Dienstag, 23. Januar 2018

Die USA und der globale Kapitalismus

Michael Hudson: Finanzimperialismus - Die USA und ihre Strategie des globalen Kapitalismus
Aus dem Amerikanischen von Stephan Gebauer
und Thorsten Schmidt
Stuttgart: Klett-Cotta 2017, 512 S.
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ISBN-13: 978-3608947533 ---

Die USA stiegen im 20. Jahrhundert zur führenden Weltmacht auf. Wie wichtig dafür das Währungssystem mit dem Dollar als Leitwährung war, beschrieb der US-amerikanische Ökonom Michael Hudson schon 1972 in seinem Buch "Finanzimperialismus". Nun ist sein überarbeitetes Werk ins Deutsche übersetzt worden. Als Banker hatte er Zugang zur Finanzelite und zum Weißen Haus (s. Quellen im Anhang S. 439 ff.). Er merkt einleitend im Frühjahr 2016 für die deutsche Ausgabe an:  „Deutschlands Wahl - Die globale Finanzkrise der Gegenwart hat ihren Ursprung im Ersten Weltkrieg und seinen Folgen.“(S. 17).
Früher bezog sich Imperialismus auf ein militärisches Vorgehen: Länder schickten Kanonenboote, kolonisierten und kontrollierten andere Staaten. Der Finanzimperialismus funktioniert ohne Armeen, doch Kapitel 3 „Die Vereinigten Staaten verschmähen die globale Führungsrolle“ endet: „In den Krieg zu ziehen war leichter als ein alternatives Finanzsystem zu errichten“ (S. 119). Bereits 1913 hatten die USA die US-Zentralbank Federal Reserve (FED) gegründet. Bis 1917 hielten sich die USA aus der Weltpolitik heraus und verlagerten Entscheidungen mit weltweiter Wirkung von der Politik auf die Finanzen. Die Weigerung der Vereinigten Staaten, ihre Forderungen den Reparationseinnahmen der europäischen Verbündeten anzupassen, bewirkte, dass diese ebenfalls ausbluteten. Das wirtschaftliche Desaster Deutschlands hatte für Deutschland seit 1919 schlimme Folgen. Die meisten Menschen in Deutschland verstanden nicht,
was in den 1920er Jahren geschah.
Die Debatte auf der einen Seite: Keynes vertrat die Meinung, Deutschland könne die hohen Reparationsforderungen nicht leisten und die Alliierten könnten ihre Auslandsschulden nicht bezahlen. Auf der anderen Seite standen Jacques Rueff, Bertil Ohlin und Friedrich Hayek.

Vgl. John Maynard Keynes:The Economic Consequences of  the Peace, London 1919;
deutsch: 
Krieg und Frieden. Die wirtschaftlichen Folgen des Vertrages von Versailles
Berlin [1920],  2006, 3. Aufl.

Washington hatte den Verbündeten im Ersten Weltkrieg ursprünglich versichert, sie müssten sich keine Sorgen über die Rückzahlungsbedingungen für Kriegskredite machen. Ein Senator aus Iowa  erklärte: "Frankreich kam uns in der Stunde unserer größten Bedrängnis mit Geld, mit einem Teil seines Heeres und seiner Marine zu Hilfe. Es ist zu bezweifeln, dass wir ohne die Hilfe Frankreichs unsere eigene Nation bekommen hätten. (...) Ich möchte nicht erleben, dass diese Regierung Frankreich auffordert, den Kredit zu tilgen, den wir ihm gewähren werden."
Doch US-Finanzminister Andrew Mellon erklärte später, dass die Vereinigten Staaten mit einigen Transaktionen im Krieg eine Rendite von 80 Prozent erzielt hatten. Nach dem Ersten Weltkrieg besaßen die USA etwa 50 Prozent der globalen Goldreserven.
Nach dem Börsencrash 1929 und der andauernden Wirtschaftskrise bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges beschlossen die USA,ihre Währung an das Gold zu binden. Bis Ende der 1940er Jahre hielten die USA rund 75% der globalen Goldreserven. Nach dem Zweiten Weltkrieg vergrößerten die USA ihren globalen Einfluss: Denn im Währungsregime von Bretton Woods bildete der Dollar die Ankerwährung, und die Vereinigten Staaten verfügten bei den neu geschaffenen Institutionen – dem Internationalen Währungsfonds und der Weltbank – über ein Vetorecht.
Detailreich wird geschildert wie ab Beginn des Koreakriegs im Juni 1950 das gesamte US-Zahlungsbilanzdefizit den Ausgaben für das Militär geschuldet war. Ab den 1960er Jahren fluteten die USA durch den  Krieg gegen Vietnam die übrige Welt mit Dollars, um ihr Haushaltsdefizit zu finanzieren. Frankreich und Deutschland begannen daraufhin, Dollar in Gold zu tauschen.  
Als sich die Exportpreise für amerikanisches Getreide nach der Aufgabe des Goldstandards vervierfacht hatten, erhöhten die Erdöl exportierenden Länder ihre Rohstoffpreise entsprechend.

