Freitag, 25. Februar 2022

Die Quäker - Geschichte einer christlichen Friedensalternative (aktualisiert)



Die Quäker, die "Gesellschaft der Freunde", sind in der Vielfalt des internationalen Protestantismus eine kleine Gruppe, die um 1650 in England durch George Fox (1624-1691), Margaret Fell (1614-1702) und einigen anderen entstand. Sie entwickelten sich in der folgenden Zeit recht unterschiedlich - von liberal bis evangelikal.
Ihre Betonung einer unmittelbaren Beziehung zu Gott, ihre mystische Art der "Gottesdienste" mit langem Schweigen und ihre Liebesethik brachten sie schnell in den Geruch einer Sekte. Quaker = Zitterer war denn auch der Spottname dieser spirituellen Gruppierung. So wurden sie staatlich und  kirchlich Ausgestoßene, Vertriebene ... Besonders ihre konsequente Friedenstheologie und ihr intensiv gelebter Pazifismus passt bis heute nicht in das Weltbild der Realpolitiker aller Schattierungen. 
Besonders bekannt wurde das Quäker-Engagement nach dem 2. Weltkrieg auch in Deutschland - und manche Ältere werden sich noch an die Quäkerspeisung in der Schule für die Not leidenden Kinder erinnern. Aber schon nach dem 1. Weltkrieg hatten britische und amerikanische Quäker ein großes Hilfsprogramm für die Besiegten aufgelegt.

Bericht zur Geschichte der Quäker bei den Berliner Quäkern vom 14.11.2012

Der britische Verlag John Hunt Publishing in Alresford SO24 9EE (UK) hat quäkerische Wurzeln, wie der Name John Hunt bereits anzeigt.
Im Sinne einer Christian Alternative wird nun eine kleine, ausgesprochen informative Reihe zu den Quäkern herausgebracht: Quaker Quicks
Die Texte sollen gute Einblicke geben - in die Glaubenstruktur und die ethische Ausrichtung der "Freunde" im Sinne einer gelebten christlichen Alternative:
  • Quaker. Roots and Branches (2018)
  • What Do Quakers Believe? (März 2019 - Details, s.u.)
  • Telling the Truth About God (März 2019 - Details, s.u.)

John Lampen: Quaker Roots and Branches
Alresford SO24 9EE (UK): John Hunt 2018, 64 pp. --- --- ISBN 978-1-78535 834-0 ---
Auch als E-Book erhältlich
Mit einem Glossar der Begriffe, die Quäker in besonderer Weise gebrauchen,
z.B. Concern, Leadings, Meeting for Worship, Yearly Meeting, Testimony


