Karl M. Woschitz: Homo transcendentalis.
Der Mensch in seiner Symbolfähigkeit zwischen Leiden, Dramatik und Hoffnung.
Festschrift anlässlich des 80. Geburtstags. Hg.: Theresia Heimerl unter Mitarbeit von Sarah Lang.
Der Mensch in seiner Symbolfähigkeit zwischen Leiden, Dramatik und Hoffnung.
Festschrift anlässlich des 80. Geburtstags. Hg.: Theresia Heimerl unter Mitarbeit von Sarah Lang.
Theologie im kulturellen Dialog, Bd. 33. Innsbruck-Wien:
Tyrolia 2017, 248 S.
--- ISBN 978-3-7022-3656-4 ---
Verlagsinformation und Inhaltsverzeichnis: https://buchvorstellungen.blogspot.de/2017/12/transzendenz-und-jenseitshoffnung.html
Verlagsinformation und Inhaltsverzeichnis: https://buchvorstellungen.blogspot.de/2017/12/transzendenz-und-jenseitshoffnung.html
Der Mensch als
geschichtliches Wesen lebt im Horizont seiner Begrenztheit. So entstehen Ängste
und Visionen, die Sterben, Tod, Weiterleben nach dem Tode, „Seelenwanderung“
und Unsterblichkeitswünsche thematisieren sowie Möglichkeiten von Grenzüberschreitungen
auszuloten versuchen. Die Religionen geben unterschiedliche Antworten und
Begleitangebote (Totenbücher, Jenseitsführer), um die Endgültigkeit des
zeitlichen Todes zu durchbrechen. Die hier anzuzeigende Festschrift gilt Karl Matthäus
Woschitz, Religionswissenschaftler an der Universität Graz, dessen
wissenschaftliche Schwerpunktarbeit die Herausgeber sehr schön unter dem
Stichwort des „homo transcendentalis“
zusammengefasst haben. Natürlich bilden die vorliegenden Texte nur einen Auszug
aus dem umfassenden Werk des Jubilars.
Trotz dieser notwendigen Auswahl unternehmen die Lesenden
eine Art eschatologischer Reise. Sie führt vom Alten Orient unter Einbeziehung neutestamentlicher
Vorstellungen durch die Mittelmeerkulturen der Antike. Und sie endet mit
heutigen existentiellen Fragen und gegenwärtige Aspekten von Leiden und
Abgrunderfahrungen, wie dies in der Musik und der Literatur oft intensiv zum
Ausdruck kommt.
Der als Einleitung gewählte Beitrag nimmt den Gedanken
der Geschichtlichkeit des Menschen
besonders auf. In Abgrenzung vom griechischen Denken (Aristoteles und Plato) werden
neutestamentliche
Auferstehungshoffnungen thematisiert. Der Tod ist damit nicht mehr
unausweichliches Verhängnis. Das ermutigt dazu, menschliches Leiden zugunsten
einer Humanisierung der Welt anzugehen. Das Ziel ist jedoch „transzendent“, als
absolute Zukunft, in der Gott alles in allem ist (1. Kor 15,28).
Die beiden folgenden
Aufsätze behandeln mit dem beispielhaften Schwerpunkt des Osiris-Mythos die Todes- und
Jenseitsvorstellungen im Alten Ägypten. Ihnen an die Seite gestellt ist die
griechische Vorstellung von der
Unsterblichkeit der Seele. Diese „Lebensvorstellungen“ kommen ohne
apokalyptisches Gedankengut aus, vielmehr ist alles in den kosmisch-zyklischen
Wanderungsprozess der Sonne eingebunden.
Die griechische Lebensvorstellung
spiegelt Woschitz an Sokrates und Paulus, die sie beide im Gefängnis angesichts
des (möglichen) Todes realisieren: Sokrates „weiß“, dass der Seele das Leben
innewohnt, während Paulus auf Hoffnung hin glaubt, zum Leben errettet zu
werden.
Mit der Frage „Tod
und was dann?“ stellt Woschitz moderne und antike Dichter sowie Philosophen
im Horizont ihrer Jenseitshoffnungen vor, u.a.: Ovid, ägyptisches Totenbuch,
Rilke, Heidegger, Wittgenstein. Gegen den griechischen Leib-Seele Dualismus
setzt er die Aussagen des Alten und Neuen Testaments. Der Mensch in seiner
Ganzheitlichkeit ist auf Gott hin angelegt. Von daher deutet er auch die
Begriffe Himmel, Hölle, Totenreich, um so die Auferstehung als menschliche
Vollendung zu verstehen.
Eine wichtige Rolle
spielen für Woschitz offensichtlich Texte aus der Offenbarung des Johannes. Zwei Abschnitte werden hier ausführlicher
interpretiert: Offenbarung 12,10-12 als eschatologisches Siegeslied über alles
Satanische und Offenbarung 13 als religiöse Ideologiekritik gegen den Anspruch
des damaligen Kaisers Nero. Die Apokalypse kann für heute Bedeutung gewinnen, weil
hier die Abwehr jeglicher totalitaristischer Vergötzung von Menschen thematisiert
wird.
Eine philosophische
Auseinandersetzung im Horizont des Redens von Gott konkretisiert Woschitz an
Friedrich Nietzsche „Also sprach Zarathustra“, um von dort zur G.F. Hegel, die
Linkshegelianer und schließlich zu Wittgenstein, G.E. Moore, B. Russel, Max
Horkheimer und Hans Jonas zu kommen. Angesichts der Unmöglichkeit, Wirklichkeit
zu messen, hat die Frage nach Gott durchaus ihre Berechtigung, „weil der Mensch
der Schnittpunkt ist, von Faktizität und Transzendenz“ (S. 133).