Hudson dazu:
"In einer Sitzung im Weißen Haus erfuhr ich, dass amerikanische Diplomaten den Regierungen Saudi-Arabiens und anderer Länder der Region zu verstehen gegeben hatten, diese könnten für ihr Öl so viel verlangen, wie sie wollten, aber die Vereinigten Staaten würden es als kriegerischen Akt deuten, würden sie ihre Einnahmen aus dem Erdölexport nicht in Vermögenswerten anlegen, die in US-Dollar denominiert waren".

Der Iran wollte 1979 mit dem Sturz des Schahs seine Auslandsschulden über die Chase Manhattan Bank bezahlen. Aber Chase lehnte es ab, die Investoren auszuzahlen, die iranische Staatsanleihen hielten. Hillary Clintons Strategie war später, Russland zu provozieren und die Regierung in Kiew zu unterstützen. Daher haben sich Russland, China und der Iran angenähert, und zwar in der Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit. Ziel ist es, aus dem Dollar-Gebiet auszubrechen. Sie wollen die US-Währung nicht mehr nutzen, um ihren Handel abzuwickeln, und weniger Dollar in den Bilanzen ihrer Zentralbanken halten.
Der einzige Weg zum Aufbau des € als Weltwährung wäre es, EU-Staaten die Schuldenaufnahme zu gewähren und zu erlauben, Anleihen auszugeben, die von anderen Mitgliedsländern gekauft werden dürfen. Aber die USA wollen keinen Rivalen und an der Wall Street  wird die »Euro-Zone« als »Schuldenzone« bezeichnet.

Der Autor und seine Zielsetzung:
Michael Hudson gehört zu den Beratern von Occupy und betätigt sich ausgiebig als Schwarzmaler unseres weltweiten Finanzsystems. 2006 prophezeite er, die Kredit  getriebene Immobilienblase in den USA werde 2007 platzen. Hudsons Hauptargument lautet: Viele Kredite dienten nicht produktiven Zwecken, sondern dazu, bestehende Assets zu kaufen, also Immobilien, Aktien, Unternehmen etc. Diese Kredite erhöhten zwar das Vermögen (auch die Schulden), nicht aber die Produktivität.
Mit seiner Fundamentalkritik des kapitalistischen Finanzsystems ist ein lesenswertes Werk gelungen. Doch das Buch endet in Kapitel 14 mit "Die monetäre Frühjahrsoffensive von 1973" (S. 399ff).

Als interessantes Werk zum herrschenden Finanzsystem ist das vorliegende Buch spannend geschrieben und macht der angelsächsischen Geschichtsschreibung Ehre.

Ausblick
Wer wissen will, wie es weitergeht, liest am besten
Michael Hudson: Der Sektor: Warum die globale Finanzwirtschaft uns zerstört.
Übersetzt von Thorsten Schmidt und Dorothee Merkel, Klett-Cotta, Stuttgart, 2016, 670 S.

Doch Alternativen wie Hudson vorschlägt, überzeugen kaum: mehr Steuern, mehr staatliche Banken und  Regulierung, die Rückführung des Kreditwesens auf seine Rolle als Finanzier der Realwirtschaft. Denn in Deutschland hatten die staatlichen Landesbanken in der Finanzkrise durch Fehlspekulationen Milliardenverluste eingefahren: Sachsen LB, West LB, usw. --- Details: Was-aus-den-resten-der-westlb-wird
Nun waren die US- halbstaatlichen Immobilienkreditinstitute Freddie Mac und Fannie Mae waren Zentrum der Krise im Jahr 2008 --- Details: Did-fannie-and-freddie-cause-the-mortgage-crisis
Die USA haben sich vom größten Gläubiger zum Schuldner entwickelt. Die Staatsschulden 2000 = 5,6 Billionen Dollar sind durch die Finanzkrise 2007 = 64% auf 2017=108%, also 20,5 Billionen Dollar gestiegen. Als das Anheben der Schuldenobergrenze misslang, wurde am 20. Januar 2018 zum ersten Mal seit 2013 der "Shutdown" ausgelöst.
Nun müssen Teile der US-Bundesregierung  des öffentlichen Dienstes ihr Handeln einstellen.
Dies könnte
die Handlungsfähigkeit hindern, und f
alsche Entscheidungen können den Status des US-Dollars und US-Treasuries gefährden. Den höchsten Bestand an US-Staatsanleihen halten übrigens
Japan mit 1,1 Billionen Dollar
und China mit 1.049 Milliarden US-Dollar.

Eckhard Freyer, Bonn
Er war bis zu seiner Emeritierung
Professor für Wirtschaftswissenschaften an er Hochschule Merseburg
Details: https://www.xing.com/profile/Eckhard_FREYER




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