Freitag, 10. Juli 2020

Transkulturelle Verflechtungen im Mittelalter - Abschluss eines umfassendes Forschungsprojekts

Transkulturelle Verflechtungen

Mediävistische Perspektiven
Universitätsverlag Göttingen 2016, 397 S.
Hg.: Netzwerk
Transkulturelle Verflechtungen
G. Christ,
S. Dönitz,
D. König,
Ş. Küçükhüseyin, M. Mersch,
B. Müller-Schauenburg,
U. Ritzerfeld,
C. Vogel, J. Zimmermann
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PDF 12,66 MB (CC BY-SA 4.0)
Transkulturelle Phänomene haben in den letzten Jahren zunehmend die Aufmerksamkeit der Forschung auf sich gezogen und werden aller Voraussicht nach auch in den nächsten Jahren Gegenstand geisteswissenschaftlicher Debatten sein. Als Ergebnis eines kollaborativen Schreibaktes versteht sich der vorliegende Band sowohl als Einführung in die Untersuchung transkultureller Verflechtungsphänomene wie auch als Versuch einer systematischen Durchdringung dieses Forschungsfeldes aus unterschiedlichen mediävistischen Perspektiven. 

Er befasst sich zunächst auf theoretischer Ebene mit der Entwicklung und den Entstehungshintergründen des transkulturellen Paradigmas. In zahlreichen Quellenstudien erörtert er ferner, wie transkulturelle Verflechtungsprozesse in mittelalterlichen Quellen unterschiedlicher Herkunft und Art benannt, beschrieben und bewertet werden. 
Auf dieser Grundlage wird der Versuch unternommen, unter Nutzung der Begriffe ‚Netzwerk‘, ‚Gewebe‘, ‚rhizomatisches Geflecht‘ und ‚Fusion‘ verschiedene Modelle transkultureller Verflechtung zu definieren und anhand der Quellen auszuarbeiten. Ergänzend erfolgt eine ebenfalls quellengestützte Beschäftigung mit den reziproken Beziehungen zwischen Verflechtungs- und Entflechtungsprozessen. 
Sie mündet in abschließende Überlegungen zu der Frage, welchen methodischen Chancen und Risiken sich eine historisch arbeitende Forschung ausgesetzt sieht, die das transkulturelle Paradigma für die konkrete Arbeit an den Quellen nutzen möchte. 

Indem der Band die Genese aktueller methodischer Diskussionen nachzeichnet und diese anhand von mehr als fünfzig kurzen Quellenanalysen konkretisiert, eignet er sich in idealer Weise für den Einsatz in Studium und Lehre. Darüber hinaus bietet er durch die systematische Darstellung sowie die Reflexionen zu Theorie und praktischer Anwendung des transkulturellen Ansatzes zahlreiche Anregungen für die weitere Forschungsdiskussion.

Rezension von Stephan Conermann in "sehepunkte" Ausgabe 17 (2017), Nr. 5 :
http://www.sehepunkte.de/2017/05/30498.html 

Inhaltsverzeichnis 
Vorwort.........................................................................................................7
1 Einleitung ................................................................................................11
1.1 Auf dem Jahrmarkt der Begrifflichkeiten:
      Ein Panorama der Verflechtung ........................................................... 12
1.2 Transkulturelle Verflechtung: Eine vorläufige Definition.................... 22

2 Ideen zu Kulturen und Verflechtung ........................................................25
2.1 Kulturen (civilisations) in Interaktion....................................................... 26
2.1.1 Von Völkern und Reichen
         zur Ost-West-Wanderung von Kultur......................................................28
2.1.2 Stilgeschichtliche Impulse zur Ausformulierung
         organischer Kulturtheorien .....................................................................33
2.1.3 Modelle des Werdens und Vergehens von Kulturen...............................38
2.1.4 Fokussierung auf Identitätsausbildung
         und Konflikt der Kulturen ......................................................................47
2.2 Konzeptionalisierungen
       kultureller Interaktionsformen in der Forschung..................................... 51
2.2.1 Akkulturation..........................................................................................53
2.2.2 Inter- und Multikulturalität.....................................................................56
2.2.3 Kulturtransfer .........................................................................................58
2.2.4 Passage ...................................................................................................61
2.2.5 Entanglement, Histoire croisée...............................................................63
2.2.6 Netzwerke...............................................................................................65
2.2.7 Hybridisierung........................................................................................68
2.2.8 Palimpsest...............................................................................................70
2.2.9 Transkulturalität .....................................................................................72
2.3 Fazit: Von den theoretischen Grundlagen ad fontes................................. 77

