Karl Lehmann: Mit langem Atem.
Wege – Erfahrungen – Einsichten.
Der Kardinal im Gespräch mit Markus Schächter.
Freiburg u.a.: Herder 2017, 4. Aufl., 271 S., Namenregister
--- ISBN 978-3-451-34967 ---
Wege – Erfahrungen – Einsichten.
Der Kardinal im Gespräch mit Markus Schächter.
Freiburg u.a.: Herder 2017, 4. Aufl., 271 S., Namenregister
--- ISBN 978-3-451-34967 ---
In einem ausführlichen Gespräch kurz vor seinem 80.
Geburtstag hatte der ehemalige ZDF-Intendant Markus Schächter die Möglichkeit, Lebensstationen von Kardinal
Lehmann anzusprechen. So treten kirchliche Umbrüche und die pastorale
Verantwortung dieses Kirchenmannes deutlich hervor. All dies ist von Lehmanns umfassender
Glaubwürdigkeit geprägt als Priester, Theologe, Bischof und Kardinal. Er war
durch seine herausragende Dialogfähigkeit in vieler Hinsicht ein Glücksfall
nicht nur für die katholische Kirche, sondern auch für die Ökumene der
Konfessionen, der Religionen und der (säkularen) Gesellschaft.
Markus Schächter bringt dies in seinem Vorwort auf
den Punkt: „Als Zeuges des Aufbruchs im Konzil (sc. Vaticanum II) hat er die
Zeiten des nachkonziliaren Umbruchs … gestaltet und mitbestimmt … als ein Mann
… mit Mut und Bereitschaft zum Risiko, mit standfester Gelassenheit und der
Fähigkeit zum klaren Widerspruch, mit stets optimistischem Gottvertrauen …“ (S.
9).
Vgl. den Beitrag: Kardinal Lehmann – ein
Brückenbauer der besonderen Art:
https://intra-tagebuch.blogspot.de/2018/03/kardinal-lehmann-ein-bruckenbauer-der.htm
https://intra-tagebuch.blogspot.de/2018/03/kardinal-lehmann-ein-bruckenbauer-der.htm
Besonders
spannend scheinen mir die im Buch zur Sprache kommenden Verbindungsbrücken zu
sein, die der Bischof und Kardinal ermöglichte und mit anlegte. Sie haben
offensichtlich mit seiner Verwurzelung in der christlichen Theologie und in
ihrer dogmengeschichtlichen Vielfalt zu tun. Die theologische Dialogfähigkeit
mit der Philosophie, aber auch im Blick auf Ethik und Gesellschaft erscheinen
immer wieder als Prägepfeiler seines Denkens und Handelns. Denken und Glauben gehören
für ihn untrennbar zusammen. Jegliche Abschottung ist ihm fremd, wie bereits
seine Doktorarbeit über Martin Heidegger 1962 beweist. Und gern bezieht er sich
auch auf ev. Theologen, z.B. auf Gerhard Ebeling (S. 196).
Hinter allem dürfte jedoch die (konziliare) Prägekraft Karl Rahners stehen. Dass die theologischen und philosophischen Freunde Lehmanns bei wichtigen katholischen Reformdenkern, evangelischen und jüdischen Theologen zu finden sind, verwundert nicht (S. 240f).
Hinter allem dürfte jedoch die (konziliare) Prägekraft Karl Rahners stehen. Dass die theologischen und philosophischen Freunde Lehmanns bei wichtigen katholischen Reformdenkern, evangelischen und jüdischen Theologen zu finden sind, verwundert nicht (S. 240f).
Um
den Rahmen seiner Vielfältigkeit zu verdeutlichen – hier einige
Orientierungsdaten:
Geboren. 16.05.1936 in Sigmaringen – gestorben:
11.03.2018 in Mainz
Studium der Philosophie und kath. Theologie an
den Universitäten Freiburg, Rom. München und Münster
1962 – 1965 Mitarbeiter Rahners beim 2.
Vatikanischen Konzil
1963 Priesterweihe in Rom durch Kardinal
Döpfner
1964 – 1967: Assistent von Karl Rahner an der
Universität München und 1967 an der Universität Münster
1968 Ruf auf den Lehrstuhl für Dogmatik und
theologische Propädeutik an der Universität Mainz
1971 – 1983 Professor für Dogmatik und
Ökumenische Theologie an der Universität Freiburg
1983 bis 2016 Bischof von Mainz
Von 1987 bis 2008 Vorsitzender der Deutschen
Bischofskonferenz.
2001 Ernennung zum Kardinal durch Papst
Johannes Paul II.
In seinem Leben hat Lehmann auch viele
universitäre und staatliche Ehrungen erhalten.
