Jean Paul:
Friedens-Predigt
an Deutschland 1808
mit einem Nachwort von Armin
Schlechter
Heidelberg:
Universitätsverlag Winter
2008, 150 S.
Nachdruck der Ausgabe von 1808
bei Mohr & Zimmer Heidelberg
bei Mohr & Zimmer Heidelberg
Reihe: Jahresgabe
des Verlages
--- ISBN 978-3-8253-2008-9 ---
--- ISBN 978-3-8253-2008-9 ---
Vorlage für den Nachdruck:
Stadtbibliothek Nürnberg
Stadtbibliothek Nürnberg
Der Text zum Download im Projekt Gutenberg: gutenberg.spiegel.friedens-predigt
--- English summary at the end of the review
--- résumé français au bout du compte rendu
--- resumen español al final de la reseña
--- résumé français au bout du compte rendu
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In einer Zeit bedrohlicher Konflikte, die ein Teil der Menschheit
erleiden muss, lohnt es sich, einen Blick zurückzuzuwerfen. Der Dichter Jean Paul, ursprünglich Johann Paul
Friedrich Richter (1763–1825), gehört zu denjenigen Dichtern, die erst nach
großen Schwierigkeiten familiärer und literarischer Art den großen Durchbruch
schafften, und zwar mit Hesperus oder 45 Hundposttage, von 1795. Dieser
Roman bildete den krönenden Erfolg; und viele sahen in ihm dieselbe dichterische
Qualität wie in Goethes Die Leiden des
jungen Werther. Herder, Wieland und Gleim hielten große Stücke auf Jean
Paul, selbst Königin Luise von Preußen verehrte ihn. Von der Universität
Heidelberg wurde er zum Ehrendoktor ernannt, und die politisch aufstrebende
Burschenschaft sah in ihm eine Leitfigur. Goethe und Schiller allerdings
interessierten sich trotz seines Deutschland weiten Ruhmes nicht sonderlich für
Richter.
Mehr zu Jean Paul: https://wortwuchs.net/lebenslauf/jean-paul/
Durchaus im Zusammenhang seiner poetischen Bedeutung als herausragender deutscher Schriftsteller steht Jean Pauls Friedens-Predigt im Horizont der kriegerischen Ereignisse seit der Französischen Revolution und dem Aufstieg Napoleons. Der Text wurde damals in verschiedenen Zeitungen abgedruckt und fand ein recht unterschiedliches Echo. Auch die weitere unabhängige Veröffentlichung bzw. im Rahmen seiner “Vermischten Schriften“ war von erheblichen Schwierigkeiten mit den jeweiligen Verlegern geprägt.
Mehr zu Jean Paul: https://wortwuchs.net/lebenslauf/jean-paul/
Durchaus im Zusammenhang seiner poetischen Bedeutung als herausragender deutscher Schriftsteller steht Jean Pauls Friedens-Predigt im Horizont der kriegerischen Ereignisse seit der Französischen Revolution und dem Aufstieg Napoleons. Der Text wurde damals in verschiedenen Zeitungen abgedruckt und fand ein recht unterschiedliches Echo. Auch die weitere unabhängige Veröffentlichung bzw. im Rahmen seiner “Vermischten Schriften“ war von erheblichen Schwierigkeiten mit den jeweiligen Verlegern geprägt.
Inhaltlich war
natürlich diese Friedens-Predigt eine Herausforderung. 1804 hatte sich Napoleon
zum Kaiser gekrönt und zog aus, Europa zu erobern. Das Heilige Römische Reich
Deutscher Nation (am Ende des Mittelalters kontinuierlich mit diesem Zusatz „Deutscher
Nation“), war schon längst zu einer zersplitterten Landschaft der Fürstentümer
und Kleinstaaten geworden. In der Doppelschlacht bei Jena und Auerstädt 1806
brachte Napoleon den Koalitionsheeren unter Preußens Führung eine verheerende
Niederlage bei. Damit war das endgültige Aus von fast 900 Jahren des Heiligen
Römischen Reiches Deutscher Nation besiegelt. Preußen wurde zum Reststaat, der
nur durch das Eingreifen Russlands überhaupt weiter existierte (Friede von
Tilsit 1807).
