Mittwoch, 24. Januar 2018

Rabi Jabir: Traum und Wirklichkeit - eine Geschichte aus dem islamischen Mittelalter

Rabi Jabir:
 Die Reise des Granadiners 
  Übersetzung aus dem Arabischen von Nermin Sharkawi
  Berlin: Hans Schiler 2013, 176 S. --- Erzählung --- 
  Arabische Originalausgabe 2005
  (auch als Taschenbuch erschienen)

--- ISBN: 978-3-89930-380-3 ---- 


Der Schriftsteller Rabi Jabir ist 1972 in Beirut/Libanon geboren. Er studierte Physik an der dortigen Amerikanischen Universität. Er ist Redakteur der wöchentlichen Kulturbeilage Afaaq der Tageszeitung Al-Hayat, einer panarabischen Tageszeitung in London für den arabischen Raum. Seit 1992 hat er 16 Romane veröffentlicht.  Rabi Jabir wurde 2012 mit dem „Arabic Booker Prize“ ausgezeichnet.

Einleitung:                               
Rabi Jabir erzählt die Geschichte des jungen Mannes Muhammad Abu Hamid, genannt der Granadiner, der sich getrieben von nächtlichen Visionen und aus Angst vor der Wahrheit auf den Weg macht, um seinen verlorenen Bruder Arrabi verzweifelt zu suchen. Nach einer abenteuerlichen Irrfahrt durch Spanien und Nordafrika führt seine Reise bis nach Jerusalem.

Hintergründe:
Der Roman spielt zur Zeit des 11. Jahrhunderts und zeigt die Lebensweise der Menschen im maurischen Spanien. Gebildete Araber leben  in Andalusien im Wohlstand. Medizinische Ratgeber, Rezepte für feine Speise und Heilmethoden mit Kräutern  werden aufgezeigt. Der Autor beschreibt die historischen Ereignisse im mittelalten Spanien, des islamischen Königreichs Andalusien und der christlichen Fürstentümer. 1085  erobert König Alfons VI das islamische Königreich Toledo. Die Berberfeldzüge gegen die Franken reichen bis Valencia. Die Almoraviden belagern Sevilla und nehmen Granada, Malaga und Córdoba ein. Diese Kriege, ebenso wie die christlichen Kreuzzüge nach Jerusalem auf Anordnung des Papstes, ziehen den jungen Mann in ihre Wirren.

Inhalt:
Im Jahre 1091 lebt der Hirtenjunge Muhammad mit seiner Familie, seinem gelähmten Vater, seiner  Mutter, seinem Großvater Suleiman, seinen zwei Schwestern und seinem einzigen Bruder in Granada. Er ist 11 Jahre, sein Bruder Arrabi 13 Jahre alt. Sie hüten die Schafe im Gebirge und wechseln sich beim Hüten ab, denn einer von beiden geht jeweils zum Jagen. Während Muhammad aufpassen soll, schläft er ein. Als Arrabi zurückkehrt und ihn weckt, fehlt ein Schaf. Er läuft in den dichten dunklen Wald, um das vermisste verirrte Tier zu suchen. Es wird Nacht, Arrabi kommt nicht zurück.  Muhammad ist verzweifelt, immer wieder ruft er laut seinen Namen. Arrabi bleibt verschwunden. Die Trauer ist groß. Die Familie verliert die Hoffnung auf eine Wiederkehr, verfällt  in Trübsal und Schwermut.

