Freitag, 12. April 2019

Michel Houellebecq und die Islamisierung Europas

Cover der deutschen Ausgabe 2015
Der französische Schriftsteller
Michel Houellebecq 
(geb. 1956 bzw. 1958) ist bekannt für Provokationen. Er lässt sich politisch weder "links" noch "rechts" einordnen und setzt sich bewusst zwischen alle Stühle. Mit seinem neuesten Roman "Serotonin" (deutsch bei DuMont 2019) wird gerade heftig die Spannung zwischen Männerdepression und Frauenfeindlichkeit diskutiert.
2015 löste er mit seinem Roman "Unterwerfung" heftigste Debatten in Frankreich aus, denn in dieser visionären Fiktion wird Frankreich in kürzester Zeit zu einem 
muslimischen Gottesstaat … Ist das eine Prophezeiung mit Realitätsgehalt?


Manche sehen in Houellebecq einen Propheten, der terroristische Attentate quasi vorhergesagt hätte. Das hat man z.B. auf den Roman Plattform bezogen, der bereits 2001 erschien und der durch die Terroranschläge auf das World Trade Centre in New York am 11.09.2001 quasi bewahrheitet wurde.
Julia Encke (FAZ) hat dazu geschrieben: 
Aus dem Programmheft "Plattform/Unterwerfung
des Schauspielhauses Bochum, Spielzeit 2018/2019, S. 21

Nun spielt der Roman  nicht in ferner Zukunft sondern bereits nach den Präsidentschafts-wahlen im Jahre 2022: Konservative und Sozialisten haben sich mit der Muslimbruderschaft verbündet, um einen Wahlsieg des rechtsextremistischen Front National zu verhindern. Durch  diese demokratische Wahl kommt der erste muslimische Präsident Mohammed Ben Abbas, ein scheinbar gemäßigter Muslim an die Macht. Dieser charismatische Politiker bewirkt relativ schnell Veränderungen im Gesellschaftsbild der säkularen Republik Frankreich, die auf ihren Laizismus stolz ist. Immerhin Paris wird sauberer, aber verschleierte Frauen und die nordafrikanische Dschellaba tragende Männer bestimmen das Straßenbild. Dies stellt beunruhigend der aus der Provinz zurückgekehrte 44jährige Literaturwissenschaftler François fest. Dass nun wieder das Patriarchat und die Polygamie in Frankreich eingeführt worden ist, hat auch positive Aspekte für den in Liebesbeziehungen unsicheren "Chauvi". Allerdings muss er damit fertig werden, dass nun auch die berühmte Universität Sorbonne die erste islamische Universität des Landes ist und er aufgrund seiner Konfession mit einer ordentlichen Abfindung in Pension geschickt wird. Auch das Gespräch mit der geschätzten Kollegin Marie-Françoise verstärkt seine Zweifel; denn sie darf als Frau nicht mehr an der Universität lehren. Und noch eine zusätzliche Schwierigkeit tut sich mit seiner letzten Beziehung auf, der Jüdin Miriam, die in einem islamischen Frankreich wohl keinen Platz mehr hätte ...
Über den ehemalig rechtslastigen und wissenschaftlich eher unterbelichteten Kollegen Steve, der zum Islam konvertiert ist und weiter lehren darf, kommt ein Gespräch mit dem Universitätspräsidenten der Sorbonne, Robert Rediger zustande. Dieser möchte ihn als Kapazität wieder an die Universität wieder zurückhaben, allerdings unter der Bedingung, dass er zum Islam konvertiere...
Und so entwickelt sich in dem atheistischen Wissenschaftler die Möglichkeit, zum Islam überzutreten, um die Vorzüge der Professur, ein extrem gutes Gehalt und mehrere Frauen sein eigen nennen zu dürfen. Aber das ist nur eine Option ... 
Ausführliches zum Roman insgesamt - hier:https://www.dieterwunderlich.de/Houellebecq-unterwerfung.htm

Cover der Taschenbuchausgabe:
Editons J'ai Lu, Paris 2017, 320 pp.
"Ich hätte nichts zu bereuen".
Michel Houellebecq:
Unterwerfung. Roman. Köln: DuMont  2015, 272 S.ISBN 978-3-8321-9795-7
--- Leseprobe: hier
Soumission. Paris: Flammarion 2015, 304 pp.
--- Verlagsinformation und Leseprobe hier
--- Extrait >>>

Was im Roman mit einer Reihe von Nebensträngen ausführlich erzählt wird, ist in den für das Theater bearbeiteten Fassungen auf die Person des Wissenschaftlers François konzentriert. Und wie im Roman, so sind auch auf dem Theater die Doppeldeutigkeiten geradezu ein Schlüssel. Darum schreibt Julia Encke: "Wer ihn [Houellebecq] beim Wort nehmen und auf Statements festlegen will - der wird über seine Texte nicht lachen und ihnen wahrscheinlich nichts abgewinnen können. Das heißt nicht, dass bei Michel Houellebecq die Entwürfe der nahen Zukunft ... nicht ernst gemeint wären. Das sind sie. Michel Houellebecq will uns aber nicht nur keine Gewissheiten geben, er hat auch großen Spaß daran, sie uns zu verweigern" (aaO S. 21) 
Darum sind auch die Theaterstücke variierende Interpretationen seiner Romane - von der  Regie entsprechend inszeniert und von den Zuschauer/innen höchst unterschiedlich aufgenommen. Das zeigen bereits die Reaktionen in den Medien - und auch wie die französische Presse auf die deutschen Aufführungen reagiert.
Vgl. z.B. "Le Figaro" (09.03.2016): Soumission .... brûle les planches en Allemagne
Soumission ... bringt die deutschen Theaterbühnen zum Brennen

Inszenierungen in Deutschland 

Aufführung: Schauspielhaus Bochum
Szenenbild aus "Plattform"

    CC


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