Samstag, 10. November 2018

Lernorientierungen: Die 4 Dimensionen der Bildung ---- The 4 Dimensions of Education (aktualisiert)




Charles Fadel / Maya Bialik / Bernie Trilling:

Die vier Dimensionen der Bildung: Was Schülerinnen und Schüler im 21. Jahrhundert lernen müssen 

Hamburg: ZLL21, 2017, 217 S. 

= Center for Curriculum Redesign (CCR)  und 
- Zentralstelle für Lernen und Lehren im 21. Jahrhundert e.V.
 --- Internet: www.ZLL21.de 

--- ISBN 978-3-9818942-0-2 ---

Was ist in den Schulen heute anders als vor 100 Jahren? Nicht viel!
Am gegenwärtigen Bildungssystem gibt es einiges zu kritisieren. Wir alle denken, dass Wissen über digitale Technologien und neue Zusammenhänge vermittelt werden muss. Bestehende Inhalte brauchen einen erneuerten Kontext und es gibt aktuelle Anforderungen an Lehrende und Lernende. 
 „Das Buch ’Die vier Dimensionen der Bildung’ bietet erstmals ein klares und praxistaugliches organisatorisches Framework für die Kompetenzen, die wir für dieses Jahrhundert brauchen.“ sagt Andreas Schleicher, Direktor für Bildung bei der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD).
Herausgeber des Buches ist das Center for Curriculum Redesign (CCR). Dieses beschäftigt sich unter anderem mit der Frage, was Schüler für das 21. Jahrhundert im Zeitalter der Künstlichen Intelligenz und Robotik lernen sollen. Die deutsche Übersetzung erfolgte im Namen der ZLL21 e.V. – Zentralstelle für Lernen und Lehren im 21. Jahrhundert.
Das Buch beschreibt vier Dimensionen der Bildung, nämlich 
Wissen, Skills, Charakter und Meta-Lernen.
Bereits im Vorwort von Andreas Schleicher erhält man ein Verständnis dafür, warum es wichtig ist, die Inhalte der Bildung „neu zu denken“.
Früher konnten wir davon ausgehen, dass Schüler in der Schule für ihr gesamtes Leben vorbereitet wurden. Heute jedoch müssen wir sie dafür rüsten, sich mit zukünftigen Problemen zu befassen, die uns allen noch unbekannt sind. Momentan haben wir Lehrpläne, die immer umfangreicher werden. Dabei ist heute so viel an Wissen verfügbar, dass keiner mehr als nur einen Bruchteil davon lernen kann.
Das Buch wird als „ganzheitliches Curriculum’“ bezeichnet, welches verschiedene Bildungsziele „ausbalanciert und unter einem Dach vereinigt“. Es zeigt auf, wie neben den elementaren Fächern Raum für modernes Wissen geschaffen werden kann und wagt sich an die Beschreibung einer tief gehenden Neugestaltung.
Aufgrund der systematischen Herangehensweise erscheint dem Leser
plötzlich alles ganz klar:
Man überarbeitet Lehrpläne sukzessive und entfernt entbehrliche Einheiten. Wissenslandschaften werden definiert und übergeordnete Themen in traditionelle und moderne Wissensbereiche mit entsprechenden Lernergebnissen aufgegliedert. Die Autoren erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit ihrer Übersicht, sondern der Leser wird herzlich zu entsprechendem Feedback bezüglich möglichen zu ergänzenden fächerübergreifenden Wissensfeldern eingeladen.
Des Weiteren werden vom CCR Querschnitts-Themen definiert, die sich sowohl über moderne als auch durch traditionelle Fächer in verschiedenen Ländern und Kulturen ziehen.
Das Buch bietet zusätzlich den „CCR Wissens-Framework auf einen Blick“ mit dem ausdrücklichen Hinweis, dass es hier eine ständige Weiterentwicklung geben wird.
Das Buch macht Mut!
Weil hier endlich mal jemand anfängt, eine Struktur für etwas zu geben, was noch lange nicht fertig gedacht werden kann, da wir uns in einer ständigen Umgestaltung befinden.
