Dienstag, 20. August 2013

Offenbarungsansprüche der Religionen



Werner Zager (Hg.): Universale Offenbarung?       
Der eine Gott und die vielen Religionen.   
Leipzig: EVA 2013, 193 S., Personenregister

--- ISBN 978-3-374-03298-3 ---

Kurzrezension hier
Ausführliche Beschreibung

Die Texte in diesem Band gehen auf eine Tagung des Bundes für Freies Christentum vom Herbst 2012 in Hofgeismar zurück. Die Referenten spielten unter verschiedenen Gesichtspunkten den mehr oder minder starken Wahrheitsanspruch verschiedener Religionen durch, zugespitzt in der Frage, ob und ggf. wie sich Gott außer in Jesus Christus auch in anderen Religionen offenbarend mitteilt. Das ist nicht nur eine speziell theologische oder religionswissenschaftliche Frage, sondern in heutigen multikulturellen und multireligiösen Kontexten entscheidend für das Zusammenleben. Wenn nämlich religiöse Absolutheitsansprüche – in welch verklausulierter Form auch immer – gegenüber anderen religiösen Traditionen formuliert werden, liegt Diskriminierung auf der Hand. 


So kann man dem Herausgeber, dem Neutestamentler Werner Zager von der Universität Frankfurt/M. und Leiter der Ev. Erwachsenenbildung Worms, nur dankbar sein, dass mit diesen Vorträgen die interreligiöse Problematik in theologischer Offenheit angegangen wird. Dafür steht in gewisser Weise auch der Bund für Freies Christentum, der sich einem undogmatischen Glauben verpflichtet weiß. Er zählte übrigens Albert Schweitzer zu seinen Mitgliedern.
In der gegenwärtigen Situation ist darum der interreligiöse Dialog eine notwendige Verpflichtung. Der Untertitel lässt dabei schon eine gewisse Zielrichtung erahnen. So verwundert es nicht, dass Werner Zager in seinem Beitrag die liberale Theologie aufgreift und natürlich dabei auf Nathan Söderblom (1866–1931), Wilhelm Bousset, (1865–1920), Albrecht Ritschl (1822–1889), Ernst Troeltsch (1865-1923), Paul Tillich (1886–1965) und Friedrich Heiler (1892-1967) zu sprechen kommt. Besonders schön ist es, dass auch der in der gesamten Diskussion wenig beachtete Hansjörg Jungheinrich (1907–2000) mit seinem Religionen überschreitenden Offenbarungsdenken zur Sprache kommt. Man kann Zagers Resümee zugleich als eine Leitlinie des gesamten Buches verstehen (S. 27):
„(1.) Ein sachgemäßes Verständnis des Christentums ist nur möglich im Kontext der Religions- und Geistesgeschichte bzw. der Geschichte überhaupt. (2.) Angesichts der mannigfachen Verflechtungen der christlichen Religion mit anderen Religionen ist es nicht überzeugend, den Begriff der Offenbarung nur dem Christentum vorzubehalten. … (3.) Der Größe Gottes entspricht es vielmehr, die Religionen als verschiedene Wege Gottes zum Heil zu betrachten. (4.) Der einzelnen Religion eignet daher kein Absolutheitsanspruch. (5.) >Absolut< ist eine Offenbarung Gottes, insofern sie den Menschen, den sie trifft, unbedingt angeht. (6.) Gottes weltweite Offenbarung fordert die Religionen dazu heraus, sich auf das einander Verbindende zu besinnen, Unterschiede wahrzunehmen und zu respektieren … und den eigenen Glaubenshorizont zu erweitern. (7.) Mit den grundlegenden Offenbarungsimpulsen geht in den einzelnen Religionen ein Offenbarungsprozess einher, der zwar aufs Ganze gesehen zu Fortschritten in der religiösen Erkenntnis führt, aber immer wieder von Stagnation und Rückschritten bedroht ist.“
Martin Bauschke von der Stiftung Weltethos in Berlin schränkt in seinem Beitrag methodisch den universalen Offenbarungsgedanken auf Judentum und Islam ein mit Abraham als Prototyp des universalen Gottsuchers. Gespannt darf man sein, wenn einer der wichtigen Vertreter der religionspluralistischen Theologien der Münsteraner Religionswissenschaftler und interkulturelle Theologe Perry Schmidt-Leukel zu Worte kommt. Inwiefern kann man im Hinduismus und Buddhismus von universaler Offenbarung reden? Nun kommt der Buddhismus zum Teil ohne Gottesvorstellung im personalen Sinne aus, aber es gibt doch so etwas wie einen Anspruch von außerhalb der irdischen Wirklichkeit. Geht schon im Hinduismus alles aus dem brahman exklusiv hervor, so bekommt besonders im Mahayana-Buddhismus die Erleuchtung z.T. selbst Offenbarungsqualität. In beiden religiösen Lebensweisen wirken sich diese Vorstellungen oft genug exklusivistisch aus, zumindest aber inklusivistisch. Von daher eignet sich offensichtlich der Offenbarungsbegriff schlecht für den interreligiösen Dialog. Denn es ist besser, von vorläufigen religiösen Deutungen auszugehen und auf stichhaltige intersubjektive Überzeugungen hinzuarbeiten. Pfarrer Wolfgang Pfüller setzt sich ebenfalls ausgesprochen kritisch mit dem Offenbarungsbegriff auseinander. Er versucht den oft hinter diesem Verständnis stehenden Endgültigkeitsanspruch abzuwehren, lässt sich jedoch auch nicht auf den „mutualen Inklusivismus“ von Klaus von Stosch ein. Ihn macht offensichtlich der damit zusammenhängende Relativismus Angst, wie das ähnlich immer wieder gegen die religionspluralistischen Theologien vorgetragen wird. Aber ist es nicht bereits ein relativierender Ansatz, wenn von Offenbarung nur durch ihre menschlichen Deutungen geredet werden kann? Andreas Rössler, ev. Pfarrer und langjähriger Schriftleiter der Zeitschrift „Freies Christentum“, entwickelt an neun u.a. überwiegend auf Troeltsch und Tillich bezogene Thesen, dass die „religiöse Anlage“ als anthropologische Grundkonstante im Sinne von Transzendenzbewusstsein in jedem Menschen zu finden ist. Von daher gibt es Im Grunde keine religiöse Gleichgültigkeit. Die Ahnungen von einer umfassenderen Realität sind Anknüpfungspunkt für das Reden von Offenbarung überhaupt. Der Zweifel kann durchaus als Ergänzung im (inter-)religiösen Zusammenhang gesehen werden. Der Pädagoge und Pfarrer Wolfram Zoller konkretisiert faktisch Rösslers Thesen an Beispielen des Malers Max Beckmann und des Dichters Gottfried Benn, indem er das Zusammenfallen des „Hier und Jetzt“ mit der Transzendenz an beiden Persönlichkeiten vergleichend zeigt.
Die Referenten beziehen sich bei ihren gut zu lesenden Darstellungen immer wieder philosophie- und theologiegeschichtlich geradezu auffällig auf Kant, Nietzsche, Schopenhauer, Goethe, Schweitzer, Troeltsch, und Tillich. Offensichtlich eignen sich die Genannten nicht nur für einen kritischen Umgang mit Offenbarungsverständnissen, sondern eröffnen auch Wege für einen Religionen übergreifenden Dialog.
Reinhard Kirste, 
 Rz-Zager-Offenbarung, 20.08.2013 


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