- Achte auf dein Leben. Mit Benedikt Spiritualität erfahren.
Stuttgart: Kreuz 2005, 76 S.
Neu herausgegeben - Volkach: Verlag der Ideen 2015, 96 S. --- ISBN 978-3942006248 --- - Die Stille atmen. Leben als Zisterzienser
Stuttgart: Kreuz 2005, 207 S., Abb.
--- ISBN 978-3783126051 ---
Fast
gleichzeitig erschien im Kreuz-Verlag ein kleines, bescheiden, aber sehr
hübsch, aufgemachtes Büchlein und ein großes, optisch auffälliges Buch vom
selben Autor: Bernardin Schellenberger, ehemals Zisterziensermönch in der Abtei
Mariawald (Eifel). Er gehörte der strengen Observanz dieses Ordens, also den
Trappisten, an.
Es ist in diesem Rahmen ein eigenartiges Zusammentreffen, dass ein
Bändchen des verstorbenen Trappistenmönches Thomas Merton (1915-1968) ebenfalls 2002 herauskam, und zwar mit einem ähnlichen Titel: Zwiesprache mit der Stille (Hg. Jonathan Motaldo. Benziger 2002, vergriffen).
Und noch eine
auffällige, inhaltliche Gemeinsamkeit: Beide
Trappistenmönche – Thomas Merton noch poetisch verstärkt – betonen durchgehend,
wie das Schweigen vor Gott das eigene Selbst prägt und verändert und die
Menschen- und Gottesbeziehung gleichermaßen vertieft. Damit ist eigentlich
schon das Wesentliche über beide Bücher gesagt.
Aber halten wir noch einen Augenblick ein und schauen wir noch auf den Trend der vielen Buchtitel, die das
Klosterleben inzwischen zum Thema haben. Ganz offensichtlich hat diese
Lebensform an Attraktivität gewonnen, auch wenn am Schluss doch recht wenige
den Weg tatsächlich auf Dauer ins Kloster gehen. Aber „Kloster auf Zeit“,
Meditationstagungen und klösterliche Besinnungen unter dem Rhythmus des
Stundengebets erfreuen sich wachsender Beliebtheit. Da wundert es nicht, wenn
auch das Fundament faktisch aller Klöster im Westen, die Benediktsregel, neues
Interesse gewinnt. Es lohnt offensichtlich sogar, sie im Licht unserer
hektischen Gegenwart auch für den Alltag der Nicht-Mönche und Nicht-Nonnen zu
bedenken.
Der
Abt der Zisterzienserabtei Himmerod, Bruno Fromme (1938-2017), hat
ebenfalls die Benediktsregel für unsere Zeit ausgelegt, ein streng an den
einzelnen Texten entlanggehender Versuch, Erfahrungen der Gegenwart in und außerhalb des Klosters mit Hilfe dieser spirituellen Lebensorientierung für Menschen unserer Zeit
zusammenzubringen. Sehr schön führt Abt Bruno die den Mönchen zugedachte Regel
als Regeln für das Christsein im Alltag weiter:
Bruno Fromme: Der Liebe zu Christus nichts vorzuziehen. Anstöße aus der
Regel des hl. Benedikt.
Hg. Säkularvereinigung „Similitudo Dei.
Großlittgen: Himmerod-Drucke 2004, 379 S.
Auch
wenn Schellenbergers Begegnung mit dem hl. Benedikt viel kürzer gefasst ist,
fast wie ein Meditationsbüchlein – Mit
Benedikt Spiritualität erfahren – so ist doch die Ähnlichkeit des Zugangs
frappierend. Er geht vom achtsamen Hören aus, ermutigt zur Wahrhaftigkeit, lädt ein, das
Negative loszulassen („Entgiftung“) und weist auf die Notwendigkeit achtsamen
Umgangs mit der Sprache hin. Das heißt: Bei aller imitatio Christi gilt, auf dem
Boden des alltäglichen Lebens zu bleiben und doch durch das gebetete Leben
schon das Himmlische „verkosten“ zu können. Demut und Dankbarkeit in einem sich
mehr und mehr erfüllenden Leben lassen sich jedoch nicht ohne regelmäßige
Rhythmen im Tages- und Jahreslauf verwirklichen, besonders durch das faktisch
Tag und Nacht umfassende Stundengebet. So ist auch immer wieder Disziplin
gefordert
(z.B. besonders auffällig S. 145ff in „Die Stille atmen“).
(z.B. besonders auffällig S. 145ff in „Die Stille atmen“).
Am Ende des
Spiritualitätsbüchleins ist der Leser/die Leserin in die Benediktsregel als
Lebens- und nicht nur als Mönchsregel eingeführt worden, fast ohne es zu
merken. Bernardin Schellenberger ist es somit gelungen, ein kleines Vademecum
zu schreiben, das dem Selbstfindungsprozess dient und zugleich über ihn
hinausweist: Sinnstiftung auf dem Weg zu Gott.
Von
daher macht das recht aufwändig gemachte Buch desselben Autors über
„Die Stille atmen“ neugierig. In dieser Mönchsbiografie legt er gewissermaßen seinen Weg in eine andere Zeit und in eine andere Welt dar. Achtsam – fast tagebuchartig – wird so der Leser/die Leserin in das Klosterleben eingeführt. Dabei hat das „Tagebuch“ historische und gegenwärtige Teile, die sich in der beschreibenden Beobachtung immer wieder mischen. So erfährt man/frau eine Menge über die Geschichte der Zisterzienser und ihren asketischen und doch zugleich kreativen Lebensstil, besonders schön im Kapitel: Der Tag als spirituelles Erlebnis: das Stundengebet (S. 169ff).