Der Autor, John Lampen (geb. 1938), ist ein engagierter Friedenspädagoge, der u.a. in Nordirland, Uganda, Südafrika, der früheren Sowjetunion und dem früheren Jugoslawien einige Zeit gearbeitet hat. Zusammen mit seiner Frau hat er das Hope Project entwickelt.
Das Büchlein beschreibt insbesondere, wie die christlichen Wurzeln des Quäkerglaubens mit  sozialen Außenwirkungen zusammenhängen.
So erklärt der Autor, was die Quäker unter ihrem "Glaubenszeugnis" ("testimony") verstehen, nämlich einen inneren Zusammenhang von Inspiration und Aktion. Das lässt sich durchaus im Sinne der monastischen Benediktsregel verstehen: "Bete und arbeite". Konkret bedeutet dies, aus der Stille heraus sich im Sinne der Bewahrung der göttlichen Schöpfung und des Weltfriedens einzusetzen, um so eine positive Veränderung zu erreichen. Die vorgestellten Themen machen dieses Innen- und Ausgerichtetsein im Kontext der eigenen Geschichte deutlich. Für die Begründung gegenwärtigen Verhaltens zieht Lampen immer wieder Beispiele aus der Quäkergeschichte heran.
  • Verantwortung für die Umwelt im Sinne der Schöpfungsbewahrung generell und auch für den Menschen: Das beinhaltet eine ganzheitliche Medizin als Hilfe gegen Krankheit, Bejahung wissenschaftlichen Fortschritts. Das bedeutet darum auch: beispielhaft christlich leben.
  • Krieg und Frieden: Die Weigerung der Quäker, mit der Waffe zu kämpfen, ist direkt auf die Weisung Jesu in der Bergpredigt bezogen, nämlich bei einem Schlag auf die eine Wange, die andere  hinzuhalten (Mt. 5,39), also auch Leiden auf sich zu nehmen und darum Leidenden, beispielsweise (Kriegs-)Flüchtlingen, zu helfen.
  • Strafen in Familie, Schule und Gesellschaft müssen sich an einer liebenden Gerechtigkeit orientieren. Letztlich sind Bestrafungen unchristlich, stattdessen gilt "reparation" und "restitution" (S. 33); es geht um "restorative justice" (S. 35). Von daher müssen auch Gefängnisse reformiert werden, damit Gefangene ihre Menschenwürde behalten. Von dieser Motivation getrieben, wurde
    Elizabeth Fry (1780-1845) eine bedeutende Gefängnisreformerin.
  • Kunst, besonders Musik sind heikle Themen der Quäker, da sie anfänglich nicht nur Tanz und Musik, bildende Kunst, aber auch Oper und Theater als nicht mit Gott vereinbar ablehnten. Stattdessen entstand das "Quaker Meeting House" (S. 40). Erst im  späten 19. Jahrhundert finden die ersten Quäker zum Lob der Musik als Balsam der Seele.
  • Erfahrung, Glaube und Theologie sind durchgängig geprägt von der inneren Haltung des Hörens. William Penn (1644-1718)  formuliert 1693: "Die Welt ist eine Form, unsere Körper sind Formen; kein sichtbarer Akt der Anbetung kommt ohne Form aus. Aber je weniger Form in der Religion ist, desto besser, sofern Gott Geist ist" (S. 48). Das führte leicht zu Verurteilungen anderer Glaubensweisen und deren Rituale, war aber letztlich nicht mit einer demütigen Haltung zu vereinbaren.
    Mit John Wesley (1703-1791) kam der Missionierungsgedanke zusammen mit dem Bibelstudium und der Suche nach Erlösung verstärkt ins Spiel, so dass 1903 dafür auch ein Studienzentrum in Birmingham eingerichtet wurde, das eine sechsbändige Quäkergeschichte publizierte. Die im  Zusammenhang der Gründung stattfindende Konferenz wurde zum "turning point" der "Freunde".
    "Die Abkehr von der Zurückgezogenheit und der Erwartung von Gott in der Stille zu einem verpflichtenden Engagement mit öffentlicher Wirkung - dennoch zurückhaltend - erhob den Anspruch auf Geistinspiration und war ein entscheidender Schritt zum modernen Quäkertum" (S. 54). In den letzten 20 Jahren zeichnet sich ein weiterer Schub ab - eine wachsende Verschiedenheit - auch sprachliche Veränderungen bisheriger - für Außenstehende schwer verständlicher - Glaubensbegriffe. Man sollte diese Debatten jedoch nicht als Polarisierung bezeichnen. Es sind offensichtlich erhebliche Entwicklungen von liberal bis evangelikal im Gange. Darum sind immer wieder Klärungen - auch über die "Yearly Meetings" nötig.
    Die Worte von George Fox im Licht abwarten ("wait in the Light", S. 58) können dafür die Leitlinie sein, damit die göttliche Führung (guidance) schließlich glaubwürdig in praktische Aktion münden kann, wie z.B. die Hilfe für[ehemalige] Kindersoldaten in Uganda oder das Zurückhalten eines Teils der Steuern für nicht-militärische Zwecke !
Zusammenfassung
Es ist erstaunlich, wie es John Lampen gelingt, im Zusammenhang  existentiell und weltpolitisch drängender Themen die flexible Kontinuität des Quäkerglaubens deutlich zu machen: Wir sehen ein authentisches auf Zukunft hin gerichtetes Glaubenszeugnis, das aus der Erfahrung des Schweigens, der Stille und eines demütig-einfachen Gottesdienstes (worship) kommt. Ein solch geschichtsoffener Einblick bietet zugleich eine Ermutigung, gesellschaftlich und politisch für eine friedlichere Welt aktiv zu werden.
Thomas Hamm, Geschichtsprofessor am Earlham College, Richmond, Indiana, USA,
merkt darum zu Recht an: 

John Lampen hat die Gabe, die gegenwärtigen Belange der Freunde mit dem reichen Erbe der Quäker-Vergangenheit zu verbinden. In dieser letzten Sammlung von Essays zeigt er uns, wie die Erfahrungen der Freunde wie George Fox, William Penn und Elizabeth Fry uns Weisheit und Orientierung (Führung) anbieten - angesichts der Probleme, denen wir heute gegenüberstehen.