3 Transkulturelle Verflechtung in den Quellen............................................81
3.1 Benennungen von Verflechtungsphänomenen ......................................... 82
3.1.1 Ein Konzept: Korruption (fasād).............................................................82
3.1.2 Apostrophierungen: ‚Hybrider‘ Nachwuchs
         (Turcopoli, Mixobarbaroi u. a.)...............................................................84
3.1.3 Verflechtungsbefund:
          Zusammensetzungen (mhd. parrieren, undersnîden)..............................90
3.1.4 Konzeptuell aufgeladene Formulierung:
         Verpönte Interaktion (cibis consociari gentilium)................................... 92
3.2 Reflexionen über Verflechtung................................................................... 94
3.2.1 Sinnstiftende Bewältigung von Integration:
         Orosius zu den Barbaren ...................................................... .................. 94
3.2.2 Auseinandersetzung mit dem Anderen:
         Jüdisch-christliche Polemik ............................................... ..................... 97
3.2.3 Beschreibung von Gruppengenese und Anpassung:
         Die Kreuzfahrer von innen und außen gesehen ....................................... 99
3.2.4 Fiktion der Textgenese:  Die Gralsgeschichte
         bei Wolfram von Eschenbach........................................................ ......... 103
3.2.5 Schaffung einer literarischen Figur:
         Die gescheckte Haut des Feirefiz............................................................. 105
3.2.6 Gewinnbringende Kontakte:
         Eine Handelsliste aus Flandern ............................................................... 106
3.2.7 Identitätsstiftung durch Verflechtung von Ost und West:
         Der Fall Venedig....................................................................................... 108
3.2.8 Relativierte Religionsgrenzen:
         Eine georgisch/christlich– türkisch/muslimische Auseinandersetzung.... 110
3.2.9 Religionsgemisch als Teil der Heilsgeschichte:
         Palamas' Reisebericht................................................................................ 112
3.2.10 Entscheidung für den sozialen Frieden: Die Synode von Nikosia  ........ 115
3.2.11 Angst um den sozialen Frieden: Ein Dekret aus Candia ........................ 117
3.2.12 Bewältigung durch Abwehr:
            Felix Fabri über den lateinisch-griechischen Klerus in Zypern ............ 119
3.3 Materialisierte Verflechtungen und ihre Deutung ....................................... 122
3.3.1 Transreligiöser Objektgebrauch:
         Eklat um ein ‚muslimisches‘ Tablett am Hofe Michaels VIII. ... ............. 124
3.3.2 Kulturvielfalt als Merkmal schlechter Herrschaft:
         Illustrationen im ‚Liber ad honorem Augusti‘........................................... 130
3.3.3 Zwischen pittura greca und pittura latina:
          Transkulturelle Verflechtungen in der kretischen Malerei........................ 133
3.3.4 Phänomen oder Interpretation? Das Akkon-Portal in Kairo ..................... 135
3.4 Fazit: Von der Benennung zur Interpretation ............................................... 137

4 Verflechtungsmodelle.................................................................................... 141
4.1 Prämissen der Verflechtung.......................................................................... 141
4.1.1 Beziehungsräume: geographisch, zeitlich, sozial...................................... 142
4.1.2 Vektoren: Bewegung in Kraftfeldern ....................................................... 144
4.1.3 Agency: Die Wirkmächtigkeit von Akteuren und Aktanten......................145
4.1.4 Begegnung: Automatismen versus Prozessoffenheit ................................150
4.1.5 Austausch: Geben und Nehmen ................................................................151
4.1.6 Modelle: Netzwerke, Gewebe, rhizomatische Geflechte ..........................152
4.2 Modell Netzwerke........................................................................................ 153
4.2.1 Quellenarmut und Ideologie:
        Die jüdischen Fernhändler der Rāḏāniyya .................................................154
4.2.2 Rekonstruktion angesichts von Quellenüberfluss:
         Das veneto-mediterrane Netzwerk.............................................................156
4.2.3 Organisationsstrukturen und multiple Vernetzung:
         Die Zisterzienser........................................................................................159
4.2.4 Verschiedene Ebenen des Netzwerks:
         Templer und Johanniter.............................................................................162
4.2.5 „Er wusste, wie man sich Freunde macht“:
         Roger de Flor und die Katalanische Kompanie .......................................164
4.2.6 Modellanwendung: Zur Rekonstruktion von Netzwerken .......................166
4.3 Modell Gewebe/Textur (textura)................................................................. 167
4.3.1 Texturen in Metall: Luxuswaren mamlukischer Tradition
         an mediterranen Höfen im 14. Jahrhundert...............................................168
4.3.2 Religionsübergreifende Kategoriebildung
         und ThemenMuster-Variationen: 
         Bücherverzeichnisse..................................................................................170
4.3.3 Bilinguale Dichtung: ‚De Heinrico‘..........................................................173
4.3.4 Judäo-Griechische Texte:
         Hebräische Schrift – griechische Sprache.................................................174
4.3.5 Die arabisch-romanische ḫarǧa:
          Zwei hierarchisierte Sprachen – eine Schrift ...........................................177
 4.3.6 Modellanwendung: Zur Rekonstruktion von
          Geweben/Texturen.....................................................................................180
4.4 Modell Rhizomatisches Geflecht.................................................................. 183
4.4.1 Unorganisierte Verbreitung in Bild und Text:
         Der berittene Drachenkämpfer....................................................................185
4.4.2 Geflechte aus visuellen Konzepten:
         Wanderndes Formengut im Mittelmeerraum..............................................188
4.4.3 Anzeichen untergründiger Verflechtungen:
         Lokale Materialisierungen in der Levante .................................................192
4.4.4 Verflochtene ästhetische Erfahrungen:
          Venezianische Kriegsbeute für den Sultan.................................................195
4.4.5 Produkt unorganisierter Expansion?
          Die Berber-Enklave Fraxinetum ...............................................................197
4.4.6 Komplexität kaufmännischer Beziehungen:
         Venezianer im spätmittelalterlichen Alexandria ....................................... 203
4.4.7 Modellanwendung:
         Zur Rekonstruktion rhizomatischer Geflechte ......................................... 205
4.5 Fusionen als Verflechtungsergebnis? .......................................................... 208
4.5.1 Fusionen in Metall:
         Luxuswaren mamlukischer Tradition in Europa
         im 15./16. Jahrhundert............................................................................... 209
4.5.2 Synkretismus/Fusion von Kultelementen:
         Christus Victor, Maria Regina................................................................... 211
4.5.3 Ethnogenese: Die Goten in Thrakien........................................................ 213
4.5.4 Integration und ihre Voraussetzung: Simeon der Armenier...................... 216
4.5.5 Vollkommenheit durch Fusion:
         Das christliche Großreich im ‚Jüngeren Titurel‘ ..................................... 217
4.5.6 Fusionen als Verflechtungsprozess und -ergebnis.................................... 219
4.6 Fazit: Von der Begegnung zur Fusion? ....................................................... 220

