SAID bei einer Präsentation der Literatur-Zeitschrift Außer.dem im Lyrik Kabinett 2014 (Wikipedia) |
SAID (Künstlername - immer in Großbuchstaben, bürgerlich: Said Mirhadi) wurde am 27.05.1947 in Teheran geboren und lebte seit 1965 im deutschen Exil in München.
Zuerst musste seine Familie vor dem Schah Reza Pahlevi fliehen. Nach der Revolution durch Khomeini 1979 kehrte er für kurze Zeit in den Iran zurück. Allerdings wurde das Leben für SAID binnen weniger Wochen wieder unerträglich und damit das Exil erneut unausweichlich. So ist er gewissermaßen doppelt ins Exil gegangen - aus seiner persischen Heimat und gleichermaßen in Deutschland. Er starb am 15. Mai 2021 in München.
Zum Tod des Dichters
- Stefan Weidner, SZ online,17.05.202: Im doppelten Exil
- Michael Platthaus, FAZ online, 17.05.2021: Grenzüberwinder wollte er sein
Dichterporträt von Mayryam Aras in Faust-Kultur (2017)
SAID gehört zu den engagierten Dichtern, sowohl was die politischen Probleme als auch die religiösen Fragen betrifft. Seine Freiheit des Denkens hat ihm ein unruhiges Leben beschert, ihn aber besonders glaubwürdig gemacht, wie etwa diese Beiträge zeigen:
--- Ich und der Schah. Die Beichte des Ayatollah. Hörspiele.
Hamburg: Perspol 1987, 60 S.
--- Der lange Arm der Mullahs. Notizen aus meinem Exil.
München: C.H. Beck 1995, 3. Aufl. 2001, 138 S.
Hamburg: Perspol 1987, 60 S.
--- Der lange Arm der Mullahs. Notizen aus meinem Exil.
München: C.H. Beck 1995, 3. Aufl. 2001, 138 S.
Seine Dichtungen und Essays sind aber keineswegs nur politische Stellungnahmen,
sondern zugleich "West-östliche Betrachtungen":
SAID: Das Niemandsland ist unseres.
West-östliche Betrachtungen.
München: Diederichs (Random House) 2010
--- Inhaltsverzeichnis und Leseprobe >>>
sondern zugleich "West-östliche Betrachtungen":
SAID: Das Niemandsland ist unseres.
West-östliche Betrachtungen.
München: Diederichs (Random House) 2010
--- Inhaltsverzeichnis und Leseprobe >>>
Interview Eren Güvercin mit dem Dichter SAID:
"Ich habe meine Religiosität
vor der Islamischen Republik verteidigt"
Seit 1965 lebt der iranische Dichter SAID im deutschen Exil. Er hat in der deutschen Sprache eine neue Heimat gefunden. In seinem neuem Essay-Band verstrickt SAID Morgenland und Abendland in ein Gespräch über gemeinsame kulturelle Wurzeln.
(Qantara.de, 02.07.2010)
(Qantara.de, 02.07.2010)
So gerät SAID ins Niemandsland zwischen Orient und Okzident. In dieser Situation werden ihm Hafis und Goethe ermutigend-tröstende Weggefährten:
- SAID: Tröstende Ikone
(Die WELT online, 10.12.2005) - 5 Fragen an SAID -
Hafis, Goethe und Weimar
(Blog Klassikstiftung.de, 17.11.2016)
Mehr zu SAID: hier (Wikipedia)
Von 2000 - 2002 war er deutscher PEN-Präsident.
Er wurde mit zahlreichen Ehrungen bedacht:
- 1991: Adelbert-von-Chamisso-Förderpreis
- 1994: Premio Letterario Internazionale "Jean Monnet"
- 1996: Preis der Stadt Heidelberg "Literatur im Exil"
- 1997: Verleihung der Hermann-Kesten-Medaille für sein politisches Engagement
und seinen persönlichen Einsatz für verfolgte und inhaftierte Schriftsteller - 1997 Stipendiat der Villa Aurora in Los Angeles
- 2005: Goethe-Medaille des Goethe-Instituts
SAID: ich jesus von nazareth
Würzburg: Echter 2018, 59 S.