In
diesem dramatischen Horizont „konkretisierte der Schriftsteller Jean Paul seine
über Deutschland hinausweisenden politischen Forderungen. Sie führen die
Tradition seiner Romane konsequent fort, wo die Motive Revolutionsbegeisterung
und Freiheitskrieg häufig erscheinen, genrebedingt aber unscharf bleiben. Im
Hintergrund stand Jean Pauls Überzeugung, dass sich das Heilige Römische Reich
Deutscher Nation längst überholt habe und die politische Zersplitterung
Deutschlands mit dem Ziel überwunden werden müsse, als Teil Europas zu einer
neuen friedvollen Ordnung zu gelangen“ (Armin Schlechter im Nachwort,
S 111f). Als Kind der Aufklärung lehnte Jean Paul den Krieg als Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele konsequent ab. Diese pazifistische Tendenz, verbunden mit einer großen Wertschätzung Frankreichs, hat übrigens dazu geführt, dass die „Friedens-Predigt“ nach dem 1. Weltkrieg mehrere Auflagen erlebte, aber bei den nationalistischen Kräften und Anhängern der „Dolchstoßlegende“ sowie in der Nazizeit aufs Tiefste verachtet wurde. Nach dem 2. Weltkrieg geriet die „Friedens-Predigt“ wieder stärker ins Blickfeld.
Im Rahmen einer Auswahlausgabe in der „Bibliothek deutscher Klassiker“ erschien dieser Text 1968 auch in der DDR. (Aufbau-Verlag Berlin/Weimar 1968, S. 294–333, in Verbindung mit „Kriegserklärung gegen den Krieg, S.335–356).
S 111f). Als Kind der Aufklärung lehnte Jean Paul den Krieg als Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele konsequent ab. Diese pazifistische Tendenz, verbunden mit einer großen Wertschätzung Frankreichs, hat übrigens dazu geführt, dass die „Friedens-Predigt“ nach dem 1. Weltkrieg mehrere Auflagen erlebte, aber bei den nationalistischen Kräften und Anhängern der „Dolchstoßlegende“ sowie in der Nazizeit aufs Tiefste verachtet wurde. Nach dem 2. Weltkrieg geriet die „Friedens-Predigt“ wieder stärker ins Blickfeld.
Im Rahmen einer Auswahlausgabe in der „Bibliothek deutscher Klassiker“ erschien dieser Text 1968 auch in der DDR. (Aufbau-Verlag Berlin/Weimar 1968, S. 294–333, in Verbindung mit „Kriegserklärung gegen den Krieg, S.335–356).
Jean Pauls „Predigt“
ist kein konsequent aufgebauter Essay, lässt aber durchaus einen politischen
und einen moralischen Teil erkennen. Die Vorrede
und die folgenden 11 Kapitel zeigen
den intensiven Impetus des Dichters: Der Krieg muss wirklich aufhören, und die
politischen Fakten sind zu akzeptieren, nämlich die Auflösung des Heiligen
Römischen Reiches Deutscher Nation. Das macht Jean Paul in den ersten 3 Kapiteln deutlich: Der kleine Krieg in der Brust, Die neuen
Fürsten, Das deutsche Reich.