Die Publikation erklärt auch, wie Wissen und Fähigkeiten sich im Lernprozess gegenseitig verstärken. Etwas schade ist es, dass sowohl bei der Online-Version als auch bei der gedruckten Ausgabe viele Tabellen kaum lesbar sind. So zum Beispiel auch die hervorragende Übersicht der Skills Map auf Seite 125, welche die Überschneidungen von beiden Elementen beispielhaft deutlich macht. Es sind jedoch bei vielen Übersichten die entsprechenden Links angegeben, wodurch sich das Problem relativiert.
Das CCR konzentriert sich in seiner Erläuterung der Fähigkeiten auf die 4K-Skills:  Kreativität, kritisches Denken, Kommunikation und Kooperation/Kollaboration und bietet auf diesem Weg eine allgemein geforderte Vereinfachung zu diesem Thema, ohne jedoch bei den Einzelbeschreibungen auf die ausführliche Beleuchtung der jeweiligen Wichtigkeit für das 21. Jahrhundert zu verzichten. Sehr hilfreich ist auch die praxisbezogene Darstellung der Anwendungsmöglichkeiten von verschiedenen Lernaktivitäten. Fähigkeiten beziehungsweise Skills umschreiben unser Vermögen, Wissen sinnvoll zu nutzen.
Neben Skills und Wissen ist der weitere Begriff Charakter ein Bestandteil der im Buch beschriebenen Bildungsziele. Charakter ist nicht gleichzusetzen mit Persönlichkeit, sondern definiert sechs wesentliche Eigenschaften, die veränderbar sind. Auch hier gelingt dem CCR eine vereinfachte und trotzdem verfeinerte Darstellung, und es verzichtet gleichzeitig ganz bescheiden auf den Anspruch der Vollständigkeit, obwohl die Anzahl der aufgeführten Quellen sowie eine in 2014 durchgeführte Lehrerbefragung vermuten lässt, wie viel Arbeit in dieser Übersicht steckt.
Besonders schön sind die sich über das gesamte Werk erstreckenden Zitate. Das Kapitel über den vierten und letzten Begriff, nämlich das Meta-Lernen wird eingeleitet durch das Zitat:
 “Die Analphabeten des 21. Jahrhunderts werden nicht diejenigen sein, die nicht lesen und schreiben können, sondern diejenigen, die nicht lernen, verlernen und neu lernen können“- der Psychologe Herbert Gerjuoy zitiert von Alvin Toffler.
Hier wird das Thema Lernen lernen insbesondere unter dem Aspekt der Anwendung von Transferleistungen sowie der Reflexion über die Möglichkeiten zur ständigen Weiterentwicklung dargelegt.
Zum Schluss beschreiben die Autoren die Möglichkeiten einer Rückmeldung zwischen Schulen und staatlichen Stellen, um zu verdeutlichen, wie die Umsetzung der Bildungs-Neugestaltung erfolgen kann. Last but not least werden die Einsatzmöglichkeiten von digitalen Medien im Unterricht mit ihren Vor- und Nachteilen diskutiert.
Der letzte Abschnitt des Buches lautet: „Wir können uns keine größere Herausforderung und keine spannendere Reise vorstellen, als bei der Neugestaltung von Bildungszielen und Lernerfahrungen zu helfen, die alle Schülerinnen und Schüler auf ihre Zukunft vorbereiten und sie dazu befähigen, eine bessere Zukunft für uns alle zu schaffen. Wir haben die Hoffnung, dass Sie unsere Begeisterung teilen und mit uns an diesem Abenteuer teilnehmen wollen, das mit einer ganz einfachen Frage begann: Was müssen Schülerinnen und Schüler für das 21. Jahrhundert lernen?“
Meine klare Antwort: Aber natürlich bin ich mit Begeisterung dabei - das Werk ist eine Inspiration und praktische Unterstützung für alle, die sich mit dem Thema Bildung beschäftigen!

