Montag, 15. August 2022

Engel - mit und ohne Flügel - Kleine Einblicke in Religion und Kunstgeschichte (aktualisiert)

Angels can fly because they take themselves
 so lightly.

G.K. Chesterton (1874-1936),
englischer Schriftsteller

Die Vielfalt des Themas "Engel" ist unüberschaubar, aber immer wieder faszinierend.
Der Alttestamentler Claus Westermann  (1909-2000) schrieb vor Jahrzehnten ein kleines Büchlein:
Claus Westermann:
Gottes Engel brauchen keine Flügel.
Stuttgart: Kreuz-Verlag 1978, 126 S.
Dort hat er geradezu genial das Engel-Thema auf den Punkt gebracht (aaO S. 9):
"Käme kein Engel mehr, dann ginge die Welt unter. Solange Gott die Erde trägt, schickt er seine Engel. Die Engel sind älter als alle Religionen - und kommen auch noch zu den Menschen, die von Religion nichts mehr wissen wollen".
Ausgehend vom Wort
 "Engel", das wörtlich übersetzt "Bote" bedeutet, stellt Westermann die vielen Typisierungen von Engeln dar, ihre Stärke und ihre Schönheit, - ihre Gestaltformen mit und ohne Flügel, ihre Gewänder, ihre "Werkzeuge", z.B. kriegerisch mit dem Schwert und Frieden anstimmend mit Musikinstrumenten oder im Chor singend. Sie zeigen an, dass sie von einer anderen Welt kommen - Boten des Lebens und Boten des Todes.  Als Boten Gottes, als Kommen seines Glanzes, seiner Nähe, seines Trostes, seiner Botschaften und Warnungen erscheinen sie in vielen ebenso schönen wie dramatischen Geschichten der Bibel. Nicht immer werden dabei Namen genannt wie Gabriel oder Michael, oft heißt es einfach "der Engel Gottes".
Westermann betrachtet die biblischen Engelgeschichten und gibt den Lesenden eine sachgemäße Orientierung. Sein Buch stellt - lange vor dem modernen "Engel-Boom" verfasst - eine solide, spannende und hilfreiche "Engel"-Einführung im Horizont der Bibel dar. 
Im Rahmen einer Unterrichtsgestaltung erschien von Susanne Drewniok
im
"Loccumer Pelikan" , Nr. 02/2001 (Hg.: Religionspäd
agogisches Institut Loccum) ein Unterrichtsvorschlag zum Thema "Engel", der sich besonders an Schülerinnen und Schüler der 4. und 5. Klasse richtet. Dort hat die Autorin die biblischen und kunsthistorischen Bezüge im Blick auf die Engel knapp und übersichtlich herausgearbeitet:
Biblisch-theologische Überlegungen
>Die christlichen Vorstellungen vom Sein und Wirken der Engel basieren auf den älteren religiösen Erfahrungen der Frühkulturen des Mittelmeerraumes.< In vielen Religionen finden sich Vorstellungen von Engeln in Tier- oder Menschengestalt und mit Flügeln versehen. Sie sind Wesen, die Göttern oder höheren Mächten dienen. „Die biblisch-christliche Tradition von den Engeln steht somit in einem großen religionsgeschichtlichen Zusammenhang." Nach Westermann werden in der Bibel mit dem Begriff Engel zwei Arten von Wesen bezeichnet, die ganz verschiedenen Vorstellungskreisen angehören: die Boten Gottes einerseits und die himmlischen Wesen in Gottes Hofstaat andererseits. Engel sind zu verstehen von ihrer jeweiligen Aufgabe her. Ob sie existieren, wie sie aussehen, ob sie Flügel haben oder nicht, ist dabei überhaupt nicht wichtig. Entscheidend ist, was sie mit den Menschen tun, denen sie begegnen: Sie reden (Lk 2), schützen (Gen 19), begleiten (Mt 4), führen (Ex 14), aber sie kämpfen (Gen 32) und töten (2.Kö 19) auch. Und sie lassen die Menschen nach einer Begegnung verändert zurück.
 „Es sind nicht dieselben Augen, die den Engel fortgehen sehen, wie die, die ihn kommen sehen. Das Entscheidende geschah dazwischen: Ihre Augen wurden aufgetan."
Engel überwinden die Distanz zwischen den Menschen und Gott, die Begegnungen mit ihnen sind eigentlich Gottesbegegnungen. Engel ereignen sich in ihrer Funktion. Über die Begegnung mit einem Engel ermöglicht Gott einem Menschen eine Veränderung seiner Wahrnehmung, das Treffen einer Entscheidung oder einen Impuls zum Handeln.
In der Bibel treffen Engel die Menschen in Alltagssituationen an, bei der Arbeit, vor dem Zelt, auf einem Weg. Sie deuten darauf hin, dass in diesen Situationen Gott am Wirken ist. Engel sind eine Möglichkeit, Gott zu begegnen.
Die Vorstellung von Engeln, besonders von Schutzengeln, ist vielen heutigen Menschen vertraut. Der Autoaufkleber „Fahre nicht schneller, als dein Schutzengel fliegen kann!" ist durchaus akzeptiert, und löst auch bei Menschen, die sich selbst als nicht-religiös bezeichnen, kein überlegenes Lächeln aus. Vielleicht hat sich der Schutzengel in unserer Gesellschaft aus dem Kontext christlicher Tradition herausgelöst und wird von vielen Menschen als säkulares Symbol für den Wunsch nach Bewahrung wahrgenommen.

