Werner Haußmann, Johannes Lähnemann (Hg.): Dein Glaube – mein Glaube. Interreligiöses Lernen in Schule und Gemeinde.
Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2005, 1. Aufl., 200 S.
Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2005, 1. Aufl., 200 S.
--- ISBN 3-525-61556-6 ---
Buchempfehlung aus rpi-virtuell
von Manfred Spieß, Universität Bremen
von Manfred Spieß, Universität Bremen
Die religionspädagogische Wirklichkeit an Deutschlands Schulen wird zunehmend differenzierter. Auch der konfessionell orientierte RU beteiligt sich stärker an der Auseinandersetzung in der religiösen Vielfalt. „Interreligiöses Lernen“ ist aus der religionsdidaktischen Diskussion und vor allem aus der Praxis nicht mehr wegzudenken. Nachdem in den vergangenen Jahren/Jahrzehnten zahlreiche Bücher zur Religionskunde der Weltreligionen erschienen sind, wendet sich die Diskussion nun mehr der praktischen Dialogarbeit zu. Die Herausgeber und Autoren sind keine Neulinge bei diesen Themen, sie können auf einschlägige Erfahrungen mit Tagungen, Dialogveranstaltungen und Vereinigungen vor Ort zurückgreifen.
Grundregeln
Mit seinem einführenden Beitrag „Religionsbegegnung als
Perspektive für den Unterricht“ stellt Johannes Lähnemann die
Rahmenbedingungen vor, innerhalb derer die dialogische Begegnung stattfindet.
Wichtige Grundregeln sind: den anderen ernst nehmen, seine Lebenskontexte
wahrnehmen, gemeinsame Fragen und Aufgaben anerkennen. So können durch
Offenheit und Klarheit – ohne Missionsbestrebungen! – neue Wege entdeckt und
gegangen werden.
Religiöse Artefakte
Genau für den letztgenannten Aspekt bietet das Buch viel
Interessantes. Werner Haußmann stellt das „Lernen mit religiösen
Artefakten“ vor (25-49).
Mag der Begriff auch noch etwas sperrig klingen – die
Sache ist hochinteressant und pädagogisch verheißungsvoll. Es geht dabei um den
religionspädagogischen Umgang mit „Dingen“ und Erfahrungen, die im religiösen
Erfahrungsbereich der Menschen eine starke Bedeutung haben. Haussmann greift
zur Umschreibung auf das Prinzip der „originalen Begegnung“ (Roth) zurück und
verbindet die Lernmöglichkeiten mit dem symboldidaktischen Ansatz (Halbfas).
„Lernen mit religiösen Artefakten“ ist auch vom lebendigen „Zeug-nis“ (Karlo Meyer)
geprägt. In dieser Zusammengehörigkeit kann sich diese Lernform in ihrer
religiösen und interreligiösen Wirksamkeit entfalten. Im angelsächsischen Raum
ist diese Lernmöglichkeit u.a. von John Hull geprägt worden. Einfach ist die
praktische Verwirklichung jedoch nicht! Haussmann ist zuzustimmen: „Es stellt
stets eine religionspädagogische Gratwanderung dar, wenn Schülerinnen und
Schüler unter Verwendung eines religiösen Artefaktes einen ‚Ritus’ imitieren“
(31). Er warnt vor der Gefahr einer „religiösen sight-seeing-tour“. Deshalb
stehen am Anfang der Materialien grundlegende Hinweise für den Umgang mit
religiösen Artefakten, die in den Lerngruppen beachtet werden sollen. Hilfreich
sind auch die vielseitigen Impulse, die der Erschließung dienen (M2). Die
weiteren Materialien führen zu Begegnungen mit dem Islam, mit dem Judentum und
mit dem Buddhismus.
Islam
Johannes Lähnemann ermuntert in einem Beitrag
Lehrkräfte und Schüler zu einer konkreten Begegnung mit dem Islam. Welche
Mindestinformationen sollten nichtislamische Besucher haben bzw. erfragen
(„Fragen an einen Imam“)? Die „Exemplarischen Bausteine“ geben hilfreiche
Hinweise zur fachlichen Vorbereitung eines Moscheebesuchs. Informations- und
Lückentexte mit Wissensüberprüfungen machen diese erfahrungsgesättigten Bericht
zu einer guten Hilfe für die Arbeit in den Klasse 5 – 7 und 8 – 10.
Judentum
Der Beitrag von Heidemarie Glöckner ist der Begegnung
mit dem Judentum gewidmet: „Die Synagoge erkunden –Dem Judentum begegnen“ (71 –
94). Die Autorin beschreibt zunächst die komplexen Ausgangssituationen, die das
Gespräch zwischen Nichtjuden und Juden in Deutschland schwierig machen.