--- ISBN 978-3-429-04452-7 ---
English summary at the end of the review
Weitere Bücher von SAID am Schluss der Besprechung
More books from SAID at the end of the review
Jesus - in besonderer Weise Menschensohn:
Wer war Jesus wirklich? Wer ist Jesus für Menschen von heute? Die Jesusbilder der Geschichte schwanken, je nachdem, wie der Betrachter auf diesen faszinierenden Menschen schaut, der vom christlichen Glauben zum Gottessohn erhoben wurde. Erich Garhammer , Prof. em. für Pastoraltheologie an der Universität Würzburg, stellt in seinem Nachwort kurz einige dieser Jesusbilder hervor, die Theologen und Dichter von Anbeginn gleichermaßen beschäftigen.
Er hebt besonders jene hervor, die herkömmliche Glaubensweisen in Frage stellen: Der skandalöse Jesus, der restlos vertraute Jesus, Der nahe fremde Jesus.
Schließlich kommt er auf das Jesus-Bild von SAID zu sprechen:
Sein vom Kreuz gekommener Jesus ist nicht der sanfte Dulder.
Dieses Zitat möge als Hinweis dafür dienen:
"ich sage euch, ich, jesus von nazareth, brauche keine flügel und keinen jünger; ich erreiche euch auch so, dann schaffe ich die einrahmungen ab: eure Kardinäle, bischöfe, priester und sonstigen mitesser an meiner seele, und abermals werde ich die geldwechseler aus den tempeln jagen, aus allen tempeln - ungeachtet der religionen, denn ich, jesus von nazareth, der gesandte gottes, ich bin empfänglich für alle zungen, kein kopftuch, kein schleier, kein kreuz, keine haube, keine klagemauer; ich komme barfuß und benötige kein gehäuse, und deswegen knie ich vor niemandem und will niemanden vor mir knien sehen" (S. 11f).
Und die Auferstehung und das Wiederkommen dieses Jesus von Nazareth ist nicht die Auferstehung eines Gottessohnes. Er braucht kein Podest, denn damit versuchte man, ihn seiner subversiven Kraft zu berauben (S. 21).
"ich bin der, der ich bin, ein würdiger nachfolger von spartakus
[Sklavenaufstand im 1. Jh. v. Chr. unter Spartacus in Rom], der mir den weg gewiesen hat, dort bin ich geendet, vermeintlich hat mich mein gott verlassen, doch ich bin dort gereift, an jenem kreuz, und ich bin wiedergeboren aus der finsternis und dränge daher stets nach licht" (S. 23f). Und der Protest gegen Versklavung und der Aufruf dieses Jesus zur Befreiung des Menschen gipfelt in der Aussage:
"dieses mal lasse ich nicht zu, daß ihr mich wieder an das kreuz schlagt, nur weil mein antlitz allein eure augen blenden, barfüßige werden mich schützen vor euch und eurer falschheit, und ich verhökere dann meine wundmale auf dem jahrmarkt und mache mich auf den weg, denn ich bin der verlorene sohn, der immer heimkehrt, ich bin ahasver [Ahasver = der ewige Jude], der weg und das leben" (S. 34).
Dieser Jesus mit seinem scheinbar so zornigen Ausbruch nimmt ganz anders die Nähe von Gott und Mensch wahr, wenn er (wieder) an den Pranger gestellt wird: "und ich werde an eurem pranger mein letztes gebet murmeln, darin berühre ich, zum ersten mal, das geheimnis der einheit zwischen mensch und gott ... und ich lasse mich auch nicht von gott täuschen, denn ich begehre nichts ... ich rufe nur meine liebe in die welt hinaus, bis sie zum aufruhr wird und euch erfasst" (S. 35f).
Dies ist eine ungewöhnliche Einlassung auf Jesus, nicht in Groß[spurigen] Buchstaben, sondern aus der Kraft tiefster, erlittener Menschlichkeit. Dieser Jesus ist darum mehr als ein Gottessohn, vielmehr ein revolutionärer Mensch, der gegen Hass und Rache der wahren Religion zum Aufbruch und Durchbruch verhelfen will - der Religion der Liebe!
Sehr nachdenklich legt man diese widersprüchlich-aufwühlende literarische Skizze
aus der Hand ...
English summary
Jesus of Nazareth- as presented by the poet SAID - is not a gentle sufferer. He doesn't wish to be the Son of God. This dubious honor - dogmatically established by church and religion - would prevent him to initiate the revolution of love as true religion. This impetus in complete freedom leads into the inner closeness of God. Therefore Jesus is more than a son of God, but in fact the son of man, because - coming from the cross - he experienced the power of deepest humanity in suffering and hope. This image of Jesus is a challenge to change hate and revenge into love.
