften (S. 123–131), so dass man sogar von einem Wirtschaftswunder im Zusammenhang mit diesem Orden reden könnte. Unbestrittenes spirituelles Zentrum aber sind die liturgischen Gebete (Stundengebete) und die Gottesdienste. Sie erfordern besondere Berücksichtigung. Das hat erhebliche Auswirkungen auf die Schriftkunst, denn schließlich braucht man Chorbücher und liturgische Texte, so der britische Germanist Nigel F. Palmer (Universität Oxford). Harald Wolter von dem Knesebeck (Kunsthistoriker an der Universität Bonn) zeigt, wie sich verstärkt im Spätmittelalter ein Kunstverständnis entwickelte, das von den strengen Regeln des Anfangs um einiges abwich, wenn es um Altäre und Bilder, (skulpturelle) Ornamentik, Grabdenkmäler sowie Buntglasfenster ging. Trotzdem hielten die Zisterzienser hier weiterhin erhebliche Distanz zu den „liberaleren“ Benediktinern.
Angesichts
der geradezu als Weltflucht wirkenden Existenz der Klöster fällt auf, dass das
scheinbar gegensätzliche Verhältnis Kloster
– Welt durch viele Verbindungen gegenseitiger Wahrnehmung und Kommunikation
geprägt war. Darauf macht die britische Mittelalter-Forscherin Emilia Jamroziak (Universität Leeds) in
ihrem Beitrag „Cistercensians and the world. Intercession, patrons and neihghbours“
aufmerksam.
Die
Beiträge aus der aktuellen Forschung
geben interessante Einblicke in die Marienstatter Tafeln als Schlüsselpunkt
gotischer Klostermalerei, die Klausurarchitektur von Altenberg, die
mittelalterliche Ausstattung der Abteikirche Kamp und die außerhalb liegenden
Gutsbetriebe (Grangien) des Klosters Hardehausen.
III. Bilanz und
Weiterführendes
Die
Essays und die sorgfältig zusammengestellten Bildkommentare haben ausgewiesene
Kenner des Mittelalters und besonders der europäischen Ordensgeschichte
geschrieben. Sie wirken als Verstehens-Vertiefung der vielen, auch
großformatigen Bilder in guter Druckqualität. Die Fotos sind darum nicht bloße Illustrationen, sie machen
in des Wortes originaler Bedeutung die Korrelation von Kunst, Architektur und
Klostergestaltung im Horizont des mönchischen Lebens sichtbar. Die Leser/innen
und Betrachter/innen der Bilder erfahren so eine Erweiterung des eigenen
Verständnisses über eine Zeit erheblicher gesellschaftlicher Umbrüche,
wirtschaftlicher Veränderungen und notwendiger kirchlicher Reformen. Interessierte
und Fachleute werden auch nach dem Ausstellungsende gern auf diesen Band
zurückgreifen, um sich bestimmte Aspekte und gesellschaftliche Folgewirkungen
der Zisterziensergeschichte zu vergegenwärtigen.
Mehr zur Geschichte der Zisterzienser mit den Schwerpunkten:
Reinhard Kirste
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