„Die Stille atmen“ neugierig. In dieser Mönchsbiografie legt er gewissermaßen seinen Weg in eine andere Zeit und in eine andere Welt dar. Achtsam – fast tagebuchartig – wird so der Leser/die Leserin in das Klosterleben eingeführt. Dabei hat das „Tagebuch“ historische und gegenwärtige Teile, die sich in der beschreibenden Beobachtung immer wieder mischen. So erfährt man/frau eine Menge über die Geschichte der Zisterzienser und ihren asketischen und doch zugleich kreativen Lebensstil, besonders schön im Kapitel: Der Tag als spirituelles Erlebnis: das Stundengebet (S. 169ff).
Bernardin
Schellenberger lässt keine der wichtigen Phasen im Klosterleben aus: vom
Eintritt, den Gelübden bis zum Sterben. Eine solche Choreographie lässt sich
nicht in ein paar Stunden oder Tagen nacherleben. Es braucht offensichtlich ein
ganzes Leben dazu, um diese Spannung zwischen Himmel und Erde, Ruhe und Arbeit,
Schlafen und betendem Wachen als Lebenskonzept zu verstehen.
Das Kloster ist eine
Welt für sich und: das Kloster ist zugleich ein Mikrokosmos unserer gesamten Welt. Die Mönchsgemeinschaft (und das gilt in gleicher Weise für die
Frauenklöster, von denen man aber im Buch so gut wie nichts erfährt) ist also eine Familie der besonderen Art, die die Herausforderungen des Lebens im
Angesicht Gottes demütig mit allen Chancen und Schwierigkeiten wahrnimmt.
Mit
einer Klosterreform begann Bernhard von Clairvaux; auf eine kontinuierliche Lebensreform lassen sich die Mönche (und Nonnen) täglich ein. Das gilt
besonders für die Reform der Zisterzienser, die zur eigenständigen Observanz der
Trappisten führte. Hier hat das intensive Schweigen noch eine größere Bedeutung. Der Verfasser widmet dieser asketisch-strengeren Form ein eigenes Kapitel.
Auch
die mystische Erotik der Zisterzienser kommt zur Sprache - vielleicht etwas zu
idealistisch – als die romantische Ader der Zisterzienser (S. 99ff), wo
denn doch der Sublimierungsvorgang vielleicht rational leichter als mental
nachzuvollziehen ist. Die Marienfrömmigkeit der Zisterzienser weckt sicher die
weibliche Seite, die Anima, der Mönche. Aber sie bleiben doch Männer, die denn nicht
nur mit der Liebeslyrik des Hohenliedes umgehen müssen, sondern auch
Begegnungen mit sich liebenden Menschen ganz anders erleben (S. 203!). Was ist,
wenn das Kraftfeld der zölibatären Klostergemeinschaft schwach wird?
Schließlich hat auch Bernardin Schellenberger das Kloster verlassen und lebt
heute als freier Schriftsteller in Stuttgart.
Beim
Anschauen der Fotos und der Art, wie das Buch "Die Stille atmen" aufgemacht ist, birgt eine
Spannung: Das Umschlagfoto wirkt besinnlich einladend, die Schwarzweiß-Fotos im
Band (aber auch die farbigen Bilder) wirken wie aus einer fernen Zeit, selbst
wenn es Fotos von heute sind – als wäre das Leben der Zisterzienser Geschichte,
die sich nicht mehr einholen lässt. Dies ist umso auffallender, als Fotos aus
den verschiedenen Zisterzienser-Niederlassungen zusammengetragen wurden. Es
bleibt eine Spannung zwischen Faszination und Veränderung des Weges, der sich
offensichtlich auch die Trappisten nicht entziehen können, wenn sie als Orden
gerade aus der Stille und Askese heraus für die Welt wirken wollen; und das hat
sicher nicht nur mit der Überalterung in den Klöstern zu tun. So hätte ich mir
gewünscht, dass gerade über die Bilder optisch stärker einladende Elemente
„herübergekommen“ wären.
Zwei
Sätze zur Achtsamkeit im Umgang Miteinander blieben mir besonders im Gedächtnis
haften:
„In
Folge unseres engen Gemeinschaftslebens wurden wir sehr sensibel füreinander
und entwickelten eine ausgeprägte nonverbale Kommunikation. Aus leisesten
Anzeichen vermochten wir zu spüren, wie es dem anderen ging, und das ließ uns
nicht unberührt. Wir munterten uns durch Zeichen und Blicke auf und nahmen
Anteil aneinander“ (S. 200) und: „ … denn im Alltag empfinden Mönche nicht
pausenlos Licht und Freude, sondern zeitweise auch Verdruss; aber zweifellos
wird der Gesichtskontakt zwischen den Schweigenden außergewöhnlich intensiv – so
intensiv, dass mir heute noch, nach rund vierzig Jahren, das Gesicht jedes
meiner Mitbrüder lebendig vor Augen vor Augen tritt, sobald mir sein Name
kommt“ (S. 16).
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Reinhard Kirste
Rz-Schellenberger, bearbeitet 07.03.2018
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