Rezension von Alexander Block
im Rahmen des Seminars an der TU Dortmund:
Heilswege und Brückenbauer
SAIDs Werk „Ich Jesus von Nazareth“ entwirft ein Jesusbild,
welches es schafft, in keine Schublade geschoben zu werden. Die LeserInnen
werden SAIDs Jesus gegenübergestellt. Dieser hält eine Rede über sich, wer er
ist und wer nicht. In dieser flammenden, bildlichen Rede wendet sich SAIDs Jesus an diejenigen, die ihn (falsch) charakterisieren. Vor allem wird das joviale Reden
und Entscheiden über ihn selbst verurteilt. So vor allem durch die kirchliche Institutionen.
Aber auch das Instrumentalisieren seiner Person verurteilt er. Mit all diesen
weltlichen Angelegenheiten und Streitereien will SAIDs Jesus nicht verbunden werden.
Als seine Freunde und Verbündeten sieht er „die Barfüßigen“. Mit diesem literarischen Stilmittel der Synekdoche verdeutlicht SAID, dass "sein" Jesus „nackte“ Gläubige als seine wahren Jünger ansieht und als solche dijenigen anerkennt, die ihn wirklich verstehen.
Was meint dieser Jesus von Nazareth nun mit
dieser metaphorischen Nacktheit? Menschen, die unvoreingenommen Jesus
kennenlernen und anbeten wollen? Die zufrieden sind mit dem, was Jesus ihnen
als Antwort auf die Frage liefert, wer er ist? Dementsprechend gibt SAIDs Jesus
Antworten in johanneischer Tradition, nämlich in „Ich bin“-Sätzen. Doch was
wird Jesus mit all dem „Ballast“ tun, der ihm (oder dem Bild von ihm)
aufgeladen wurde? Seine „Welle der Liebe“ wird „tabula rasa“ machen, also eine
Welt schaffen, in der Jesus neu und „spartanischer“ betrachtet und behandelt
wird, lediglich anhand seiner „Ich bin“-Sätze und indem die Menschen „barfuß“
auf ihn zukommen und ihn auf dieselbe Weise empfangen.
Was bleibt am Ende des kurzen aber aussagekräftigen Werkes
zu sagen? SAID schafft sein ganz eigenes Jesusbild und macht somit deutlich, dass
es einen Jesus ohne eine spezifische Vorstellung von ihm nicht geben kann. Die Form
des Werks und allein der Titel stehen im Widerspruch zu anderen Jesusbildern. Das
ist, der Lehre dieser Jesusrede folgend, auch nicht problematisch. Es liegt
nicht am Menschen, Jesu Wirken oder seine Ankunft auszumalen und an
spezifischen Indizien festzuketten, sondern „barfuß“, ohne Erwartungen, ohne
Privilegien, ohne Vorurteil, ohne Schutz beim Laufen soll man Jesus entscheiden
lassen, wer er ist. Denn als Mensch ist man nicht mächtig oder weise genug,
dies zu entschlüsseln, selbst dann nicht, wenn man sich dieser Erkenntnis, wie
SAID es mit „Ich Jesus von Nazareth“ verarbeitet, bewusst wird.
Durch diese „Entschlackung“ der Jesusbilder (auch wenn uns
zu Beginn der dargestellte Jesus vielleicht roh und aggressiv erscheinen mag)
wird eine Chance eröffnet, Brücken zu schlagen, zumindest im eigenen Kopf.
SAIDs Jesus geht es vor allem in hoher Intensität um die Befreiung seines Seins
und somit die Öffnung Jesu für alle, allerdings nicht für solche, die sich theologisch,
philosophisch, kommunistisch, kapitalistisch oder auf viele andere Weisen ihren eigenen Jesus zurechtbiegen. Jesus mag nur für Christen der Christus sein,
aber SAID hebt diesen Titel nicht hervor, da Jesus weltweit eine Bedeutung
besitzt. „Ich Jesus von Nazareth“ kann helfen, eine Öffnung in all den Ecken
der Welt und in allen Köpfen der Welt, in denen Jesus wichtig ist, zu schaffen.
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