Kunstgeschichtlicher Überblick
Der Barlach-Engel in der Antoniter-Kirche, Köln

Engel werden seit dem späten vierten Jahrhundert als geflügelte Wesen, meist mit zwei Flügeln und einem Nimbus dargestellt. „Sie sind Jünglinge oder Männer, meist von einer ihre Würde betonenden besonderen Höhe der Gestalt; bekleidet sind sie mit leuchtend weißen Gewändern, den Zeichen der vollkommenen Reinheit ..." Als Boten Gottes tragen sie manchmal einen langen Botenstab in der Hand und um den Kopf ein Stirnband. Bei der Verkündigung an Maria wird dem Engel häufig ein Lilienzweig in die Hand gegeben. „Im Mittelalter und der Frührenaissance werden die Engel zunehmend androgyn oder mädchenhaft dargestellt." Ab jetzt finden sich auch immer mehr musizierende Engel. Kinderengel und geflügelte Engelköpfe (Ausdruck ihrer „Nicht-Leiblichkeit") kommen ab dem 12. Jahrhundert vor. Im Barock treten sie dann als Putten in Erscheinung. „Im 19. Jahrhundert erfuhr die Darstellung des persönlichen Schutzengels (vor allem von Kindern) einen starken Aufschwung." Eine der aussagekräftigsten Gestalten des 20. Jahrhunderts ist Barlachs schwebender Engel seines Ehrenmals im Güstrower Dom.
Die Cherubim erscheinen als Personifikation der Allmacht Gottes bereits ab dem sechsten Jahrhundert. Sie sind die Hüter des versperrten Paradieses, die Wächter der Bundeslade und als tetramorphe (viergestaltige) Wesen die Träger des Thrones Gottes. Als sechsflügelige Wesen mit vielen Augen sind die Seraphim dargestellt. Ihre Aufgabe ist die Anbetung Gottes. Die vier Erzengel, die Fürsten unter den Engeln, haben Namen und bestimmte Funktionen: Michael nimmt den höchsten Rang ein. Er wird als Krieger, Überwinder des Teufels und Seelenwäger im Endgericht dargestellt. Raphael ist vor allem Beschützer und Begleiter guter und leidender Menschen. Gabriel ist der Engel der Verkündigung. Uriel wurde mit dem Engel identifiziert, der am Grab Christi erschien.
Weitere Hinweise:
Universität Duisburg-Essen, Institut für Ev. Theologie (2007):
Literaturauswahl zum Thema "Engel" >>>

HimmelsErscheinung

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