Anmerkung zur Religion im Kontext der 4 Dimensionen der Bildung
Eine Veröffentlichung speziell zu Fragen der religiösen Erziehung ist das vorliegende Buch nicht - es enthält aber eine Fülle von Anregungen für verschiedenste Publikationen.
Religiöse / ethische / philosophische Bildung würde ich unter einer der 4 Dimensionen, nämlich ‚Wissen‘ verorten. Insofern sind Aspekte dazu auch hieraus individuell ableitbar.


English version
What is different in schools today from 100 years ago? Not much!
There is a lot to criticize about the current education system. We all think that knowledge about digital technologies and new coherencies must be conveyed. Existing content needs a renewed context and there are current demands on teachers and learners.
The four dimensions of education.
What pupils need to learn in the 21st century,
by Charles Fadel, Maya Bialik, Bernie Trilling.
German translation by J
öran Muuß-Merholz.
--- ISBN 978-3-9818942-0-2 ---
„Four-dimensional education provides a clear and actionable first-of-its-kind organizing framework of competencies needed for this century. Its main innovation lies in not presenting yet another one-size-fits-all list of what individuals should learn, but in crisply defining the spaces in which educators, curriculum planners, policymakers and learners can establish what should be learned, in their context and for their future.”
Andreas Schleicher, Director of Education and Skillsm OECD
The book is published by the Center for Curriculum Redesign (CCR). Among other things, the CCR deals with the question of what students should learn for the 21st century in the age of artificial intelligence and robotics. The German translation was done in the name of ZLL21 e.V. - Zentralstelle für Lernen und Lehren im 21. Jahrhundert.
The book describes four dimensions of education,
namely
knowledge, skills, character and meta-learning.
Andreas Schleicher's foreword has already given an understanding of why it is important to "rethink" the contents of education.
In the past, we could assume that pupils in school were prepared for their entire lives. Today, however, we need to equip them to deal with future problems that are still unknown to us all. At the moment we have curricula that are becoming more and more extensive. Today there is so much knowledge available that no one can learn more than only a part of it.
The book is described as a "holistic curriculum" which "balances and unites different educational goals under one roof". It shows how space can be created for modern knowledge in addition to the elementary subjects and dares to describe a profound redesign.
Due to the systematic approach, everything suddenly becomes clear to the reader:
Curricula must be successively revised and dispensable units have to be removed. Knowledge landscapes are defined and superordinate topics are subdivided into traditional and modern knowledge areas with corresponding learning outcomes. The authors make no claim to the completeness of their overview, since the reader is cordially invited to give appropriate feedback regarding possible interdisciplinary fields of knowledge to be supplemented.
In addition, the CCR defines cross-cutting topics that cover both, modern and traditional subjects in different countries and cultures.
The publication also offers the "CCR Knowledge Framework" with the explicit indication that there will be continuous further development.
The book is encouraging!
Because here finally someone starts to give a structure for something that cannot be thought of as finished for a long time, while we are in a constant transformation.
The text also explains how knowledge and skills reinforce each other in the learning process. It is a pity that many tables are hardly readable in the online version as well as in the printed version. For example, also the excellent overview of the Skills Map on page 125, which illustrates the overlaps of both elements. However, the corresponding links are given for all overviews, which minimizes the problem.
The CCR concentrates on the 4K skills creativity, critical thinking, communication and cooperation/collaboration in its explanation of the abilities and offers in this way a generally demanded simplification to this topic, without abandoning the individual descriptions of the respective importance for the 21st century. Very helpful is also the practically oriented presentation of different learning activities. Skills describe our ability to use knowledge reasonable.
In addition to skills and knowledge, the term character is a further component of the educational goals described in the book. Character is not to be equated with personality, but defines six essential and changeable characteristics. Here, too, the CCR succeeds in providing a simplified and yet refined presentation, while at the same time modestly dispensing with the claim of completeness, although the number of sources listed as well as a teacher survey carried out in 2014 leads us to suppose that there is much work in this overview.
All quotations extending over the entire work are most notably.
The chapter on the fourth and last term, namely meta-learning, is introduced by the following quote:
 "The illiterates of the 21st century will not be those who cannot read and write, but those who cannot learn, unlearn and re-learn" - the psychologist Herbert Gerjuoy quoted by Alvin Toffler (translated from the German book).
The topic "learning to learn" is presented in particular under the aspect of the application of transfers as well as the consideration of the possibilities for continuous further development.
Finally, the authors describe the possibilities of feedback between schools and government agencies in order to clarify how the implementation of educational restructuring can take place.
Last but not least, the possible uses of digital media in teaching are discussed with their benefits and disadvantages.
The final section of the book states: "We cannot imagine a more challenging and exciting journey than helping to redesign educational goals and learning experiences that prepare all students for their future and enable them to create a better future for all of us. We hope that you will share our enthusiasm and want to join us in this adventure that began with a simple question: What do students have to learn for the 21st century?“ (translated from the German book).
My clear answer: Of course I am enthusiastic about it - the work is an inspiration and practical support for all those involved in education!

Note on religion in the context of the 4 dimensions of education
This book is not a publication specifically on questions on religious education - but it contains a plenty of suggestions for various publications.

I would include religious / ethical / philosophical education under one of the
4 dimensions, namely 'knowledge'. In this respect, aspects of this can also be derived individually.
Sabine Gessenich
Unabhängige Bildungsexpertin, Ingelheim


Mehr zur Rezensentin: 
--- https://lernberatung-ingelheim.de/
--- https://sabine-gessenich.com/




Rz-Fadel-4Dimensionen-Bildung, 05.11.18

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