English Summary
It is astonishing how John Lampen succeeds in pointing up the flexible continuity of Quaker beliefs in the context of items, which are existential and foreward-pressing in global policies. We see an authentic testimony of belief which is orientated in the future. It comes from the experience of silence and calm and from an humble and elementary worship. Such an insight of openness for the history offers at the same time an encouragement to be socially and politically active for a more peaceful world.
Thomas Hamm, Professor of History, Earlham College, Richmond, Indiana, USA,  therefore notes rightly: 
John Lampen has a gift for connecting the contemporary concerns of Friends with the rich heritage of the Quaker past. In his latest collection of essays, he shows us how the experiences of Friends like George Fox, William Penn, and Elizabeth Fry offer us wisdom and guidance in confronting the problems we face today. 


What do Quakers Believe? (2019, 88 pp.)

--- ISBN 978-1-78535-893-7 ---
Hier beschreibt der britische Komik-Magier und Quäker Geoffrey Durham (geb. 1949) anschaulich die Glaubensbasis und Lebenspraxis der "Freunde". Der Autor hat bereits mehrere Bücher über die Geschichte und den Glauben der Quäker geschrieben, z.B. auch, wie sich Quäker im Wirtschaftsleben verhalten (sollten). So zeigt er, wie die Glaubenszeugnisse durch den Heiligen Geist "geführt" werden. Entscheidend sind ebenso die Zusammenkünfte. Existenzleitend bleibt jedoch die unmittelbare Erfahrung, die an viele mystische Zeugnisse erinnert.
Verlagsinformation, Inhaltsverzeichnis, Leseprobe >>>



Telling the Truth about God (2019, 88 pp.)
--- ISBN 978-1-78904-081-4 ---
Die Quäker-Theologin Rhiannion Grant von der Universität Birmingham beschäftigt sich besonders mit der Sprache der Quäker und erläutert von daher theologische Schlüsselbegriffe, die von Außenstehenden eher als unscharf empfunden werden. Von daher ist es eine besondere Herausforderung, die "Wahrheit über Gott" anzusprechen,
denn der Glaubende ist immer auf dem Weg und damit ein mehr Ahnender und kaum ein Wissender.
Die Autorin hält fest, dass Theologie nicht speziell für Leute des Wortes oder Intellektuelle gedacht ist. Selbst aus der Ablehnung anderer Glaubenspositionen kann Positives erwachsen.
Verlagsinformation, Inhaltsverzeichnis, Leseprobe >>> 


Weiteres:
>>> Brill Research Perspectives
in Quaker Studies
 2018 ff

  • >>>Series: Brill Research Perspectives in Humanities and Social Sciences
    This wide-ranging and fascinating series supplements a growing catalogue of historical, sociological, and theological scholarship in the thriving and interdisciplinary field of Quaker Studies. Individual volumes will speak to the broad spectrum of Quaker belief and practice, to the significance of the history of Quaker traditions, and to the many areas in which Quaker Studies contributes to other fields in the Humanities and Social Sciences. Work on Quakerism impacts both wider church history and theological debate, as well as current themes in the sociology of religion. The Quaker attitude to spiritual equality also engages women’s studies scholars, and the Quaker commitment to peace and social justice relates to wider issues of political theory and peace studies. As the field of Quaker Studies continues to grow and redefine itself, this series will make a significant contribution to making up-to-date scholarship accessible to specialists as well as to a broad academic community.

  • >>>Series: Brill Research Perspectives in Humanities and Social Sciences
    This wide-ranging and fascinating series supplements a growing catalogue of historical, sociological, and theological scholarship in the thriving and interdisciplinary field of Quaker Studies. Individual volumes will speak to the broad spectrum of Quaker belief and practice, to the significance of the history of Quaker traditions, and to the many areas in which Quaker Studies contributes to other fields in the Humanities and Social Sciences. Work on Quakerism impacts both wider church history and theological debate, as well as current themes in the sociology of religion. The Quaker attitude to spiritual equality also engages women’s studies scholars, and the Quaker commitment to peace and social justice relates to wider issues of political theory and peace studies. As the field of Quaker Studies continues to grow and redefine itself, this series will make a significant contribution to making up-to-date scholarship accessible to specialists as well as to a broad academic community.


Reinhard Kirste

Rz-Lampen-Quaker, 31.08.18 u.ö.





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