Mit der Bedeutung der Passion als Hoffnungssymbol setzt
sich der Autor angesichts der Erfahrung menschlicher Abgründe auseinander. Auf
der Basis biblischer Texte und im Gespräch u.a. mit Goethes Faust und
Hölderlins Hyperion zeigt er die „bessere Hoffnung“ im Hebräerbrief (7,19). Von
dort führt ihn der Weg über die Passionsverständnisse der synoptischen
Evangelien schließlich zum Johannesevangelium. Dort signalisiert die Erhöhung
zum Kreuz bereits die ewige Herrlichkeit. Der „Ecce Homo“ des Karfreitags ist
zugleich der wahrhaft menschlich Liebende.
Geradezu ein Universum von Sinn-Zusammenhängen des
Menschseins tut sich auf, wenn der Begriff „Logos“ und seine Geschichte von den frühen griechischen Zeugnissen
bis zum Neuen Testament ins Spiel kommt. Wichtig werden besonders die Aussagen
des Hebräerbriefs über die Kraft des Wortes und der göttlichen Gnadenerweisung.
Eine Wesensbestimmung des Menschseins stellt auch das gnostische Lehrgebäude des Mani (3. Jh.
n. Chr.) dar, dem Begründer des
Manichäismus. In dieser Konzeption
hat die Erkenntnis dem Glauben gegenüber Priorität. Diese religiöse
Denkrichtung drohte damals durchaus zu einer ernsthaften Konkurrenz für das
Christentum zu werden, wie das dualistische Denken Augustins noch erahnen lässt.
Damit der Mensch aus dem Kerker zum
Licht geführt werden kann, muss das gute Prinzip gegenüber dem bösen siegen.
Dazu begeben sich göttliche Gesandte auf die Erde damit der in der Dunkelheit
im Todesschlaf gefangene Mensch der Macht des Gottes der Finsternis entrissen
wird und zur Erleuchtung kommt. Manis Religion ermöglicht durch die „Manifestation
des Licht-Nous“, diesen Weg zum Heil zu gehen. Durch eine Versiegelung kann
auch das Böse nicht mehr in den Menschen eindringen.
Solche streng dualistische Soteriologie hat im Mittelmeerraum immer wieder nachfolgende Bewegungen hervorgebracht, die man unter dem Namen der Katharer, der Reinen, zusammenfasst und die in der okzitanischen Bewegung der mittelalterlichen Katharer noch einmal eine bedeutende Rolle spielten.
Solche streng dualistische Soteriologie hat im Mittelmeerraum immer wieder nachfolgende Bewegungen hervorgebracht, die man unter dem Namen der Katharer, der Reinen, zusammenfasst und die in der okzitanischen Bewegung der mittelalterlichen Katharer noch einmal eine bedeutende Rolle spielten.
Ausführlich bedenkt Woschitz die Abgründe des Leidens, die bis in die Negation Gottes führen können.
Das kommt am deutlichsten angesichts von sinnlosem Leiden ins Blickfeld. Dieses
verbindet sich mit der Erfahrung der Unerlöstheit. Darauf machen die indischen
Religionen besonders aufmerksam. In seiner “Registratur“ von Antwortversuchen und Antworttypen bezieht sich der
Autor auf Hesiod, Empedokles und Platon. Dann kommt er auf die indische Mystik,
den Buddhismus und den Taoismus zu sprechen. Der Buddhismus rückt das
Leidensproblem besonders in den Mittelpunk; der Hinduismus geht von einer
unheilvollen Gesamtsituation aus. Bei
der Darstellung des Zoroastrismus kommt wiederum ein extremer Dualismus zur
Sprache. Hier gibt es entwicklungsgeschichtliche Linien in die Gnosis und in
den Manichäismus. Abschließend geht Woschitz auf die existentialistische
Weltangst ein, der er biblische Motive gegenüberstellt. Diese konkretisierte er
an Äußerungen Bubers. Mit 1.Kor 15 gibt
er dann ein ermutigendes Signal über den Sinn des Leidens.
Der letzte Beitrag im Buch ist der Entwurf einer Theologie des Festes. Dazu stellt der Verfasser zuerst einige Theorien des Festes vor:
Emile Durkheim, Roger Caillois, Sigmund Freud, Karl Kerényi, Harvey Cox.
Natürlich spielt Woschitz auch wieder die griechische Mythologie zum Thema ein,
um schließlich eine biblische Grundlegung des Festes anzubieten. Sie beruht auf
der Schöpfungsgeschichte. Dort ruhte Gott am siebten Tage. Die Festzeit und
Ruhezeit erinnern daran, dass weder Arbeit und Leistung noch die drohende Leere
in der Freizeitgesellschaft letztlich Sinn geben, sondern die Hoffnung auf das
ewige Fest, wie dies in Offbg. 21,1-7 beschrieben wird.
Bilanz: Die vorliegende
Festschrift mit den Beiträgen des Jubilars spricht eine Fülle des Menschlichen im
Horizont seiner irdischen Begrenzung an. Die Themen bewegen sich zwischen
unterschiedlichen Aspekten des Leidens und möglicher transzendenter Hoffnungen.
Immer wieder zieht der Autor religionsgeschichtliche Zusammenhänge heran, um
dann letztlich die christliche Hoffnung
über den Tod hinaus zu betonen. Der Titel des Bandes „homo
transcendentalis“ benennt also ausgesprochen präzise das vielfältige
menschliche „Geworfensein“ zwischen Jetzt und Dann, zwischen scheinbarer Sinnlosigkeit
und endgültigem Sinn.
Reinhard Kirste
Rz-Woschitz-
Transzendenz, 22.03.2018
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