In
den bisherigen Besprechungen zu diesem Buch wurde natürlich auch auf die
kirchlichen Stolpersteine eingegangen, so auch auf die beunruhigenden Versuche,
die Reformergebnisse des Vaticanum II zurückzudrehen. Ebenfalls sind die
Probleme mit der römischen Kurie geblieben. Der Anspruch klerikaler
Kirchenpolitiker aus übersichtlichen Gemeinden und Diözesen Organisationsstrukturen
des XXL schaffen wollen, geht dem Kardinal völlig gegen den Strich.
Mir scheint
besonders wichtig: Mit Karl Rahners Ansätzen zur Kirchenreform bleibt Lehmann
immer theologisch und kirchenpolitisch solidarisch. Er teilt auch dessen scharfe
Kritik an der nachkonziliaren Kirche (S. 112–115). Die Kontroverse mit Kardinal
Meisner war für Lehmann zwar eine schwierige, aber letztlich weiterführende
Erfahrung (S. 212). Gegen den Entzug der Lehrerlaubnis von Hans Küng 1979 hatte
sich Lehmann mit aller Schärfe gewandt, obwohl Hans Küng in den vorausgehenden
Konflikten seinen Professorenkollegen durchaus ambivalent sah. Zuweilen gerät
auch dialogische Geschicklichkeit in ein schiefes Licht und ermöglicht keine Veränderungen
am Status quo.
Es
lockt mich an dieser Stelle, dem (Pastoral-)Theologen Lehmann einen etwas
jüngeren gegenüberzustellen:
Paul M. Zulehner (geb. 1939). Wie unterschiedlich die Wege sein können, die von der Aufbruchssituation des 2. Vatikanischen Konzils geprägte Kirchenleute für die Praxis vor Ort versuchen umzusetzen, zeigt ein Blick in dessen autografisch geprägtes Buch „Mitgift“ (Patmos-Verlag 2014). Uns begegnet hier auch eine andere Mentalität, die mehr die kirchenreformerischen Impulse – durchaus deutlicher im Streit mit Blockierern – hervorleuchten lässt. Zulehner kommt in Lehmanns Gesprächen seltsamerweise nicht vor, aber ein wichtiger Förderer Zulehners, der beeindruckende Konzilstheologe und Wiener Kardinal König (S. 103).
Ausführliche Rezension: https://buchvorstellungen.blogspot.de/2014/10/kirchenreform-und-kirchenkritik-zur.html
Paul M. Zulehner (geb. 1939). Wie unterschiedlich die Wege sein können, die von der Aufbruchssituation des 2. Vatikanischen Konzils geprägte Kirchenleute für die Praxis vor Ort versuchen umzusetzen, zeigt ein Blick in dessen autografisch geprägtes Buch „Mitgift“ (Patmos-Verlag 2014). Uns begegnet hier auch eine andere Mentalität, die mehr die kirchenreformerischen Impulse – durchaus deutlicher im Streit mit Blockierern – hervorleuchten lässt. Zulehner kommt in Lehmanns Gesprächen seltsamerweise nicht vor, aber ein wichtiger Förderer Zulehners, der beeindruckende Konzilstheologe und Wiener Kardinal König (S. 103).
Ausführliche Rezension: https://buchvorstellungen.blogspot.de/2014/10/kirchenreform-und-kirchenkritik-zur.html
Die
Wahl von Jorge Mario Bergoglio zum Papst 2013 sieht Lehmann in Konsequenz
seines konziliaren Reformdenkens als einen Glückfall für eine katholische
Kirche an, die sich den Herausforderungen der Gegenwart bewusst stellt und
damit zukunftsfähig wird. Lehmann sieht, dass in diesem Jesuiten auf dem
Papststuhl spirituelle Intensität, Unterscheidungsvermögen, Gelassenheit, Demut
und lateinamerikanische Erfahrungen der Befreiungstheologie der Kirche guttun
werden. Mit Franziskus sind hoffentlich auch in Rom alle päpstlichen
Renaissanceallüren ein für allemal tabu.
Kardinal Lehmann war beim „Kirchenvolk“
äußerst beliebt. Das hing offensichtlich mit seiner menschlichen,
unhierarchischen Haltung gegenüber allen zusammen, die ihm begegneten. Das
passte gut für Mainz, einem Bistum das nicht nur Weltgeschichte schrieb,
sondern auch geprägt ist von rheinischen Frohnaturen zwischen Karneval und
Mainz 05, eben dem Heimatverein des Kardinals. Man wird diesen Kirchenmann als
vorsichtigen, aber konsequenten Reformer der Kirche gern im Gedächtnis behalten.
Das vorliegende Gesprächsbuch lädt immer wieder ein, mit ihm über eine
glaubwürdige Kirche der Zukunft nachzudenken. Einen langen Atem braucht man
offensichtlich dazu …
Reinhard
Kirste
Rz-Lehmann-Atem 31.03.18
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