Mittwoch, 19. September 2018

Leo Trepp: Das Judentum besser verstehen - aus der Vergangenheit lernen



Gunda Trepp: Der letzte Rabbiner. Das unorthodoxe Leben des Leop Trepp.
Darmstadt: Theiss (WBG) 2018, 280 S., Abb., Bibliografie, Glossar

ISBN 978-3-8062-3818-1  (Erscheinungstermin: 11.10.2018)



Verlagsinformation
Leo Trepp war bis zu seinem Tod im Jahr 2010 der letzte Rabbiner, der noch in der Zeit der Nationalsozialisten amtiert hatte. Schon bald nach der Schoah kehrte er regelmäßig nach Deutschland zurück. Er half, neue jüdische Gemeinden zu etablieren, lehrte, trat in einen intensiven interreligiösen Dialog und schrieb das meistverkaufte deutschsprachige Buch zum Judentum.

Leo Trepp: Die Juden. Volk, Geschichte Religion [1987 u.ö.].
Reinbek b. Hamburg: Rowohlt TB 1998, 414 S. --- Rezension: hier


Frei von Schuldzuweisungen unterhielt er Zeit seines Lebens einen Dialog mit jungen nichtjüdischen Deutschen. Die neue Generation trug für ihn, wenn auch keine Schuld, so doch die hohe Verantwortung, aus der Vergangenheit zu lernen, um in der Gegenwart richtig zu handeln. Dazu gehörte aus Trepps Sicht auch, sich aktiv Wissen über Kultur und Ethik der Juden anzueignen, um neuem Antisemitismus vorzubeugen. 




Seine Frau Gunda Trepp
 führt in dieser Biographie die unvollendete Autobiographie ihres Mannes mit ihren eigenen Erinnerungen zusammen. Daraus entsteht ein Bild von Leo Trepp, das ihn auch acht Jahre nach seinem Tod wieder lebendig erscheinen lässt. 
Leo Trepp wächst in einer neo-orthodoxen Familie in Mainz auf, in der Theaterbesuche und klassische Literatur ebenso zum Alltag gehören wie Torastudium und Synagogenbesuche. Nach Promotion und Rabbinerausbildung amtiert er als letzter Landesrabbiner in Oldenburg, unter den kritischen Blicken der Nationalsozialisten, die bald, bis auf zwei Mitglieder, seine gesamte Familie ermorden sollen. Nach seiner Entlassung aus dem Konzentrationslager Sachsenhausen 1938 entkommt Leo Trepp zuerst nach England und geht dann in die USA. 
Das Buch beschäftigt sich nicht nur mit der schleichenden Entwicklung hin zur Diktatur in der Weimarer Republik und der nationalsozialistischen Herrschaft, mit der er als Rabbiner direkt konfrontiert war, sondern erzählt von dem, was man als Vermächtnis der deutschen Juden bezeichnen kann, nämlich mit dem Weg, ein fruchtbares Leben in zwei Kulturen zu führen. Das galt nicht nur für die Juden, die eher säkular und assimiliert waren, sondern ebenso für die Orthodoxen, die religiöse Gesetze strikt einhielten und sich genauso aktiv der Kultur und Politik ihrer Heimat widmeten. Ein guter Staatsbürger, so hatte schon der Begründer der deutschen Orthodoxie, Samson Raphael Hirsch, gelehrt, muss seine Kultur nicht verlassen. Im Gegenteil, er kann mit den Ideen und Gedanken seiner Religion und Ethik die Kultur seines Landes befruchten, und umgekehrt. Im Hinblick auf heutige Diskussionen um Heimat, Leitkultur und Identität ist eine Auseinandersetzung mit diesen Gedanken hochaktuell. 
Leo Trepp riet muslimischen Vertretern auf einer von ihm angeregten Konferenz in Hamburg bereits in den siebziger Jahren, sich diesen Weg der religiösen deutschen Juden anzusehen und so etwas wie einen Islam für Deutschland und Europa zu entwickeln. Was die Bürger eines Landes neben der Verständigung auf eine Verfassung und auf die für alle geltenden Gesetze eint, ist dieses: Sie müssen sich, so war Trepp fest überzeugt, mit aller Kraft für dessen Wohl und Zukunft engagieren und dafür arbeiten. Sie müssen nicht nur Bürger, sie müssen Bürgen für ihr Land sein, wie er in einer Rede sagte. 

Die Autorin: 
Gunda Trepp hat nach Jurastudium und Ausbildung an der Henri-Nannen-Journalistenschule als Anwältin und als Journalistin für Zeitungen wie den Spiegel, die FAZ und die Berliner Zeitung gearbeitet. Sie lebt heute als Autorin in San Francisco und Berlin.

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