Dienstag, 22. Januar 2019

Wieder im Blickfeld: Khalid Al-Maaly - Umbrüche in der Arabischen Welt

Khalid Al-Maaly (Hg.):
Die Arabische Welt.
Zwischen Tradition und Moderne. 

Mit Beiträgen von:
Adonis, Assia Djebar, Rafik Schami, Abbas Seydoun,
Edward W. Said, Fatima Mernissi, Mahmoud Darwisch, Nasr Hamid Abu Zaid, Mohammed Arkoun, Abdelwahab Meddeb, Sadik Jalal al-Azm, Abdallah Laroui, Elias Khoury u.a.

Heidelberg. Palmyra 2004, 259 S.

19 arabische Intellektuelle, Wissenschaftler, Journalisten, Schriftsteller beschreiben die aktuelle Situation in den arabisch-islamischen Ländern rund ums Mittelmeer: die geschichtliche Entwicklung und die innenpolitischen Verhältnisse: die Machtstrukturen der Herrschenden und ihr Machterhalt, die Opposition, das Volk und die Intellektuellen im Schatten der Regime. Gegenstand der meisten Ausführungen ist ebenso die Rolle Europas und der USA gegenüber diesen Ländern und in der Palästinafrage Die Autoren artikulieren ihre Erwartungen an die Verantwortung Europas und der USA.
Die interne Situation in den arabisch-islamischen Ländern wird in mehreren Beiträgen ausführlich beschrieben:
die Clan-Herrschaft, die Unterdrückung jeder politischen Opposition, der Stimme der Intellektuellen; die damit zusammenhängende Mythologisierung der Vergangenheit, die Verfälschung historischer Fakten, die Flucht in Verschwörungstheorien, die Vortäuschung von Stärke oder die Verschleierung der Machtlosigkeit, die Ausnutzung der Resignation, Perspektivlosigkeit und Verzweiflung bis hin zur Aktivierung von fundamentalistischen Reaktionen mittels religiöser Interpretation sozialer und politischer Konflikte und die Übernahme fundamentalistischer Begründungen durch die Medien.
Weiten Raum nimmt die Kritik an der Politik der europäischen Länder ein: dass sie nichts oder wenig unternehmen, damit Demokratie, Säkularisierung und Menschenrecht in diesen Ländern eine Chance bekommen. Das Verhalten der europäischen Länder und des gesamten Westens erscheint aus der Sicht mehrerer Beiträge als von der Absicht gesteuert, diese Länder in den internen Konflikten und in traditionellen Strukturen zu belassen, sie nicht als Gleichberechtigte und Partner im kulturellen Austausch anzuerkennen und ihre Leistungen in den Grundlagen der europäischen Kulturen zu übergehen. Sie beklagen die europäische Allianz zu den USA, weil sie es dieser Großmacht ermöglicht, die arabisch-islamischen Länder in militärischer, wirtschaftlicher und politischer Überlegenheit zu demütigen. Mitunter wird der innere Zerfall in den Ländern einseitig als Auswirkung der erlittenen westlichen Gewalt dargestellt. Mehrfach wird nachdrücklich darauf verwiesen, dass es im Verhältnis des Westens zu den arabisch-islamischen Ländern nicht um einen Kampf der Kulturen und Wertesysteme/Religionen geht, sondern dass es sich um einen Konflikt mit wirtschaftlichen, politischen und medialen Mitteln handelt. Freiheit und Demokratie erscheinen im Banne politischer und wirtschaftlicher Interessen des Westens; Dogmatismus, Absolutheitsansprüche, die Angst vor Kritik allgemein und vor historischer Kritik im Besonderen bestärken den Westen in seinem Misstrauen, gegenüber einer mögliche Koexistenz von Demokratie und Islam.
Der abschließende Beitrag des Schriftstellers Rafik Schami beschönigt in keiner Weise die Lage in den arabisch-islamischen Ländern und die Verantwortung Europas und der USA, wie sie in den anderen Beiträgen beschrieben wurde. Er konkretisiert in Ansätzen – indem er über die pauschalierenden Forderungen in anderen Beiträgen hinausgeht und auch die inzwischen verfahrene Lage in den Ländern berücksichtigt – mögliche Alternativen: in welcher Weise Europa und die USA eine Wende zu Demokratie und Frieden herbeiführen könnten. Er fordert von Europa eine kritische Annäherung an die arabisch-islamischen Länder (ähnlich der, wie sie es gegenüber den vom kommunistischen Regime beherrschten osteuropäischen Ländern praktiziert haben) in Form eines humanistischen Angebots zur Zusammenarbeit.
Das kann geschehen durch:
·      Unterstützung und Befähigung der demokratischen Opposition, nicht der herrschenden Clans
·      ein eigenständigeres Verhalten Europas zu den USA (als Freund nicht als Sklave).
Durch die kritische Annäherung Europas in Form der Unterstützung der demokratischen Opposition würde es den Herrscherclans in diesen Ländern  nicht mehr genügen, sich der schützenden Obhut der USA zu bedienen.
Zudem wäre Europa in einer derartigen aktiven Rolle nicht mehr in der hergebrachten Form den Allianzzwängen ausgeliefert.

Alois Weidacher, Unterschleißheim
Zuerst erschienen in.
Reinhard Kirste / Paul Schwarzenau / Udo Tworuschka (Hg.): Europa im Orient - Der Orient in Europa.
Religionen im Gespräch, Bd. 9 (RIG 9). Balve: Zimmermann 2006, S. 492-493






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