Montag, 28. Januar 2013

Islamischer Religionsunterricht - Miteinander 1/2 - für die Grundschule



Mouhanad Khorchide (Hg.): Miteinander auf dem Weg.
Islamischer Religionsunterricht 1/2.

Stuttgart: Klett 2012, 97 S., Abb. --- ISBN 978-3-12-006030-7 ---
Ausführliche Beschreibung
Mit der Einführung des Islamischen Religionsunterrichts in Nordrhein-Westfalen hat der Leiter des Centrums für Religiöse Studien an der Universität Münster, Mouhanad Khorchide, auch ein passendes Religionsbuch für die Klassen 1 und 2 vorgelegt. Es wurde mit ihm von einer Reihe kompetenter islamischer und christlicher LehrerInnen und unter religionspädagogischer Beratung u.a. auch durch den bekannten katholischen Religionsdidaktiker Clauss Peter Sajak erarbeitet.
Nun gibt es allerdings bereits einige Schulbücher zum Islamischen Religionsunterreicht, auch für die Grundschule. Offensichtlich wirkt sich hier wie beim christlichen Religionsunterricht die föderative Struktur der Bundesrepublik Deutschland aus. Immerhin hat sich inzwischen mit dem Zentrum für Interkulturelle Islamstudien der Universität Osnabrück ( = Niedersachsen) eine gute Kooperation entwickelt. Vgl. zur Gesamtsituation und zu den Schulbüchern:
http://buchvorstellungen.blogspot.de/2012/04/islamische-schulbucher-und.html

In gewisser Parallelität zur Ev. und Kath. Religionslehre in NRW ist der Islamische Religionsunterricht nun keine (neutrale) Islamkunde mehr, sondern an das religiöse Bekenntnis gebunden. Das wirkt sich natürlich auf didaktische Vorgaben, die Intentionen und die Darstellung aus. Hier ist hervorzuheben, dass die Verfasser wirklich SchülerInnen der beiden ersten Grundschuljahre vor Augen gehabt haben und dies auch in den
11 Kapiteln des Buches bis hin in methodische Feinheiten zum Ausdruck bringen.
Der Weg durch das Buch beginnt mit Identitätsorientierung: Ich, du und wir alle. Dann geht es um Verantwortung für die Schöpfung, Hinführung zu Gott (Allah), das Gebet und ausführlich im Kapitel 7 über den Koran als Lebenshilfe. Der Prophet Mohammed wird natürlich besonders herausgehoben, aber auch der aus der Bibel bekannte Josef (islamisch-arabisch: Yusuf) mit seinen Brüdern und seinem Vater Jakob (Yakub) wird den Kindern nahegebracht. Im Blick auf islamische Lebensstile kommen auch Äußerlichkeiten und Rituale zur Sprache („Allah liebt die Sauberkeit“, Verhaltensregeln beim Essen usw.).
Man merkt dem Buch auch die Offenheit gegenüber anderen Religionen an, was sich besonders im 10. Kapitel zeigt: „Was ich über andere Religionen lernen kann“. Die Nachbarreligionen Judentum und Christentum sollen über Besuche in Synagoge und Kirche vertrauter werden. Dazu gehören das gemeinsame Gebet sowie das Bedenken der vielen Gemeinsamkeiten in den drei monotheistischen Religionen.
Das letzte Kapitel über die Feste hat zwar als Schwerpunkte das Fest des Fastenbrechens am Ende des Ramadans und das Opferfest. Dabei wird eine Linie zu Weihnachten und Ostern gezogen. Ob dabei der Weihnachtsbaum mit den Geschenken und der Schokoladen-Osterhase wirklich für das christliche Verständnis dieser Feste hilfreich sind, muss allerdings bezweifelt werden.          
Auch ein weiteres Klischee scheint noch nicht ganz abgebaut zu sein: Der Islam als Ausländer- und Einwanderer-Religion. Die beiden Kinder Sarah und Bilal sind „Leitfiguren“, die durch das Buch führen und die anderen Kinder ein Stück weit in die islamische Welt mitnehmen. Allerdings sind sie noch richtige Migrantenkinder, deren Eltern aus Ägypten bzw. der Türkei eingewandert sind. Halten wir doch fest: Der Islam ist in Deutschland längst beheimatet, auch wenn das manche nicht wahrhaben wollen! Wir erleben schließlich bereits die 4. Generation mit „Migrationshintergrund. Übrigens hat schon vor 270 Jahren der Preußenkönig Friedrich d.Gr. den Islam bewusst in seinem Gebiet heimisch gemacht.
Nun zu der Reichhaltigkeit der Bilder: Sie sind keine Illustrationen, sondern haben selbst didaktische Qualität. Das ist umso mehr zu begrüßen, als Kinder des 1. Schuljahrs durchaus noch beschränkte Lesekenntnisse haben, was besonders die Druckschrift betrifft. Die Bilder überzeugen durch ihre dialogische Offenheit und bilden ein ausgesprochen sympathisches islamisches Glaubensverständnis ab. Dies wird allerdings dadurch getrübt, weil im Schulbuch nur das arabische und auch im Türkischen gebrauchte „Allah“ vorkommt und seine deutsche Entsprechung „Gott“ überhaupt nicht benutzt wird. Der Herausgeber Khorchide betont in Vorträgen und Veröffentlichungen immer wieder, dass Juden, Christen und Muslime an denselben Gott glauben. Warum dann durchweg „Allah“ im Schulbuch steht, ohne wenigstens auf die sprachliche Gleichheit zu verweisen, ist schwer einzusehen. Vermutlich wird im 2013 erscheinenden Lehrerhandbuch zu lesen sein, warum man in einem islamischen Grundschulbuch so gehandelt habe, aber das kann dann nicht mehr recht befriedigen. Denn im Schulbuch selbst gibt es ausgerechnet hier keinen weiterführenden Lernimpuls. Beheimatung im eigenen Glauben wird doch nicht dadurch erreicht, dass man in einem deutschen Schulbuch zum Islam konsequent beim arabischen Terminus bleibt. Und Grundschulkinder sind durchaus in der Lage zu erkennen, dass es derselbe Gott ist, wenn ihre Eltern und Großeltern (noch) Allah sagen und selbstverständlich beim Gebet die Anrufungen arabisch sind. So liegt angesichts eines modern sich gebenden Schulbuchs doch die Vermutung nahe, dass die Autoren bei aller Pragmatik, die im Buch durchscheint, auf die vorhandene konservative Klientel zu sehr Rücksicht genommen haben. Schließlich möchte man es ja allen Muslimen recht machen. Eigentlich schade!
Dennoch – bei aller Kritik ist der bekenntnisgebundene Islamische Religionsunterricht ein Stück vorangekommen. Und vielleicht haben die Herausgeber und Autoren den Mut, den Schülern mehr offenes Glaubensverständnis zuzutrauen und Folgebände hier didaktisch konsequenter zu gestalten.
Reinhard Kirste
Rz-Miteinander 1-2, 28.01.13

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