Montag, 30. November 2020

Joe Biden: Autobiografische Orientierung und politisch-globale Verantwortung

Joe Biden:
Versprich es mir.
Über Hoffnung am Rande des Abgrunds.

München: C.H. Beck 2020, 250 S.

--- ISBN 978-3-406-76713-5 ---

Am 25. November 2020 erschien erstmals auf Deutsch - und rechtzeitig zu Thanksgiving*,  Joe Bidens autobiographisches Buch.

Joe Biden wurde am 3. November zum 46. Präsidenten der USA gewählt. Von 1973 bis 2009 gehörte er als Vertreter des Bundesstaates Delaware dem Senat der Vereinigten Staaten an. Von 2009 bis 2017 war er unter Präsident Obama der
47. US-Vizepräsident.
Doch
Trump, 45 US-Präsident, weigterte sich lange, seine Niederlage einzugestehen und klagte in mehreren
US-Bundesstaaten gegen die Auszählungen.
  

Angesichts des Durcheinanders in der Trmp'schen Präsidentschaft ertaunt es nicht, dass Joe Bidens autobiografisches Buch «Versprich es mir» in den USA wochenlang auf Platz 1 der Bestsellerliste  war:  


Promise Me, Dad. A Year of Hope.  Hardship and Purpose
Macmillan Publishers International 2018, 290 pp.

Contents - Chapter
1: Biden Family Thanksgiving Chapter
2: Have a Purpose Chapter
3: Solace Chapter
4: Trust Chapter
5: Keeping Busy Chapter
6: It Has to Be You Chapter
7: Calculated Risks Chapter
8: Home Base Chapter
9: You Have to Tell Them the Truth Chapter
10: Can You Stay? Chapter
11: Run, Joe, Run Section
i: Epilogue Acknowledgements
ii: Acknowledgments

Ausführliche Leseprobe >>>


"Es ist das Buch eines Politikers, aber mehr noch eines Vaters, Großvaters, Freundes und Ehemanns. Es ist die Geschichte vom Leid einer Familie, aber auch von Hoffnung und Zuversicht“, so die Anündigung im C.H.Beck Verlag. 
Joe Biden verarbeitet darin den Tod seines Sohnes Beau Biden, Generalstaatsanwalt in Delaware, der 2014 an einem unheilbaren Gehirntumor erkrankte und seinen Kampf gegen den Krebs schließlich verlor. „Versprich es mir“, hatte der kranke Sohn seinem Vater gesagt. „Gib mir dein Wort, dass du dich, egal was passiert, nicht unterkriegen lässt.“
Joe Biden gab ihm sein Wort.

KAPITEL 1: Thanksgiving bei den Bidens, S. 9ff:
Die Familientradition der Bidens, Thanksgiving gemeinsam auf Nantucket zu verbringen, nahm ihren Anfang im Jahre 1975 als eine Art diplomatischer Akt.
Im November 2014 versammelten sich die Bidens in Nantucket, um gemeinsam Thanksgiving zu feiern – eine Familientradition seit vierzig Jahren. Aber bei Beau, dem ältesten Sohn von Joe Biden, war zuvor ein Hirntumor diagnostiziert worden, und sein Überleben war ungewiss. «Versprich es mir», sagte der kranke Sohn seinem Vater. «Versprich mir, dass du klarkommst, ganz egal, was passiert.» Joe Biden gab ihm sein Wort. Das darauffolgende Jahr stellte ihn auf eine schwere Probe. Er befasste sich mit Krisen in der Ukraine und dem Irak.
Während sein Sohn zu Hause um sein Leben kämpfte, stellte sich Joe Biden der Verantwortung für sein Land und versuchte dennoch für die Familie da zu sein:
 
