Es
gibt eine Fülle religionsphilosophischer Untersuchungen, aber wenige, die sich
bewusst auf die Herausforderungen in der jeweiligen gesellschaftlichen
Situation einlassen. Johann Figl, Theologe und Religionswissenschaftler an der
Universität Wien, sieht in der Pluralität der Religionen die entscheidende
Herausforderung:
„Um … nämlich einerseits (und primär) dem Faktum der religiösen Pluralität, und andererseits zugleich den Problemen des Atheismus und der Religionskritik gerecht zu werden, ist es notwendig, das religionsphilosophische Konzept der Aufklärung … weiterzuführen, und zwar in dem Sinn, dass die neuzeitliche auf das Christentum und Europa zentrierte Verengung überwunden wird“ (S. 11).
„Um … nämlich einerseits (und primär) dem Faktum der religiösen Pluralität, und andererseits zugleich den Problemen des Atheismus und der Religionskritik gerecht zu werden, ist es notwendig, das religionsphilosophische Konzept der Aufklärung … weiterzuführen, und zwar in dem Sinn, dass die neuzeitliche auf das Christentum und Europa zentrierte Verengung überwunden wird“ (S. 11).
Damit
ist eine Linie vorgegeben, die zuerst auf die Geschichte und Gegenwart Europas
eingeht und dazu eine relativ präzise Definition von „Religionsphilosophie“
bzw. „Philosophie der Religion“ gibt, die nach dem Verständnis von Figl nur
eine „Philosophie der Religionen“ sein kann. Hier hat sich im historischen
Kontext der Philosophie nun auch Religionsgeschichte und Religionswissenschaft
einzuordnen. Die philosophiehistorischen Gesichtspunkte erlauben weiterhin,
nicht nur hermeneutisch vorzugehen, sondern auch den religionspluralistischen
Aspekt zu betonen: „Wenn Philosophie sich auf die allen Menschen gemeinsame
Vernunft bezieht, dann entsteht notwendigerweise die Frage, welche Bedeutung
die de facto gegebene Pluralität religiöser Auffassungen haben könnte“ (S. 23).
Die geschichtsgeprägte hermeneutische Gewichtung bestimmt letztlich auch die
Gliederung des gesamten Bandes von der frühen griechischen Philosophie bis in
areligiöser Tendenzen und interkultureller Perspektiven der Gegenwart.
Im
1. Teil geht Figl der Frage nach dem
Wesen des Göttlichen und der
Religionskritik in einem polytheistischen Kontext nach. Seine Skizzierung
reicht von mythologischen Vorstellungen, über Anaximander, Pythagoras, Xenophanes
bis zu Sokrates, Plato und Aristoteles. Genaueres kommt dann im Zusammenhang
von hellenistischen Gottesvorstellungen und Weisheitslehren zur Sprache und die
Betonung eines religionsgeschichtlichen Pluralismus in der Spannung von
Skeptizismus und Neuplatonismus.
Der 2. Teil geht dann zum
monotheistischen Kontext über mit der Leitfrage: Wie geht christlicher
Monotheismus angesichts des Atheismusvorwurfs und polytheistischer Umfeld-Bedingungen
vor? Die Logos-Lehre gewinnt hierbei zentral-hermeneutische Kraft im Sinne
einer universalistisch geprägten Würdigung resp. Abwertung der Vielfalt der
Religionen. Das führt auch in die Apologetik nicht nur gegenüber hypothetischen
Atheismen, sondern auch im Blick auf das Verhältnis der drei monotheistischen
Religionen untereinander. Peter Abaelards Toleranzschrift hat hier eine
hermeneutische Schlüsselfunktion. Damit ist Figl von der Antike ins Mittelalter
und der Prägekraft der Gottesbeweise gewechselt. Weiterführend geht er auf
Nikolaus von Kues und auf die („vernünftige“) Theismuskritik in der frühen
Neuzeit und der Aufklärung ein.
Wesentliche
religionsphilosophische Verände-rungen bringt dann der 3. Teil durch die Deutung der
Religionen, und zwar systematisch-philosophisch unter Einbeziehung
atheistischer Kontexte. Diese Herausforderungen des 18./19. Jahrhundert machen
eine grundlegende Religionsphilosophie nichtchristlicher Religionen notwendig.