5 Entflechtung als Teil von Verflechtungsprozessen....................................... 223
5.1 (Re-)Strukturierung – die ordnende Dimension von Entflechtung................ 225
5.1.1 Erklärung von Differenz: Diversifizierung der Menschheit....................... 226
5.1.2 Abgrenzende Identitätsschärfung:
         Der fränkische Troja-Mythos .................................................................... 233
5.1.3 Gruppen-Label im Bild:
          Höllendarstellungen und Herrschaftsillustrationen .................................. 236
5.1.4 Unio in divisione:
          Die ‚Ordinatio imperii‘ Ludwigs des Frommen ....................................... 238
5.1.5 Forderung nach physischer Distanz:
        Jüdische und christliche Kritik am gemeinsamen Bad ...................   .......... 243
5.1.6 Segregationspolitik: Assimilationsängste
         im östlichen Mittelmeer.............................................................................. 246
5.1.7 Kontrollierte Kontakte:
Zur Integration von Hansekaufleuten in Brügge................................................. 249
5.2 Destrukturierung – die auflösende Dimension von Entflechtung................. 251
5.2.1 Maßnahmen in und am Objekt:
         Von Zerstörung über Diffamierung bis Wertschätzung ............................. 251
5.2.2 Ritualisierte Abgrenzung: Das altsächsische Taufgelöbnis....................... 254
5.2.3 Inszenierung einer Auflösung:
         Ein christlich-heidnisches Heer im ‚Jüngeren Titurel‘............................... 256
5.2.4 Vertreibung: Edikt zur Ausweisung der Muslime aus Kastilien ................ 258
5.2.5 Reflektierte Desintegration:
        Gedanken zum Zerfall des Byzantinischen Reichs.......................................260
5.3 Fazit: Ineinandergreifen von Verflechtung und Entflechtung ....................... 264

6 Zwischen Formel und fuzzy –
   Möglichkeiten und Grenzen der Komplexitätsreduktion
.............................271

6.1 Von der Quelle zur Meta-Ebene .................................................................... 271
6.2 Formalisierung .............................................................................................. 272
6.3 Modellierung mit graphischer Darstellung ................................................... 274
6.4 Narrative Modellierungen.............................................................................. 285
6.5 Bilanz: Verlust- und Gewinnrechnungen ...................................................... 289

7 Fazit .................................................................................................................293 
Methodischer Dekalog.........................................................................................301
English Summary ................................................................................................305
Transcultural Entanglement. Medievalist Perspectives...................................... 305 Bibliographie.......................................................................................................311
Quellen ............................................................................................................... 311
Wissenschaftliche Literatur................................................................................. 317
Index ...................................................................................................... ............361
Personen- und Ortsnamen................................................................................... 361 Abbildungen........................................................................................................375
Abbildungsverzeichnis ...................................................................................... 375

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