Als Vizepräsident konnte ich nie ganz von meiner Arbeit abschalten, nicht einmal an Thanksgiving. Zum Beispiel musste ich an jenem Mittwoch den Ausflug in die Stadt abbrechen und zurück zum Haus gehen, wo ich einen Anruf des ukrainischen Ministerpräsidenten Arsenij Jazenjuk entgegennahm, der mich dringend darüber informieren wollte, was sich an jenem Tag in Kiew zugetragen hatte ... Die Europäische Union und die NATO hätten die Ukraine vermutlich als hoffnungslosen Fall aufgegeben, und das Land wäre in den Einflussbereich Russlands zurückgefallen. Der Mut und die Opfer der vielen Menschen während des Euromaidan wären umsonst gewesen” 
(S. 19; dazu Anl. 1: Russland und Nationalstaaten).

In KAPITEL 2: Verfolgen Sie ein Ziel und KAPITEL 3: Trost  beschreibt Biden seine Arbeitsteilung mit Präsident Obama; dies  erforderte Geduld und Mut besonders nach dem Mord an Polizeibeamte in New York. 

Doch während der damalige Vizepräsident unter der Präsidentschaft Barack Obamas durch die Welt reiste und sich mit Krisen in der Ukraine, Mittelamerika und dem Irak befasste, kämpfte sein Sohn um sein Leben. 

KAPITEL 4: Vertrauen  skizziert seine außenpolitischen Erfahrungen als Vorsitzender des Foreign Relations Commitee und weiterer Einrichtungen,  besonders im Blick auf den Irak, den Isklamischen Staat und die Ukraine, S. 74. 

In KAPITEL 5: Mit Arbeit eingedeckt schildert Biden seinen 14-16-Stunden-Tag, S. 83. ebenso auch in KAPITEL 6: Jetzt ist es an dir. 

In KAPITEL 7: Kalkulierte Risiken  erklärt der Jurist "Beau Biden" 2003 den “ Irak als nobles Ziel der USA”.

Im KAPITEL 8 geht es verstäkt um die Innenpolitik: Home Base.

Spannend geschildert wird in KAPITEL 9 Sie müssen ihnen die Wahrheit sagen  seine Begegnung mit Putin, S. 173 ff. 

Nachdenkenswert liest man in KAPITEL 10 Bleibst du noch? , dass die katholischen Rituale stets Trost für Biden bedeuten, S. 187. 
Schließlich ist für ihn das “American Renewable Project” besonders wichtig, worauf er in KAPITEL 11 Tritt an, Joe, tritt an eingeht
Als Autor ordnet Biden seine Erfahrungen in die historischen Gesamtzusammenhänge ein, anstatt sich besonders herauszuheben.

Im abschließenden EPILOG, NACHWORT. BEAUS GABE  schildert Biden seine Familiengeschichte im Horizont seiner Herkunft:  Irland
ist Maßstab seiner Geschichte im Verständnis von Leben, Tod
und Hoffnung.

Bereits im ersten Interview seit der Wahl erklärte Biden:
»Das wird keine dritte Obama-Amtszeit«. In der 
Außenpolitik einer Regierung Biden werden NATO, EU, Afghanistan etc. sicher neu bewertet werden.
Die deutsch-amerikanischen Beziehungen waren in vier Jahren Trump auf einen Tiefpunkt abgestürzt.Eine deutliche Verbesserung erscheint nun möglich. Biden hat sich deutlich von Donald Trumps Doktrin "America first" abgegrenzt. Er stellt sich bewusst den gemeinsamen Herausforderunge. Dazu gehören die Bekämpfung der Corona-Pandemie, der Klimaschutz und die Wiederbelebung der globalen Wirtschaft.  Denn e
in US-Präsident, der gegen die Interessen der Finanzwelt und der Wirtschaft regiert, ist schwer vorstellbar. Natürlich will Joe Biden r mit den Themen Umweltschutz und Nachhaltigkeit bei den Wählern punkten. Aber Amtsinhaber Donald Trump prognostizierte einen zünftigen Crash. Doch Biden ist bisher die zweitbeste Bilanz eines neu gewählten künftigen Präsidenten in den vergangenen 90 Jahren gelungen.
Nach der Wahl Bidens hatten zunächst Biontech und Pfizer,schließlich auch  Moderna und AstraZeneca, erfolgreiche Impfstoff-Studien vorgelegt. Nicht nur die Wall Street, auch andere Börsen hatten zum Teil euphorisch auf die ersten Nachrichten reagiert und das Risiko politischer Unsicherheit hat sich mit Biden reduziert.