Dialogsuchende wissen um diese Probleme und beziehen sie ein. Ein guter
Anknüpfungspunkt kann die geschichtliche Ebene sein, auf der die Geschichte der
Synagogen in Deutschland und speziell vor Ort erforscht wird. Hier werden
hilfreiche Ansätze geboten. Besonders
weist Heidemarie Glöckner auf die Bedeutung des Alltäglichen im
interreligiösen Gespräch hin: „Die gesunde Neugier von Kindern und Jugendlichen
ist zuerst auf das Naheliegende gerichtet. Sie interessieren sich für das
Kleinmaschige der alltäglichen Lebensvollzüge, durch die ja erst deutlich wird,
wodurch sich Menschen verschiedener Religionszugehhörigkeit unterscheiden“
(75). In den „Exemplarischen Bausteinen“ werden Informationskarten für den
Synagogenbesuch, Fragekarten für Quiz und weitere erfahrungsorientierte
Lernformen vorgestellt.
Schöpfung
Um den Schöpfungsglauben in den abrahamitischen Religionen
geht es in dem gemeinsamen Beitrag von Marcus Schalom Schroll, Johannes
Lähnemann, Rabeya Müller. Bedeutsam ist hier, dass das Verhältnis zur
Naturwissenschaft thematisiert wird und auch die Weltbildbezogenheit religiöser
Schöpfungstexte. Im Vordergrund stehen in dieser interreligiösen Betrachtung
die Geschöpflichkeit des Menschen und seine Verantwortung für die Schöpfung. An
einigen Stellen wünscht man sich mehr Konkretion und stärkere Ausführlichkeit.
Man spürt, dass dies ein erster, tastender Versuch ist, religionspädagogische
Arbeit gemeinsam zu planen. Ist es dieser Unsicherheit zu verdanken, dass man
an dieser Stelle den Klassiker von Jörg Zink „Die letzten sieben Tage der Erde“
erneut abgedruckt findet (108)?
Hinduismus
Schülerinnen im Übergang von Sekundarstufe I zu
Sekundarstufe II sollen besonders mit dem Thema „Hinduismus, Gandhi und die
Christen“ angesprochen werden ( 111 – 148). Hier werden zahlreiche
religionskundliche Basisinformationen geboten, die unterrichtlich gut
eingesetzt werden können. Die Erfahrungs- und Reiseberichte von Klaus und
Susanne Wild, Werner Haußmann und Johannes Lähnemann geben dem Thema eine
persönliche Würze. Der religionsübergreifende Ansatz vergleicht Gandhis Ethik
mit Worten Jesu. Zu ergänzen wäre der Hinweis:wo die lokalen Verhältnisse es
zulassen, sollten auch Begegnungen mit indischen Gläubigen organisiert werden.
Buddhismus
Reizvoll und anspruchsvoll zugleich sind die
Unterrichtsideen zum Buddhismus, die Christiane Lähnemann vorlegt:
„Buddha und Jesus“ (149 – 180). Sachkundig werden hier auch zahlreiche
Literatur- und Unterrichtshilfen vorgestellt. Weitere Schwerpunkte: Meditation,
Richtungen des Buddhismus, Leben und Worte von Buddha im Vergleich mit Jesus,
Mönchtum. Es fehlt auch nicht der Hinweis auf zentrale Internetangebote zum
Buddhismus und die Anregung, den nächstgelegenen buddhistischen Treffpunkt zu
besuchen. Wenn die Schulmöglichkeiten auch nur teilweise eine Verwirklichung
dieser Anregungen zulassen, so können die Schülerinnen und Schüler doch tief in
die fremde Materie eindringen.
Weltethos
Das Projekt Weltethos ist den meisten Religionspädagogen
bekannt. Es gibt ausführliches Film- und Internetmaterial dazu. Günther
Gebhardt und Stefanie Schnebel verweisen auf die vorliegenden
Unterrichtsmodelle und stellen kurz eigene Entwürfe dar. Diese können
schulische Projektarbeit anregen und fächerübergreifendes Lernen anregen. Mit
diesem ethischen Beitrag schließt sich der Kreis der Unterrichtsanregungen
dieses empfehlenswerten Buches.
Fazit
Der Religionsunterricht der Zukunft wird sich intensiver mit
interreligiösen Fragestellungen beschäftigen als es bisher der Fall war. Daher
ist es sehr zu wünschen, dass diese Anregungen in der Ausbildung von
Religionslehrkräften und in der täglichen Schulpraxis eine kreative Umsetzung
erfahren können. Die Synthese von vertiefender Fachinformation und anregenden
Unterrichtsmaterialien ist gut gelungen.
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