In Kap. 4: Vaterlands- oder Deutschlands-Liebe betont er, dass diese sich auf Freiheitsliebe und Rechtschaffenheit gründe. Mit dem mehrfach hervorgehobenen Begriff der Wechselseitigkeit sieht er für die Deutschen eine Chance, Schwächen und Fehler auszugleichen. Jean Pauls Wertschätzung Frankeichs und das Engagement für wahre Humanität kommen in Kap. 5 und 6 zum Ausdruck, weil gebildete Nationen wie Franzosen und Deutsche nie einem Frieden der gegenseitigen Vernichtung zustimmen würden; vielmehr ergänzen sie einander im Sinne freier Völker. Die Kapitel 7-9 sind moralisch geprägt: Gegen Luxus, Unsittlichkeit und Egoismus setzt der Dichter auf eine moralische Erneuerung. Nach den vermischten Gelegenheitssprüchen von Kap. 10 endet das Buch mit Hoffnungen und Aussichten, Kap. 11. Jean Paul ruft auf, Mut zu haben, um die selbst verschuldeten Niederlagen zu überwinden und dem Geist die nötige Freiheit nicht nur zu gewähren, sondern auch aufrichtig (mit „vaterländischem Ehrgefühl“), umsichtig und mit einer gewissen Leichtigkeit das Leben trotzdem entschlussfreudig zu führen.
In Kap. 4: Vaterlands- oder Deutschlands-Liebe betont er, dass diese sich auf Freiheitsliebe und Rechtschaffenheit gründe. Mit dem mehrfach hervorgehobenen Begriff der Wechselseitigkeit sieht er für die Deutschen eine Chance, Schwächen und Fehler auszugleichen. Jean Pauls Wertschätzung Frankeichs und das Engagement für wahre Humanität kommen in Kap. 5 und 6 zum Ausdruck, weil gebildete Nationen wie Franzosen und Deutsche nie einem Frieden der gegenseitigen Vernichtung zustimmen würden; vielmehr ergänzen sie einander im Sinne freier Völker. Die Kapitel 7-9 sind moralisch geprägt: Gegen Luxus, Unsittlichkeit und Egoismus setzt der Dichter auf eine moralische Erneuerung. Nach den vermischten Gelegenheitssprüchen von Kap. 10 endet das Buch mit Hoffnungen und Aussichten, Kap. 11. Jean Paul ruft auf, Mut zu haben, um die selbst verschuldeten Niederlagen zu überwinden und dem Geist die nötige Freiheit nicht nur zu gewähren, sondern auch aufrichtig (mit „vaterländischem Ehrgefühl“), umsichtig und mit einer gewissen Leichtigkeit das Leben trotzdem entschlussfreudig zu führen.
Zusammenfassung:
Friedenserziehung – auf dem Weg zu einem gemeinsamen Europa
Friedenserziehung – auf dem Weg zu einem gemeinsamen Europa
Diese
Friedenspredigt an Deutschland des Dichters Jean Paul (1763–1825) ist mehr als
das Zeitzeugnis eines Romantikers in den Umbrüchen Europas des 19. Jahrhunderts.
Sie macht nämlich deutlich, dass zwei große Nationen wie Deutschland und
Frankreich als Teil Europas eine große politische und moralische Verantwortung
haben. Charles de Gaulle und Konrad Adenauer haben dies nach dem 2. Weltkrieg
zum Ausdruck gebracht und politisch umgesetzt. Denn zwischen der
Friedens-Predigt von 1808, den Freiheitsaufbrüchen, der Neuordnung Europas durch
den Wiener Kongress 1815 und dem Treffen von De Gaulle und Adenauer 1958 in
Reims (= 150 Jahre!) liegt auch eine Zeit, in der Freunde zu Erzfeinden
gemachten wurden. Vgl.:
SWR-Zur Geschichte der
deutsch-französischen Freundschaft >>>
Um Abgrenzungstendenzen
und Vorurteilen entgegenzuwirken und die Möglichkeiten für ein glaubwürdiges
freiheitliches Europa zu vertiefen, können Frankreich und Deutschland zu
Vorbildern werden. So sah es schon Jean Paul. Auf diese Weise kann seine Friedens-Predigt
ermutigen, den anderen mit den Augen der Sympathie zu sehen und
nationalistische Verengungen zu überwinden.