Dies ist generell eine lesenswerte Geschichte der globalen politischen Zusammenhänge,    geschrieben mit analytischer Klarheit und präzisen Bewertungen der US-Politik. Das Buch  besticht durch kenntnisreiche und gut lesbare Erfahrungen im Kontext der Familie Biden.

Prof. Dr. Eckhard Freyer, Bonn


*Information zu Thanksgiving, das am 26. November in den USA gefeiert wird:
Der Legende nach landete das Auswandererschiff Mayflower am 11. Dezember 1620 am Plymouth Rock, wo die Pilgerväter (britische Separatisten) 46 ihrer ursprünglich 102 Koloniegründer verloren. Aber dank der Hilfe der dort ansässigen Wampanoag-Indianer lernten sie nach und nach, Saaten und Pflanzen dem Klima entsprechend richtig anzubauen und zu hegen, und den kalten ersten Winter in der neuen Welt zu überleben. Der folgende Sommer von 1621 bescherte ihnen dann eine üppige Ernte. Um diesen Erfolg zu feiern, wurde ein dreitägiges, traditionelles  Erntefest gefeiert, um an den schwierigen Beginn der weißen Siedler erinnern. Thanksgiving ist neben Weihnachten und dem Unabhängigkeitstag die größte Feierlichkeit des Jahres. Die meisten Amerikaner feiern an diesem Festtag gemeinsam mit ihrer Familie und den engsten Freunden – doch  mit mehr als 250.000 Tote im Zusammenhang mit Covid19 ist die Lage brisanter denn je.

Anlage 1: Nach dem Ende der Sowjetunion - Russland und Nationalstaaten
Der Untergang der Sowjetunion verlief im welthistorischen Vergleich relativ unblutig. Doch er hinterließ ein Erbe, das bis heute fortwirkt. Die wirtschaftliche Arbeitsteilung verschwand ebenso wenig wie die starke ethnische Vermischung innerhalb des Reichsverbands. Und die neu entstehenden Nationalstaaten ließen Minderheitenkonflikte eskalieren, die im imperialen Zusammenhang ruhig gestellt gewesen waren. Doch auch in der Zentrale selbst wirkten imperiale Denkweisen und Institutionen fort.
Als Ende 1994 die NATO über die Bedingungen einer Ost-Erweiterung zu diskutieren beginnt, lässt der russische Präsident Boris Jelzin seinem Unmut gegenüber dem Westen freien Lauf: Warum säen Sie den Samen des Misstrauens?
(....) Europa läuft Gefahr, in einen kalten Frieden zu stürzen.

Literaturhinweise:

  • Welch Larson, Deborah: Anatomy of Mistrust:
    U.S.-Soviet Relations During the Cold War.
    Ithaca, Cornell University Press 1997. 329 pp. 
  • Spohr, Kristina: Wendezeit. Die Neuordnung der Welt nach 1989
    Aus dem Englischen von Norbert Juraschitz, Helmut Dierlamm 
    München: DVA, 2019 976 S. mit Abb. 
  • Krotkin, Stephen: Armageddon Reverted. The Soviet Collapse 1970-2000,
    Oxford University Press 2001, 284 S.
  • Aust; Martin: Die Schatten des Imperiums: Russland seit 1991
    München: CH Beck 2019. 190 S.

Redaktion: InterReligiöse Bibliothek (IRB) 

Lizenz:
CC 


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