Acht Jahre später, im Jahre 1097: Muhammad arbeitet inzwischen als Kopist im Laden des Scheichs Al Walid und schreibt medizinische Bücher ab. Ein Händler aus Córdoba, der mit dem Kermes-Farbstoff: https://en.wikipedia.org/wiki/Kermes_(dye) und Kräutern Handel bis Valencia betreibt, betritt den Laden und verwechselt ihn mit seinem Bruder Arrabi. Der Vermisste arbeitet angeblich als Gewürzhändler in Valencia, und er  kommt einmal jährlich im Herbst nach Córdoba. 
Das lässt ihm keine Ruhe. Ende des Sommers macht sich Muhammad, getrieben von Visionen, Angst und Schuld, auf der Suche nach der Wahrheit. Zu Pferd nimmt er den Weg nach Córdoba.
Er durchquert  unwegsame Wälder und Flüsse, abgebrannte Olivenhaine, verrußte Dörfer, deren Bewohner die Pest dahingerafft hatte.
In Córdoba angekommen, bleibt er bei dem Händler Scheich Abu Yusuf. Dort erlernt er die Kunst der Heilbehandlung mit Kräutern. Und er wartet und wartet, dass sein Bruder komme. Nach einem Jahr vergeblichen Hoffens bricht er nach Valencia auf.
Unterwegs wird er von Franken überfallen, sein Pferd wird getötet. Er überlebt einem glücklichen Umstand zufolge, da er einem Spanier in der Kirche ähnlich sieht. Er  wird als Gefangener in Valencia in ein Verlies gesperrt. Immer wieder überfallen ihn auch im Wachzustand Alpträume und Schuldgefühle. Miguel, ein Spanier, der seine Lebensgeschichte hört, weist ihn auf seinen Fehler hin: Er hätte ein Feuer anzünden müssen, um seinem Bruder den Weg zurück zu zeigen.
Die einzige Möglichkeit zur Freilassung, besteht darin, als Sklave auf ein spanisches Kriegsschiff gebracht zu werden. Er muss nun mit anderen Sklaven eine Galeere rudern. Auf dem Mittelmeer nahe Sardinien umzingeln plötzlich drei Berberschiffe die Kreuzfahrer. Die Berber überfallen sie und befreien die Sklaven. Muhammad bleibt ein Jahr in Marokko. Hier erhält er den Namen Granadiner. Er aber will frei sein.
Er zieht weiter. Seine Reise endet in Tunis. Dort bleibt er sieben Jahre. Er arbeitet erfolgreich als Olivenfabrikant von andalusischen Oliven. Dann baut er ein Haus und heiratet die jüngste Tochter des Scheichs. Sie bekommen einen Sohn und eine Tochter.
Jedoch seine Träume quälen ihn, und Melancholie und Schwermut betrüben seinen Verstand, immer in Gedanken an seinen verschollenen Bruder.  Visionen seines Schicksals überdecken die heiteren Tage der Kindheit.
Eines Tages erzählen ihm Händler aus Jerusalem, dass dort ein Kaufmann die gleichen andalusischen Oliven verkaufe wie er.  Muhammad ist bestürzt von dieser Nachricht. Er findet keine Ruhe.  Er ist 33 Jahre alt.15 Jahre ist er umhergeirrt. Nach hartem Ringen und Kampf mit seinen Gefühlen verlässt er seine Familie. Er reist nach Tripolis, Alexandria und Gaza. 1113 erreicht er Jerusalem, um seinen Bruder dort zu suchen. Muhammad findet seinen Bruder Arrabi in Antakya in der Türkei, findet Muhammad seinen Bruder wirklich?   

Bewertung:
Das außergewöhnliche Buch ist sehr empfehlenswert zu lesen. Rabi Jabir zeichnet gekonnt ein spannendes Wechselspiel aus realer Handlung und Traumsequenzen.  
Die orientalische Erzählstruktur, teilweise verschachtelt  und mit rückblickende Sequenzen,  fasziniert den Leser. Er wird gefesselt vom verwirrenden Widerstreit der Gedanken zwischen Traum und Wirklichkeit. Das Buch vermittelt Weisheit  in Gedankenfülle.
Besonders zu erwähnen ist die Erkenntnis, wie sie in der Koran-Sure 2, 286 („Die Kuh“) formuliert wird: „Gott mutet keiner Seele mehr zu als sie kann….“

Weitere Veröffentlichungen von Rabi Jabir (aus Wikipedia.en)
  • 1992: Sayyid al-Atmah (سيّد العتمة, Master of Darkness)
  • 1995: Shay Aswad (شاي أسود, Black Tea)
  • 1996: Al-Bayt al-Akhir (البيت الأخير, The Last House)
  • 1996: Al-Farasha al-Zarqa (الفراشة الزرقاء, The Blue Moth)
  • 1997: Ralf Rizqallah fi al-Mir'at (رالف رزق الله في المرآة, Ralph Rizqallah in the Looking-Glass)
  • 1997: Kuntu Amiran (كُنْتُ أميراً, I was a Prince)
  • 1998: Nazra Akhira ala Kin Say (نظرة أخيرة على كين ساي, A Last Look at Kin Say)
  • 1999: Yusuf al-Inglizi (يوسف الإنجليزي, Yusuf the Englishman)
  • 2002: Rahlat al-Gharnati (رحلة الغرناطي, The Journey of the Granadian)
    • 2005: Translated to German under the title Die Reise des Granadiners (as Rabi Jabir)
  • 2003: Bayrut Madinat al-'Alam: Al-Juz' al-Awwal
            (بيروت مدينة العالم: الجزء الأول, Beirut City of the World: Part One)
  • 2005: Byretus Madinat Taht al-Ard (بيريتوس: مدينة تحت الأرض, Byretus Underground City)
  • 2005: Bayrut Madinat al-'Alam: Al-Juz' al-Thani (بيروت مدينة العالم: الجزء الثاني, Beirut City of the World: Part Two)
  • 2006: Takrir Mehlis (تقرير مهليس, The Mehlis' Report)
  • 2007: Bayrut Madinat al-'Alam: Al-Juz' al-Thalith
              (بيروت مدينة العالم: الجزء الثالث, Beirut City of The World: Part Three)
  • 2008: Al-I'tirafat (الاعترافات, Confessions)
  • 2009: America (أميركا, America)
  • 2010: The Druze of Belgrade (دروز بلغراد)
  • 2011: Birds of the Holiday Inn (طيور الهوليداي إن)

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 Fakultät Humanwissenschaften und Theologie, Institut für Ev. Theologie  TU-Dortmund
Seminar WiSe 2017/2018: Der Orient in Europa – Konsequenzen für die Schule 
Dozent  Dr. Reinhard Kirste --- Bearbeitung: Waltraud Janisch-Sassen. 16-01-2018  

                                                                                  

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