English
Summary:
Peace Education – Towards a Common Europe
Peace Education – Towards a Common Europe
This Sermon on Peace
to Germany by the poet Jean Paul (1763-1825) is more than the contemporary
testimony of a romantic in the upheavals of Europe in the 19th century. It
makes clear that two great nations such as Germany and France have a great
political and moral responsibility as part of Europe. Charles de Gaulle and
Konrad Adenauer expressed and politically implemented this after the Second
World War. Between the time when the sermon on peace of 1808 was published, the
break-ups of freedom, the reorganisation of Europe by the Congress of Vienna in
1815 and the meeting of De Gaulle and Adenauer at Reims in 1958 (= 150 years!)
there has been also a time when friends were made arch-enemies.
Cf.: SWR-Zur Geschichte der deutsch-französischen Freundschaft >>>
Cf.: SWR-Zur Geschichte der deutsch-französischen Freundschaft >>>
France and Germany can become role models in order to
counteract discrimination tendencies and prejudices and to deepen the
possibilities for a credible free Europe. This was already the view of Jean
Paul. In this way, his sermon on peace can encourage us to look at others with
sympathy and to overcome nationalist constrictions.
Résumé
français:
L'éducation pour la paix – vers une Europe commune
L'éducation pour la paix – vers une Europe commune
Ce Sermon sur la
Paix pour l’Allemagne du poète Jean Paul (1763-1825) est plus que le
témoignage contemporain d'un romantique dans les bouleversements de l'Europe au
XIXe siècle. Il montre clairement que deux grandes nations comme l'Allemagne et
la France ont une grande responsabilité politique et morale comme part de
l'Europe. Charles
de Gaulle et Konrad Adenauer l'ont exprimé et politiquement mis en œuvre après
la seconde guerre mondiale. Car entre le sermon sur la paix de 1808,
l'effondrement de la liberté, la réorganisation de l'Europe par le Congrès de
Vienne en 1815 et la rencontre de De Gaulle et Adenauer à Reims en 1958 (= 150
ans !), il y a aussi un temps où les amis se faisaient des ennemis jurés. Cf.: SWR-Zur Geschichte der
deutsch-französischen Freundschaft >>>
La France et l'Allemagne peuvent devenir des modèles
pour contrer les tendances de discrimination et des préjugés et pour
approfondir les possibilités d'une libre Europe crédible. C'était déjà le point
de vue de Jean Paul. De cette façon, son sermon sur la paix peut nous
encourager à regarder les autres avec sympathie et à surmonter les reserrements
nationalistes.
Resumen
español:
Educación para la paz. Hacia una Europa común
Educación para la paz. Hacia una Europa común
Este Sermón
sobre la Paz para Alemania, del poeta Jean Paul (1763-1825), es más que el testimonio
de un romántico contemporáneo con las convulsiones revolucionarias de la Europa
del siglo XIX. Deja claro que dos grandes naciones como Alemania y Francia
tienen una gran responsabilidad política y moral como parte de Europa. Charles
de Gaulle y Konrad Adenauer lo expresaron y lo aplicaron políticamente después
de la Segunda Guerra Mundial. Pues entre el sermón sobre la paz de 1808, las
rupturas de la libertad, la reorganización de Europa del Congreso de Viena en
1815, y el encuentro de De Gaulle y Adenauer en Reims en 1958 (¡=150 años!)
también hay un tiempo en el que los amigos se convirtieron en archienemigos.
Cf.: SWR-Zur Geschichte der
deutsch-französischen Freundschaft >>>
Francia y Alemania pueden convertirse en modelos a
seguir para contrarrestar las tendencias de dicriminación y los prejuicios, y
para profundizar las posibilidades de una Europa libre y creíble. Esta ya era
la opinión de Jean Paul. De esta manera, su sermón sobre la paz puede animarnos
a mirar a los otros con simpatía y a superar la estrechez de miras de los
nacionalismos.
Traducción español: José María Vigil, Ciudad de Panamá
Rz-Jean-Paul-Fridenspredigt, 14.12.2019
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