Hier spricht Figl die Würdigungen des religiösen Pluralismus hauptsächlich bei
Kant, Schleiermacher, Hegel, Schopenhauer, Feuerbach, Marx und Nietzsche an.
Die
Religionsphilosophie wird im 4. Teil
unter den pluralistischen, interkulturellen und gleichzeitig säkular(istisch)en
Vorzeichen des 19./20. Jahrhunderts herausgestellt – zugleich im Kontext von
Idealismus, Interkulturalität und Atheismus.
Ausgehend von Friedrich Max Müller, Nathan Söderblom, Otto Pfleiderer, Ernst
Troeltsch und Rudolf Otto differenziert Figl in der Religionskritik sowohl im
Sinne des kritischen Rationalismus wie des evolutionistischen Atheismus.
Wichtig wird ihm dabei, welche Funktion und welchen Stellenwert die
außerchristlichen Religionen haben. Dadurch „schwankt“ die Argumentation
zwischen religionsphilosophischen, religionswissenschaftlichen und
theologischen Zuschreibungen, jedoch gewinnt die Religionsphilosophie zugleich transkulturelle
Perspektiven und eine neue Gewichtung in der analytischen Philosophie. Das
alles beeinflusst sowohl katholische Denker wie Karl Rahner und evangelische
wie Paul Tillich. Die neuere Religionskritik und der sog. neuen Atheismus (Kap.
10, S. 217–236) scheinen bereits in einen spannenden Dialog mit einer skeptischen
Religionsphilosophie geraten zu sein, wie das Kap. 11. u.a. an W. Weischedel, W.
Trillhaas und W. Dupré zeigt.
Bilanz:
Was das Buch von
seinem philosophiegeschichtlichen Ansatz und der hermeneutischen Umsetzung in
jeweilige Zeitzusammenhänge so spannend macht, ist der Aufbau einer Philosophie
der Religionen unter interkulturellen Vorzeichen. Das sind wichtige
Fortschritte hin zu einer
pluralistischen Religionsphilosophie (unter Einschluss feministischer
Religionsphilosophie). Es sei angemerkt, dass der englische Theologe und
Religionsphilosoph John Hick (1922-2012) eine pluralistische Religionstheologie
gewissermaßen unter neukantianischen Vorzeichen bereits entwickelt hat. Auf
diese gibt es allerdings nur einen Hinweis im Blick im Zusammenhang mit Ludwig
Wittgenstein (vgl. S. 248).
Interkulturelle
Religionsphilosophie steht damit vor der Frage unterschiedlicher
Religionskonzeptionen – mit oder ohne „Erlösungsdimension“ (S.265). Eine
Weiterführung muss darum nach Figl so geschehen, dass über die methodologische
Ebene hinaus, „Perspektiven für die inhaltliche Behandlung im Hinblick auf
verschiedene Kulturräume und philosophische Traditionen“ eröffnet werden (S.
267). Damit nähert sich Figl sowohl den Konzepten einer Praktischen bzw.
Angewandten Religionswissenschaft und schafft einen bemerkenswerten
Brückenschlag zwischen Religionsphilosophie, Religionswissenschaft und
Theologie. Diese Verbindung bedeutet keineswegs, die Differenzen besonders
zwischen Asien und Europa zu relativieren. Die geschichtliche Bedingtheit
religiöser Vorstellungen erlaubt jedoch keine neutralen Beschreibungen: „Insgesamt
kann somit angenommen werden, dass die praxisbezogene Intention der Religionsphilosophie
der Aufklärung gerade auch in der Gegenwart ihre Bedeutung hat … in einer
globalisierten Welt, in der eine viel größere Pluralität und Komplexität
religiöser und weltanschaulicher Auffassungen direkt aufeinander trifft“ (S.
284).
Dank des humanistischen Verständnisses von Toleranz gewinnt Religionsphilosophie auf diese Weise
zugleich einen ethischen Impetus im Blick auf inakzeptable Praktiken, Menschenrechte
und Sinnorientierungen.
Reinhard Kirste
Rz-Figl-Phil-Rel, 29.06.12
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